Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

Denkschrift, 
betreffend 
Deutsch-Ostafrika. 
Die politischen Verhältnisse. 
Küstengebiet. 
Seit dem Schluß der letzten Denkschrift — Druck- 
sachen des Reichstags Session II 1892/93 Nr. 6 — 
ist die Entwickelung des Schutzgebietes weiter fort- 
geschritten. Im Küstengebiet haben die friedlichen 
Zustände in dem letzten Jahre keinerlei Veränderung 
erfahren. Wie schon in der vorgedachten Denkschrift 
hervorgehoben werden konnte, herrschen hier voll- 
kommen ruhige und geordnete Verhältnisse, so daß 
die friedliche Entwickelung des Küstengebiets durch 
den immer weiter nach dem Innern sich ausdehnenden 
Einfluß der Bezirksämter erfreuliche Fortschritte ge- 
macht hat. Mehr und mehr zeigt es sich, daß eine 
Beschränkung auf das ausschließliche Küstengebiet 
eine Unmöglichkeit ist und daß es schon im Interesse 
des Handels und der hieraus auch für die Regierung 
zu schöpfenden Einnahmen eine Nothwendigkeit wird, 
die gesammte Interessensphäre von der deutschen 
Macht beherrscht zu sehen. Dies gilt insbesondere 
für die nördlichen Landschaften Usambara, Useguha- 
und Nguru. Nach den letztgenannten Gebieten, 
welche sich seither der Einwirkung der deutschen 
Schutzgewalt mehr oder weniger entzogen, hat der 
Oberführer der Kaiserlichen Schutztruppe Freiherr 
v. Manteuffel in Begleitung der Bezirksamtmänner 
Leue und v. Rode im März und April d. Is. 
eine Expedition unternommen, um diese bisher weniger 
begangenen Gebiete an den deutschen Einfluß fester 
zu knüpfen. In dem von dem Bezirksamtmann 
Leue über diesen Zug erstatteten Bericht wird her- 
vorgehoben, wie besonders die Landschaften Udahe 
und Ukwere außerordentlich fruchtbar sind und in 
einem für ostafrikanische Verhältnisse hohen Kultur- 
zustand sich befinden. Die Bewohner dieses Gebietes 
begegneten der Expedition mit Ehrerbietung und be- 
kundeten überall eine große Zufriedenheit mit den 
jetzt bestehenden Verhältnissen. Der Umschwung in 
der Stimmung der Bevölkerung dieses Gebietes ist 
nicht zum Mindesten auf den Einfluß der katholischen 
Mission zurückzuführen, welche in Mandera in Useguha 
und Mkonda in Nguru Stationen errichtet hat. Im 
  
südlichen Küstengebiet schreitet die Entwickelung natur- 
gemäß langsamer vorwärts, da eine weitere Er- 
forschung des Hinterlandes aus Mangel an verfüg- 
baren Mitteln bisher noch nicht in Angriff genommen 
werden konnte. 
Ugogo= und Wahehe-Gebiet. 
Den steten Einfällen der Wahehe-, Mahenge- 
und Wagwangwara-Masti, Völkerschaften, welche im 
südwestlichen Theil der deutschen Interessensphäre im 
Quellgebiet des Rufjji ihre Wohnsitze haben, ist durch 
Anlage der befestigten Stationen Kilossa, Lusalwe 
und Kisaki, in Verbindung mit der bereits bestehenden 
Station in Mpwapwa in wirksamer Weise begegnet 
worden. Während die gedachten räuberischen Stämme 
in früheren Jahren die Landschaften Ugogo, Usagara 
und Usaramo alljährlich brandschatzten, selbst die 
Küstenstädte bedrohten und durch fortwährende Beun- 
ruhigung der Karawanenstraßen den Handel schwer 
schädigten, ist es, von dem bedauerlicherweise erfolg- 
reichen Einfalle der Wahehe nach Kondoa abgesehen, 
durch Anlage der vorerwähnten Stationen jetzt ge- 
lungen, den dem Wahehe-Gebiet benachbarten Völker- 
schaften einen wirksamen Schutz zu gewähren und 
die Handelsstraße nach dem Seengebiet besser als je 
zuvor zu sichern. Dank dem tapferen Verhalten der 
in Ugogo und Chutu stationirken Offiziere und Mann- 
schaften der Kaiserlichen Schutztruppe sind im letzten 
Jahre mehrfach räuberische Einfälle der Mafiti blutig 
zurückgewiesen worden. So hat der in Kilossa 
stationirte Arzt Dr. Arning am 8. Dezember v. Is. 
einen Einfall von 1500 Wahehe nach mehrstündigem 
Gefecht unter erheblichen Verlusten des Feindes 
zurückgeschlagen. Auch die Kämpfe gegen die auf- 
rührerischen Häuptlinge der den Wahehe benachbarten 
Wagogo sind erfolgreich gewesen und haben dazu 
beigetragen, in diesem von der Karawanenstraße be- 
rührten Gebiet wieder geordnete Verhältnisse her- 
zustellen. 
In den Kämpfen gegen die Wahehe haben zwei 
Offiziere der Kaiserlichen Schutztruppe, Lieutenant 
Brüning und Lieutenant Fließbach, den Helden- 
tod gefunden.
	        
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