Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

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der Wahehe und Mafiti, die an Arabern und Be- 
ludschen immer bereite Abnehmer für die Menschen- 
waare finden. Häufig entsteht die Sklaverei auch 
erst an der Küste dadurch, daß Kinder, welche zu 
den aus dem Innern gekommenen Karawanen ge- 
hören, unter der Vorspiegelung, daß sie sich durch 
eine kleine Arbeit auf dem Felde ekwas Geld ver- 
dienen sollen, von dem Lager fortgelockt und von 
einem Dorse der Nachbarschaft aus in einem Aus- 
legerboote verschifft und als Sklaven verkauft werden. 
Auch der Selbstverkauf und der Verkauf durch Ver- 
wandte ist eine Entstehungsart der Sklaverei, die 
recht deutlich vor Augen führt, wie wenig Schreck- 
haftes die Sklaverei für den Eingeborenen hat. Der 
Selbstverkauf wird mikunter geradezu gewerbsmäßig 
betrieben, indem ein Eingeborener, nachdem er das 
für den Verkauf erlöste Geld verjubelt hat, bei gün- 
stiger Gelegenheit ausreißt, um das Geschäft von 
Neuem zu beginnen. Der Verkauf durch Verwandte 
findet nur aus Noth statt. So ist es in ziemlich 
grossem Umfange vor etwa 12 bis 14 Jahren ge- 
schehen, als infolge völliger Mißernte große Hungersnoth 
im Lande herrschte. In diesem Falle herrscht die 
Gewohnheit, daß der Käufer verpflichtet ist, den 
Sklaven gegen Ersatz des Kaufpreises jederzeit an 
seine Verwandten zurückzugeben, so daß das Geschäft 
mehr als eine Verpfändung für ein Darlehn, bei 
welchem die Dienste des Sklaven die Zinsen dar- 
stellen, erscheint. 
12. Verschiedene Formen der Sklaverei kommen 
nicht vor. 
13. Das Gonvernement hat sich, wie schon früher 
berichtet worden ist, auf den Standpunkt gestellt und 
dies häufig bekannt geben lassen, doß eine Sklaverei 
überhaupt nicht anerkannt wird, sondern dies Ver- 
hältniß lediglich nach gleichen Gesichtspunkten wie 
bei uns das Verhältniß vom Herrn zum Dienstboten 
betrachtet wird. Vor den Behörden ist daher jeder 
Sklave Rechtssubjekt. Es werden daher Klagen des 
Sklaven gegen seinen Herru zugelassen und sind gar 
nicht selten. Wie sehr diese Auffassung bereils in 
Fleisch und Blut der Bevölkerung übergegangen ist, 
geht daraus hervor, daß der Herr ohne Anwendung 
eines Zwangsmittels vor dem Gerichte erscheint, 
wenn der Sklave eine Klage gegen ihn vorbringen 
will. Entsprechend dem Gesichtspunkte des Gesinde- 
verhältnisses steht dem Herrn auch kein Züchtigungs- 
recht gegen den Sklaven zu, sondern er muß seine 
Beschwerde gegen den Sklaven der Behörde vor- 
tragen, welche, wenn sie begründet ist, eine Strafe 
verhängt und vollstreckt. Auf diese Weise wird auch 
der Herr in seinem Rechte geschützt. 
Auch in vermögensrechtlicher Beziehung ist der 
Sllave ein Rechtssubjekt. In der Regel erhält der 
Sklave von seinem Herrn ein Stück Land zu eigener 
Bewirthschaftung und ist dafür verpflichtet, eine be- 
stimmte Anzahl von Tagen in der Woche (zwischen 
drei und fünf Tagen) für den Herrn zu arbeiten. 
Was er in den anderen für ihn bestimmten Tagen 
  
schafft, ist sein Eigenlthum, das er durch sparsames 
Wirthschaften so vermehren kann, das er sich mit 
seinen eigenen Mitteln freikaufen kann. 
14. Der Herr hat für den Unterhalt und das 
leibliche Wohl seines Sklaven bis zu dessen Lebens- 
ende zu sorgen. Dies ist ein so feststehender Grund- 
satz, daß dagegen nie gesehlt wird. Eine Folge 
davon ist, wie ebenfalls in früheren Berichten schon 
ausgeführt worden ist, daß die in festen Händen 
befindlichen Sklaven in den meisten Fällen gar nicht 
wünschen, befreit zu werden, da sie dann auf ihrer 
eigenen Hände Arbeit angewiesen sein würden. 
In gleicher Weise wie für den Unterhalt des 
Sklaven hat der Herr auch für die vermögens- 
rechtlichen Folgen von dessen unerlaubten Handlungen 
einzustehen, falls der Stlave nicht eigenes Vermögen 
besitzt, in welchem Falle dieses in erster Linie zur 
Entschädigung des Verletzten dient. 
15. und 16. Diese Fragen sind schon unter der 
Nummer 13 beantwortet worden. 
17. Die Aufhebung des Verhältnisses zwischen 
Herrn und Sklaven findet statt: 
a) Durch Freikauf, welcher durch die Verordnung 
vom 1. September 1891 geregelt ist. 
b) Durch Entlassung seitens des Herrn. Den 
Lieblingsstlaven wird nicht selten zur Belohnung die 
Freiheit gegeben. Sie verbleiben dann aber in der 
Familiengemeinschaft des Herrn und bilden eine 
Klientel, ganz ähnlich wie im alten Rom die 
Libertini. 
JP) Durch richterlichen Spruch, wenn dem Herrn 
der Nachweis erbracht wird, daß er den Slklaven 
geraubt oder wissentlich von Näubern erworben hat, 
oder wenn er ihn andauernd schlecht behandelt oder 
ihm den nöthigen Unterhalt versagt. 
18. Die Aufhebung der Sklaverei ist zur 
Zeit nicht durchführbar, da sie zu große 
wirthschaftliche Nachtheile im Gefolge haben 
würde. Denn die Bebauung des Landes geschieht 
vorzugsweise durch Sllaven und würde fast gänzlich 
unterbleiben, wenn die Sklaven freigelassen würden. 
Zu einer plößlichen Aufhebung der Sklaverei 
liegt aber auch kein Bedürfniß vor, da, wir 
bereits ausgeführt, die Sklaverei hier nue 
in der allermildesten Form auftritt und die 
Befreiung von den Sklaven selber nicht ge- 
wünscht wird. Der Monschlichkeit wird 
vollauf Rechnung getragen, wenn der 
Sklavenraub und Verkauf über See mit der 
Wurzel ausgerottet wird. Dann wird die 
Sklaverei allmählich von selber aufhören 
und der Uebergang zur Bewirthschaftung des 
Landes mit freien Arbeitern kann sich in 
ruhiger Entwickelung vollziehen. 
19. Die Beankwortung dieser Frage ergiebt sich 
aus dem unter den vorhergehenden Nummern Ge- 
sagten. · 
 
	        
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