Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

Ungoro eingebrochen und am Kilimandjaro noch nicht 
erloschen sein. 
An den Südgrenzen unseres Gebictes muß sie in 
bedrohlicher Weise im Vorschreiten begriffen sein, da 
Engländer und Portugiesen bereits strenge Maßregeln 
angeordnet haben, um sie am Vordringen in ihre 
Gebiete zu hindern. 
Die Ausbreitung der Seuche geschieht unzweifel- 
haft durch direkte Verschleppung des Ansteckungs- 
stoffes durch erkrankte Thiere. So theilte mir Chef 
v. Elpons mit, daß die Seuche in die Stationsherde 
von Dar-es-Saläm durch zwei auf einer gekaperten 
Skiavendhau vorgefundene Thiere gebracht worden 
sei; bald nach ihrer Einstellung in die Herde er- 
wiesen sie sich als krank und die Serche ergriff da- 
nach auch die ganze übrige Herde, während die 
Gegend sonst vollständig seuchenfrei war. Ferner 
gaben die Massai, die auf ihr Vieh in ausgezeichneter 
Weise achten, v. Höhnel als ganz bestimmt an, daß 
sie sich die Seuche durch geraubtes Vieh aus dem 
Samburulande eingeschleppt hätten, und weigern der 
Telekischen Expedition den Durchzug, weil er krankes 
Vieh in der mitgetriebenen Herde habe. Dafür 
spricht auch die Verbreitung entsprechend den Naub- 
zügen der Massai, denn die Seruche folgt erkennbar 
den Wegen dieser, und die Gegenden, die sich durch 
eine wehrhafte Bevölkerung oder günstige örtliche 
Verhältnisse vor den Massaieinbrüchen schützen konnten, 
blieben dauernd oder für längere Zeit von der Seuche 
verschont, so Taweta, Kahe, die Dschaggaländer, das 
Südparegebirge, Uschamboa, Umbugwe. 
Die Senuche muß aber auch indirekt, etwa durch 
Zwischenträger oder infizirtes Futter, übertragen wer- 
den können. Das beweist eine gleichfalls von Chef 
v. Elpons in Mpwapwa gemachte Beobachtung. 
Der Elfenbeinhändler Stokes kam mit einer er- 
krankten Herde vom Victoriasee nach Mpwapwa, und 
um die Ansteckung von seiner eigenen Herde fern 
vt halten, ließ v. Elpons diese einige Tage vor 
em Eintreffen Stokes! flußaufwärts in die Berge 
treiben. Trotzdem brach die Seuche in ihr aus, als 
Stokes einige Tage in Mpwapwa war. Ein direk- 
ter Verkehr der Herden untereinander hatte nicht 
stattgefunden, eine Infektion durch das Wasser ist 
auch ausgeschlossen. Aehnlich verhält es sich mit der 
Einschleppung in die Dschaggastaaten. Hier wird 
das Vieh in Ställen gehalten, aber die Leute holen 
sich vielsfach das Gras aus der Ebene, wo schon seit 
längerer Zeit die Seuche herrscht. Nimmt man eine 
bakterielle Natur der Seuche an, so ist solche Ueber- 
tragung auch gar nicht schwer zu erklären: wir wissen 
ja, daß die Bakterien, z. B. der Schweineseuche und 
Hühnercholera, selbst dreimal den Darmkanal eines 
Thieres passiren können, ohne ihre Lebenskraft und 
Jufektionstüchtigkeit einzubüßen; da in Afrika die 
Vernichtung der Kadaver den Geiern und Schakalen 
überlassen ist, so wird gerade durch sie eine indirekte 
Verschleppung leicht möglich sein. 
Diese Art der Verbreitung ist um so eher mög- 
  
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lich, als die üechaszer und Ranbvögel nicht empfäng- 
lich für diese Seuche sind. 
Außer den Rindern sind in hohem Grade 
empfänglich die wildlebenden Büffel, die größeren 
Antilopenarten, Giraffen und nach einer Quelle 
Maskatesel, Pferde und Kameele. Wenig empfänglich 
dagegen ist das Kleinvieh. Ob Schweine empfänglich 
oder immun sind, ist nirgends erwähnt. Unempfänglich 
„sind graue Esel und Zebras. 
Es ist kein einziger Fall bekannt, daß beim Men- 
schen irgend eine Art der Infektion stattgefunden habe, 
weder beim Zerwirken kranker Thiere, noch nach dem 
Genuß von Fleisch solcher Thiere. 
Die Erkrankung verläuft nach den übereinstim- 
menden Berichten sehr schnell, meist innerhalb 24 
bis 36 Stunden und in der Mehrzahl der Fälle, 
nicht unter 98 pEt., tödtlich. Ob freilich die wirk- 
liche Dauer der Krankheit so kurz ist, steht noch da- 
hin; es könnten immerhin die ersten Symptome über- 
sehen worden sein; denn in Telekis Expedition 
suchten die Massai kranke Thiere heraus, die Teleki 
und v. Höhnel für durchaus gesund hielten, und 
ähnlich erging es Thomson. 
Nach den Angaben der Reisenden und in Afrika 
Angestellten kommen zwei durchaus verschiedene For- 
men vor. In der einen sind die Lungen, in der 
anderen der Darmkanal erkrankt, also eine pektorale 
und eine intestinale Form. Andererseits wird auch 
von einer hochgradigen Veränderung der Muskulatur 
und Knochen berichtet. Leider sind die Angaben zu 
ungenau, um bestimmte Schlüsse auf die Natur der 
Seuche zu gestatten. 
Das Jungvieh soll nach den einen Berichten mehr, 
nach den anderen weniger leicht erkranken als das 
ausgewachsene Vieh. Die Kühe scheinen leichter zu 
erkranken oder vielleicht auch öfter der Krankheit zu 
erliegen, da die durchgekommenen und übriggebliebenen 
Thiere zumeist Stiere sein sollen. Ein einmaliges 
Ueberstehen scheint vor einer Neuerkrankung zu schützen. 
Von Heilmitteln wird nur eins erwähnt: Pater 
Schyuse glaubt mit Chinin ein Thier durchgebracht 
und zwei gebessert zu haben. Weitere Versuche verbot 
der Chininmangel. 
Von den aus Europa bekannten Rinderkrankheiten 
können eigentlich nur die Rinderseuche und die Rin- 
derpest in Betracht kommen, Milzbrand, als der die 
Seuche aufänglich aufgefaßt wurde, ist wohl aus- 
geschlossen, fehlen doch alle Veränderungen an der 
Milz und nirgends ist etwas von der charakteristischen 
Eindickung des Blutes erwähnt. An Rinderseuche 
ist zu denken wegen der gleichzeitigen Veränderung 
der Muskulatur, die mehrfach beobachtet worden ist. 
Vieles stimmt wieder besser auf Rinderpest, so die 
„Lroße Galle“, nur entspricht dieser nicht der an- 
geblich so rapide Verlauf. 
Von den furchtbaren Verheerungen geben Augen- 
zeugen folgende Schilderungen: 
Thomson erzählt in seinem Buche „Durch 
Massailand“: „Auf unserem Wege überraschten uns
	        
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