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Sunda sei stark genug, um sich selbst zu schützen, und
brauche nicht die Vormundschaft Mereres. Leßterer
versuchte, den abtrünnigen Souverän zu bestrafen, und
erklärte Krieg, konnte aber trotz wiederholter Einfälle
in Sundas Gebiet die starke Boma des Feindes
nicht zwingen. Sunda rächte sich seinerseits für die
Einfälle Mereres an arabischen Karawanen, die all-
jährlich von Utengule kommend auf dem Wege nach
Nuemba sein Gebiet passirten, durch unverschämten
Hongo und sonstige Erpressungen, so daß dieselben
die Straße aufgaben und einen Umweg über Kivinda
einschlugen. Sunda soll ferner mit den Wahehe in
Verbindung getreten sein und diese mit Nachrichten
versehen. Mochten diese Meldungen zum Theil auch
übertrieben sein, so schien es mir doch rathsam, dem
Vorschlag stattzugeben, da die Wanika wegen ihrer
vielfachen Straßenräubereien und Dreistigkeit gegen
kleinere Karawanen allgemein verhaßt sind, und die
Züchtigung cines ihrer mächtigsten Häuptlinge den
anderen eine warnende Lehre sein würde. Auch
wurde ich durch die gemeinsame Aktion mit Merere
in die Lage versetzt, die Verwendbarkeit der Wasongo-
krieger für unsere Unternehmung aus eigener An-
schauung zu beurtheilen. Ich sandte daher am 24. Mai
Eilboten nach Muenso, um Euer Hochwohlgeboren
über die Verhältnisse zu unterrichten und im Falle
des Einverständnisses um Verstärkung (Geschütz und
Sudanesenzug) zu bitten. Den Bescheid erbat ich
mir nach Sunda. Ich selbst marschirte erst am
28. Mai, nachdem mir Merere etwa 500 Krieger
unter Führung seines zweitältesten Sohnes übergeben
hatte, von Utengule ab; ferner schloß sich mir der
Jemadar an, um Euer Hochwohlgeboren persönlich
seinen Salaam und Geschenke zu überbringen. Am
29. Mai traf ich vor Sunda ein. Die Eingeborenen
standen in vollem Wasfenschmuck vor der Boma und
gaben durch wildes Geschrei und Kriegstänze uns
zu verstehen, daß sie zum Kriege bereit seien. Meine
Versuche, mit Sunda friedlich zu verhandeln, mußte
ich bald aufgeben, da die Wanika im Vertrauen auf
ihre Boma und angesichts meiner schwachen Truppe
(die 500 Wasango machten auf sie wenig Eindruck,
da dieselben schon in zehnfacher Zahl unverrichteter
Dinge hatten abziehen müssen; ich selbst hatte nur
10 Mann) meine Forderung dreist zurückwiesen, ja
sogar sich erfrechten, mir den Eintritt in die Boma
zu verweigern. Ich bezog vor Sunda befestigtes
Lager, enthielt mich jedoch jeglicher sonstigen Maß-
nahmen, auf die Entscheidung Euer Hochwohl-
geboren wartend; vom Feinde blieb ich, abgesehen
von einigen erfolglosen Schüssen aus der Boma, im
Lager unbehelligt. Am 3. Juni cr. traf endlich die
erbetene Verstärkung (30 Sudauesen) von Muenso
ein; — das Geschütz hatte wegen Trägermangels
nicht mitgesandt werden können — und beschloß ich
sofort den Angriff auf die Boma. Ich ließ nach
kurzem Salvenfeuer die Truppe mit aufgepflanztem
Seitengewehr gegen die mir am schwächsten scheinende
Stelle der Boma mit Hurrah vorgehen. Die Leute
sprangen in den Graben hinab und verschwanden in
demselben bis an den Gürtel in der sumpfigen Sohle
versinkend. Nur mit gegenseitiger Hülfe konnten sie
die steile, glatte Eskarpe erklimmen. Die Arbeit mit
der Axt an der Pallisade und gleichzeitiges Durch-
feuern durch dieselbe war fast unmöglich, da die
Leute immer wieder in den Graben zurücksanken.
Ein Sudanese pflanzte die Fahne auf die Pallisade,
wurde durch die Brust geschossen und fiel todt zurück.
Andere erhielten Speerstiche durch Pallisadenlücken
und Schüsse; ein Unteroffizier wurde durch einc über
ihn gegossene heiße Flüssigkeit gräßlich entstellt. Die
Pallisaden spotteten der mbequemen Arbeit mit
der Axt, und die Leute blieben, endlich vollständig
erschöpft und viele verwundet, in der Sohle des
Grabens, der nicht bestrichen werden konnte. Die
Wasango stockten und wandten sich rückwärts. Ich
sah ein, daß ich mit meinen wenigen Leuten auf
diese Weise die Boma nicht zwingen würde, und
blies zum Rückzug. Meine Leute holten die in der
Pallisade exponirte Flagge und schafften trotz des
Feuers Todte und Verwundete mit sich, so daß es
geradezu ein Wunder war, daß ich nicht mehr Ver-
luste erlitt. Es war 1 Sndanese gefallen, 6 Mann
verwundet.
Ich sandte noch gleichen Tages Bericht an Euer
Hochwohlgeboren, um Geschütze und Verstärkung
bittend. Am 5. Juni cr. traf Fuchs mit weiteren
20 Mann, dem 3,7 cm Geschütz und dem Maxim
ein. Nach Besprechung der Sachlage und Empfang-
nahme Euer Hochwohlgeboren Weisungen für den
zweiten Angriff beschloß ich denselben noch am gleichen
Tage, nachdem die Truppe sich ausgeruht hatte.
Da ich annahm, daß der Feind durch die Wir-
kung von 20 Granaten und Salven erschüttert und
entmuthigt sei, und meine Truppe um das Doppelte
verstärkt war, so beschloß ich einen abermaligen An-
lauf an ciner anderen Stelle, wo mir die Pallisaden
schadhaft schienen. Während eines von Fuchs ge-
führten Scheinangriffs von der rechten Flanke ließ
ich die Sudanesen und Gomorenabtheilung den Sturm
auf die Ostfront der Boma ausführen. In vor-
züglicher Haltung drang die Sturmabtheilung an die
Boma, den vorliegenden Graben ohne Verluste
nehmend, kounnte jedoch wegen verdeckt liegender
Dornen und giftigem Kaktusdickicht abermals nicht
durchdringen. Die Truppe unterhielt von hier ein
lebhastes Feuer durch die Pallisaden in das Dorf
hinein, seitwärts vom Feuer des Feindes flankirt.
Das Maxim versagte den Dienst, da es auf zu
weichem Boden stand und nicht genügend Rückstoß
änßern konnte. Unterdessen hatte Fuchs die Ab-
theilung des Scheinangriffs bis auf 100 m an die
Boma herangeführt; auf meine Aufrage, ob er glaube,
aus seinem Scheinangriff an dieser Seite mit Erfolg
zum Sturm vorgehen zu können, erhielt ich ver-
neinende Antwort. Die Sturmabtheilung sandte
Meldung, daß die Patronen nahezu verbraucht. Zur
Neuausgabe von Patronen war, da der Abend herein-