Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

und die dort gebräuchliche Speerform habe ich auch 
hier häufig gefunden. 
Als Schmuck, also auch als Tauscharkikel, werden 
hier außer Zeug besonders große, grüne, flache Perlen 
und Eisendraht gern genommen. 
Bezüglich der Nationalität der Waruri bemerke 
ich noch, daß ihre Sprache von der in Usukuma und 
Ukerewe gesprochenen grundverschieden ist, dagegen 
mit der Massai= und Wagaiasprache einige Aehnlichleit 
haben soll. - 
Der dritte für unseren Theil der Küste in Be- 
tracht kommende Volksstamm sind die Wagaia, deren 
Lauptmocht allerdings noch im englischen Gebiet, in 
avirondo liegt. 
Seit etwa einem Menschenalter sind die Wagaia 
in langsamem Vordringen nach Süden begriffen. 
Der nördlichste Theil unseres Gebietes, die auf beiden 
Seiten des Gori gelegene Londschaft Bugu, hat eine 
reine Wagaiabevölkerung; außerdem befinden sich in 
Sehirati, Uthiri und Irieni Wagaianiederlassungen, 
die Staaten im Staat bilden und die eigentliche 
Bevölkerung allmählich unterjochen, soweit sich ihnen 
diese nicht assimiliren, ihre Sitten und Gewohnheiten 
annehmen, und sich mit ihnen schließlich verschmelzen. 
Außer diesen Zügen zum Zweck fester Niederlassungen 
unternehmen die Wagaia seit langen Jahren Raub= und 
Plünderungszüge in die südlichen Gebiete, und haben 
sie es verstanden, eine derartige Furcht zu verbreiten, 
daß Niemand ihnen zu widerstehen wagt. Die 
sämmtlichen der Küste vorgelagerten Inseln, bis auf 
eine, Irigwa, sind durch sie allmählich entwölkert. 
Die Männer sind ermordet, Weiber und Kinder in 
die Sklaverei geführt. Nicht minder gefürchtet sind ihre 
Raubzüge auf dem Festlande. Die Landschaft Uthiri 
ist jetzt fast enivölkert, der von den Wagaia übrig ge- 
lassene Rest der Bevölkerung ist fast ganz nach Süden, 
in Katingas Neich, ausgewandert. — Die lette Aus- 
wanderung kann erst vor Kurzem stattgefunden haben. 
Auf den Feldern stand noch das Getreide, und die 
verlassenen, auf schier unzugänglichen Felsgipfeln ge- 
bauten Hütten woren in gutem Zustand. — Häufig 
bedienen sich auch unklugerweise die Waruri dieser 
faohrenden Räuberschaaren als Söldner in ihren 
ewigen kleinen Fehden untereinander; die Keiserliche 
Station Muanza hat seinerzeit durch eine kleine 
Abtheilung Sudanesen den Sultan Kulinga gegen 
diese Näuber zu schüten versucht. Dies ist auch 
durch die Tapferkeit der Sudanesen vorübergehend 
gelungen, doch mußte bei der großen Entfernung und 
der geringen Truppenzahl diese Abtheilung später 
zurückgezogen werden, und war die Lage Kulingas 
jetzt schlimmer als zuvor. Noch wenige Tage bevor 
ich zu Kulinga kam, war eine Näuberbande von nur 
zehn Wagaia am hellen Tage ins Land eingebrochen, 
hatte die Männer erschlagen, Weiber und Kinder 
von der Feldarbeit mit sich fortgeschleppt. Die 
wassenfähige Bevölkerung der ziemlich stark bevölkerten 
Landschaft war nicht im Stande gewesen, den Räubern 
ihre Beute zu entreißen, und zogen sich diese in ihre 
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auf der Grenze zwischen Kulingas und Rufumbos 
Reich gelegene, für Eingeborene uneinnehmbare Felsen- 
burg zurück. Es kann keinem Zweifel unterliegen, 
daß, wenn nicht von außen Hülfe kommt, in wenig 
Jahren die Ostküste in die Hände der Wagaia ge- 
rathen wird. Schon haben die Wagaia-Söldner, die 
von den Bewohnern Irienis gegen ihren südlichen 
Nachbar Kulinga zu Hülfe gerufen, sich faktisch zu 
Herren des Landes gemacht, und vergeblich suchen 
die Wairieni die Geister, die sie riefen, wieder los 
zu werden. Selbständig geblicben sind nur noch die 
Gebiete Kulingas und Rufumbos, doch leider herrscht 
zwischen beiden schon lange Jahre heftige Fehde. 
Die das Land vernichtenden und später selbst 
okkupirenden Näuberschaaren der Wagaia kommen 
übrigens nicht aus den im deutschen Theil liegenden 
Wagaiastaaten. Dieselben sollen vielmehr weiter 
nördlich aus dem englischen Gebiete, namentlich aus 
Goschi, stammen. Die Bewohner des zu beiden 
Seiten des Gori liegenden Wagaiastaates Mbugn 
oder Udemi (wohl die frühere Kiruribezeichnung) 
haben auf mich den Eindruck eines trotigen, kriege- 
rischen Stammes gemacht, der einer Unterwerfung 
zähen Widerstand entgegenseßen würde und sich zu 
Leistungen, wie Stellung von Arbeitern und Zahlung 
von Abgaben, wohl freiwillig nie verstehen würde. 
Bei ihrer Liebe zum Schmuck und der unverhältniß- 
mäßig hohen Stufe von Intelligenz, auf der sie 
stehen, dürfte jedoch die Anbahnung eines friedlichen 
Handelsverkehrs mit denselben nicht zu schwierig sein. 
Die Märnner zeichnen sich durch eine hohe, 
schlanke Gestalt und regelmäßige, häufig hübsche Ge- 
sichtssüge aus. Die Weiber sind auffallend klein 
und zierlich gebaut. Sie gelten als hübsch. Be- 
kleidet ist das männliche Geschlecht mit Ziegenfellen, 
das weibliche gar nicht. Es ist dies der einzige mir 
bekannte Fall, wo die Weiber vollständig nackt gehen. 
Der Kriegsschmuck der Männer macht einen außer- 
ordentlich wilden und martialischen Eindruck. Den 
Kopf bedeckt ein riesiger Busch schwarzer Hahnen- 
federn oder eine 1 ½8 Fuß hohe Fellmütze, die an 
die Bärenmütze der alten Napoleonischen Garde er- 
innert. Ueber den Nacken hängt ein dicker Wulst 
Hahnenfedern bis zu den Beinen herab. Uebers 
Gesicht sind von Ohr zu Ohr weiße Perlenschnüre 
gezogen. Die Stirn umspannt ein dünner Leder- 
riemen, an dem alle möglichen Amulets, Zähne, 
Perlen, Holzstückchen, Federn, Schellen u. s. w. befesligt 
sind. Von den Ohren ragen weit nach vorn große 
Wildschweinszähne oder Hörner, durch deren Spiten 
auch wieder Federn gesleckt sind. Den Hals schmücken 
zahlreiche Perlenketten oder mit Kaurimuscheln be- 
sebte Lederstreitfen. An Armen und Beinen werden 
Spangen von blankem Eisen, seltener Kupfer oder 
Messing, getragen. Ein wirklicher Schmuck auch nach 
unseren Begrissen sind die an den Unterarmen ge- 
tragenen riesigen Manschetten aus spiralförmig ge- 
rolltem dicken Eisendraht.
	        
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