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Die 111 Tage Predigtreisen, die von der hie-
sigen Station gemacht wurden, beschränken sich fast
ausschließlich auf Mulimba, weil da das größte Ver-
langen nach dem Evangelium war. — An drei
Plätzen konnten wir daselbst Außenstalionen errichten
und an einen vierten einen Lehrer hinsetzen, obwohl
noch keine Gebäulichkeiten da waren.
Ist Manye in gewisser Beziehung unser Sorgen-
kind, so ist unsere zweite Außenstation in Mulimba,
Vongo, wohl diejenige, die mir bis jezt am meisten
Freude bereitet hat. Bongo ist eine der volkreichsten
Mulimbastädte. Die Leute, ein zußerst lebhaftes
Völkchen, sind die besten Fischer Mulimbas, die
nebenbei mit der zwei Tagereisen südlicher wohnenden
Batangabevölkerung Handel treiben. Als ich letzten
März das erste Mal noch Bongo kam, ließen mich die
Leute nicht mehr fort, bis ich ihnen einen Zetlel gab
mit dem Versprechen, daß sie einen Lehrer bekommen
würden. „Unsere Kinder wollen eine Schule, wir
Männer wollen hören die Weisheit, die von oben
kommt, und unsere Weiber wollen in die Versamm-
lung, um das Wort Gottes zu hören“ sagte mir
beim Weggehen eines der Häupter der Stadt. Den
Bau ihrer Kapelle ließen sie sich viel kosten. Die
schönsten Mangrovepfosten wurden gehauen, schön
zugerichtet und aufgestellt. Die große Kapelle, die
innen 14 Meter lang und 7 Mcter breit ist, wurde
nach allen Seilen mit einem großen Vordach ver-
sehen. Das Dach wurde doppelt mit Makten ge-
deckt, nicht, wie gewöhnlich, einfach. Die Arbeit
wurde ihnen des Hungers wegen nicht immer leicht.
So kam ich eines Tages hin, als eben die Dorf-
jugend damit beschäftigt war, die Mattenwände zu
binden. Von Gesang hörte man diesmal nichts.
Alles war an der Arbeit, aber betrübten Gesichtes,
denn sie hatten, obwohl es schon 2 Uhr war, heute
noch nichts gegessen. Man konnte den hier im
Hungerlande Mulimba nicht seltenen Namen „Hunger-
gesicht“ verwirklicht sehen. Es war dies in der
Zeit des Bakokokrieges, als sie für ihre Fische keine
Früchte kaufen konnten. Nur einige Kokosnüsse
wurden jetzt unter die Vielen vertheilt. „Wir können
nicht mehr arbeiten,“ sagten sie, „der Hunger über-
mannt uns. IJa, wenn wir etwas zu essen hätten,
wollten wir gern weiter machen.“ Vongo war einer
der Hauplsitze des Dschengn-(Wassernixe) und Meli-
dienstes. Der Dienst des Meli ist einer der schreck-
lichsten Götzendienste, mit dem unzählige heimliche
Morde verbunden sind, wodurch, wie die Leute
selbst sagen, oft ganze Städte enlvölkert worden sind.
Der Dschengudienst ist hauptsächlich in den Händen
der Frauen mit Ausschluß von Sklaven; der Meli-
dienst hingegen in den Händen der freien Männer,
und nur die Eingeweihten wissen um die Betriügerei.
Wer von Uneingeweihten davon weiß oder gar dar-
über redet, wird ohne Gnade ermordet. Beide
Göpendienste haben Geheimsprachen. In der Predigt
und Schule wurden natürlich diese Gößengreuel nicht
geschont, und bald fing die Schuljugend an, die
Lieder beider Götzendienstarten bei der Arbeit an der
Kapelle und als Rudergesang zu singen — natürlich
zum Spott —, die Geheimsprachen vor aller Ohren
zu reden und zu sagen: „Es giebt keinen Dschengu,
und Meli ist ein Mensch, der im Busch redet.“
Das erregte Zorn bei den Anhängern dieser Greuel,
deren Gewinn zu Grunde zu gehen schien, und sie
fingen an die Jugend zu bedrohen. Lettere ließ
sich aber nicht einschüchtern, denn sie wußte, daß
Niemand ihr elwas thun werde, aus Furcht vor
dem Europäcr. So mußten eben auch die Anhänger
der Götzen gute Miene zum bösen Sviel machen
(denn keiner hatte den Muth, mir ins Gesicht Vor-
würfe zu machen) und diese Burgen des Satans
dahinfallen sehen, denn Niemand glaubte sortan daran;
und die Jungen können nun ruhig ihre Dschengu-
lieder beim Rudern weiter singen, was ihnen noch vor
elnem Jahr theuer zu stehen gekommen wäre. Damit,
daß diese Gößendienste in der einen Stadt abge-
schafft waren, war es auch in den andern Städten
Mulimbas um dieselben geschehen; denn schnell ver-
breitete sich die Kunde über die ganze Gegend.
Den Feldgeistern zu opfern, konnten jedoch die
Bongoleute nicht unterlassen. Obwohl der Hunger
bei ihnen groß war, so wurde doch das Beste, was
sie auftreiben konnten, aufs Feinste zubereitet, aufs Feld
getragen und dort ausgeschüttet. —
Wir hatten am Jahresschluß 65 regelmäßige und
noch viele unregelmäßige Schüler hier, sowie 8 Tauf-
kandidaten. Die Versammlungen wurden regelmäßig
gut besucht. Da der Platz noch neu ist, so schien es
gerathen, mit der Tause etwas langsam zu thun,
obwohl die Taufkandidaten sehr nach derselben ver-
langten.
Anderer Art als in Mulimba ist die Arbeit unter
den Bakoko. Auch hier kann man durchaus nicht
über Unempfänglichkeit klagen, wenn auch das Feld
noch nicht so reif ist zur Ernte, wie in Mulimba;
denn das Gebiet ist noch nic bearbeitet worden. Es
gilt hier vor Allem, Sämannsarbeit zu thun, und
dazu ist leider bis jeht noch sehr wenig Zeit und
Krast übrig geblieben. Es häugt eben an dem
Europäecr zu viel, und eingeborene Kräfte haben
wir nicht.
Die Bakoko sind ein heißblütiges, rohes, händel-
süchtiges, aber doch wiederum zußerst gutmüthiges
Volk, das hauptsächlich Landbau und etwas Handel
treibt. Der Boden ist sehr fruchtbar, so daß die
Bakoko ohne zu große Mühe imstande sind, nicht
nur für sich, sondern auch für die Mulimba=
leute Kassada, Jams, Koko u. s. w. zu pflanzen,
welche Früchte alle 10 Tage auf einem im Fluß
auf Booten stattsindenden Markt gegen Fische umge-
tauscht werden.
Die Bakoko waren ihrer Rohheit wegen immer
hefürchtet von den Nachbarstämmen und blieben bis
vor Kurzem jedem europäischen Einfluß fern, ebenso
dem Christenthum. Selbst die Dualla-Händler, die
sonst, wo sie hinkommen, dem Christenthum vor-