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einmüthig zusammengestanden und dem vordringenden
Gegner entgegengetreten sein, so hätte sich an ihrer
bedentend überlegenen Bewaffnung mit Gewehren der
muhammedanische Anprall unbedingt brechen müssen.
Welch großen Reichthum an Feuerwaffen die Wutés
besitzen, dürfte schon der Umstand beweisen, daß,
trotzdem bei meinem Einzug in Ngila die Haupt-
macht im Kriegslager war, ich dort etwa 300 Ge-
wehre sah. Ich glaube, daß weder der Samido
von „Tibati“ noch der Emir von Yola auch nur die
Hälfte dieser Zahl ihr Eigen neunen können.
Lediglich die Landstriche direkt nördlich des
Sannaga und am Unterlaufe des Mbam sind recht ange-
baut und bewohnt. Die nördlichen Gegenden sind durch
die jahrelangen Naubzüge sehr enlvölkert, und wir
konnten oft tagelang marschiren, ehe wir ein arm-
seliges Farmdorf erreichten. Dagegen sind die
Wutéorte und speziell Ngila das Eldorado der
Haussa-Kaufleute, welche wir überall antrafen.
Neben Ngila haben sich die Haussas zwei Nieder-
lassungen mit etwa 50 bis 60 Hütten erbaut. Sie
kommen hierher in größeren oder kleineren Kara-
wanen; Pferde, Stoffe, Perlen und Hausgeräthe
mit sich führend. Die Einfuhr von Pulver und
Gewehren ist ihnen vom Tibatihäuptling untersagt
und auch schon dadurch erschwert, daß, da in den
Faktoreien des Benus und mittleren Niger Beides
nicht verkauft werden darf, der Transport sich über-
mäßig vertheuern würde. Alle mitgebrachten Gegen-
stände nun haben diese Händler sogleich dem Häupt-
ling einzuliefern, da dieser allein das Monopol des
Handels besitzt. Hierfür ertheilt er ihnen die Er-
laubniß, sich auf belicbig lange Zeit, meist ein bis
zwei Jahre, niederzulassen und zu jagen, während
ihre Weiber Kleinhandel mit von ihnen bereiteten
Lebensmitteln treiben und das Feld bebanen. Von den
erlegten Elefanten bekommt einen Zahn der Häupt-
ling, und nach Ablauf einer gewissen Zeit erhalten
die Haussa-Kaufleute von ihm eine in seinem Be-
lieben stehende Anzahl Elefantenzähne und Sklaven.
Trotzdem sie nun vollkommen der Willkür der
Häuptlinge anheimgegeben sind, scheinen sie doch
immerhin ein ganz brillantes Geschäft zu machen, und
wird es, so lange die Verkehrsverhällnisse von der
Küste in diese Hinterländer sich nicht bessern, für
unsere Kaufleute stets schwierig sein mit ihnen zu
konkurriren, denn abgesehen davon, daß sie das
Elfenbein immerhin noch billiger erhalten als der
Weiße, transportiren sie mit einem Material, welches
sie nicht nur nichts kostet, sondern an dem sic noch
verdienen — den Sklaven.
Diese Länder vom Mbam bis zum Sangha
sind das eigentliche Zeutrum des westafrikanischen
Elfenbeinhandels, und sollen speziell bei dem östlich
von Ngila wohnenden- Häuptling Mango noch große
Massen von Elfenbein liegen. Es ist jedoch für
die Haussahändler sehr schwer, dorthin zu kommen,
da der eifersüchtige Lionn ihnen den Zugang ver-
wehrt und der Weg von Norden durch das Gebiet
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der räuberischen Bayae führt. Außerdem sind aber
auch diese Gegenden das Reserooir, aus welchem
die weit nordwärts liegenden Länder die Haussa-
und Tshadseestaaten, ja selbst die Wüstenvölker, ihren
gewaltigen Bedarf an Sklaven decken, und nur das
Erscheinen des Wcißen am mittleren Sannaga und
in Ya#nde hat dem Vordringer dieser Sklaven-
räuber nach Westen und Süden Halt geboten. Wie
bedeutend die Sklavenausfuhr aus diesen Ländern
ist beweist der Umstand, daß während meines fünf-
wöchigen Aufenthalts in Sanserni-Tibati etwa 500
meist von den Wutés gelieferte Sklaven nach
Norden transportirt wurden.
Da ich hartnäckig darauf bestand, ihn nicht im
Kriegslager aufzusuchen, und mich in Watark nicht
vom Flecke rührte, bequemte sich endlich der Häuptling,
mich in Ngila zu empfangen. Am Morgen des
28. März traf ich mit ihm in einer Farm vor dem
Ort zusammen und wurde in feierlichem Aufzuge
dort eingeführt.
Nun wurden uns 12 Hütten in Ngila ange-
wiesen und die seierliche Audienz für den nächsten
Nachmittag angesetzt.
Das Nogila, welches ich nun betreten hatte, war
nicht dasselbe, in welchem meine Vorgänger vom
alten Ngila empfangen wurden. Dieses Dorf steht
nicht mehr, sondern wurde vor anderthalb Jahren
nach dem Tode des alten Häuptlings verlassen und
ist nun zerfallen. Das neue liegt elwa 10 km
nordöstlich davon in weitem Gebirgskessel, infolge-
dessen das Klima dortselbst weniger rauh ist, als
an dem alten Orte. Es dürfte 5000 bis 6000
Einwohner haben, nicht mitgerechnet die große An-
zahl der in den umliegenden Farmorten Wohnenden.
Die Hütten der Wutes sind meist geräumiger als
diejenigen der nördlich wohnenden Völker. Die
größeren runden Häuser haben oft einen Durchmesser
von Lm, während die spitzen Dächer sich bis zu
einer Höhe von 5 m erheben. Im Inneren sind sie
in der Regel durch eine Bambuswand einmal ab-
getheilt. Die Hütten des Häuptlings unterscheiden
sich in keiner Weise von denen seinen Unterthanen,
und hat der Königsplatz nicht einmal eine eigene
Umzäunung.
Auf besonderen Prunk scheint Lionn über-
haupt, nicht viel zu geben. Er ist etwa 25 Jahre
alt, mit gewöhnlichen Zügen, würdelosem, ausge-
dunsenem Gesicht, dessen schwammige Züge und stets
verschleierte Augen auf den ersten Blick den Trinker
verrathen, und thatsächlich fand ich ihn auch oft am
frühesten Morgen schon vollkommen betrunken. Seine
Herrschaft ist der ausgesprochenste Despotismus.
Er ist unbeschränkter Herr über Leben und Eigen-
thum aller seiner Unterthanen; neben ihm muß jeder
derselben, selbst ein so mächtiger Häuptling wie
Watar, auf der bloßen Erde sitzen. Niemand außer
ihm hat das Recht zu handeln, und so kommt es,
daß das ganze Volk, mit Ausnahme der zum Hof-
staat des Häuptlings gehörigen Großen, in größter