Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

künstlich bewässert, und machte mich auf die in der 
That ganz außergewöhnliche Größe der geernteten 
Kokosnüsse aufmerksam. Ganz vorziglich gehalten 
war auch der breite, von jungen kräftigen Kokosnuß= 
bäumen beschattete, mit seinem Kies sauber bestreute 
Hauptweg, den dieser Häuptling quer durch die 
Insel angelegt hat. Jaluit hat nicht einen solchen 
Weg aufzuweisen, und der Wegeban muß ganz 
unterbleiben, sobald im Gefängniß sich keine Ge- 
fangenen befinden, oder wenn ich nicht ab und zu 
gegen eine angemessene Belohnung die Samvaner 
dazu bestimme. Litokwa gilt zur Zeit als der 
eifrigste Beförderer der amerikanischen Mission im 
Schutzgebiete, aber auch als ein der Regierung er- 
ässi Ich habe vor seinem 
Hause in Ebon eine große Versammlung abgehallen, 
bei der auch die Missionare und die Kirchenvorstände 
zugegen waren, und in ähnlicher Weise wie in Na- 
morik gesprochen. Auch habe ich seine Leute und 
die Missionare zum Gehorsam gegen Litokwa er- 
mahnt. Der Häuptling, dem ich auch wie üblich 
einige Geschenke machte, hat diese Ermahnung mit 
großer Freude ausfgenommen. 
Auf Ebon befinden sich fünf Handelsstationen, 
die alle genügende Beschäftigung und Verdienst haben, 
davon gehören drei der Jaluit-Gesellschaft, eine der 
neuseeländischen Firma und eine der eingeborenen 
Frau des Kaufmanns Capelle in Jaluit; doch hat 
die Jaluit-Gesellschaft zweiselsohne den Handel fast 
vollkommen in der Hand. Sonst sind die Ver- 
hältnisse auf Ebon völlig geordnet und durchaus 
friedlich. 
Nach dem an anderer Stelle geschilderten Be- 
suche in Nauri erreichten wir am 24. August vor- 
mittags 9 Uhr die Lagune von Majuru und gingen 
angesichts der Ansiedelung der neuseeländischen Firma 
Henderson & Macfarlane vor Anler. Es ist eine 
ausgedehnte Besihung, die eine außerordentlich wohl- 
gepflegte und mit jungen prächtigen Kokosnußpalmen 
dicht bepflanzte Insel mit einer stattlichen Reihe von 
Gebäulichleiten umfaßt. An Bedentung und Größe 
kann diese Hauptstation der genannten Firma sich 
zwar nicht mit der Hauptstation der Jaluit= Gesell- 
schaft in Jaluit messen, aber sie zeigt doch, daß 
Henderson & Maefarlane große Anstrengungen 
machen, um Voden zu gewinnen. 
Sowohl von Seiten der englischen wie der 
deutschen Händler erhielt ich hier Nachrichten über 
die wenig friedlichen Zustände in Majurn, die mich 
veranlaßten, den „Archer“ allein nach Malonlab, 
wo nichts vorlag und der sehr zuverlässige Häupt- 
ling Murjil für die RNuhe und Sicherheit sorgt, 
gehen zu lassen, um dem Ausbruch eines Krieges 
zwischen den beiden seindlichen Häuptlingen Jib- 
berick und Kaibucki vorzubengen. Aus früheren 
Berichten gehr hervor, daß die Landstreitigkeiten in 
Majurn von Anbeginn der deutschen Verwaltung 
zur Tagesordnung gehört haben, und eine scheinbar 
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endgültige Beilegung derselben erst durch den 
Kaiserlichen Kommissar Biermann ersolgt war. 
Aber schon im Februar d. Is. waren wieder Gerüchte 
über eine neue Fehde der dortigen Häuptlinge aus 
Majuru meinem Vorgänger zu Ohren gekommen, 
und er war damals entschlossen gewesen, sofort dort- 
hin zu gehen, als mit der „Flink“ die beruhigende 
Nachricht eintraf, daß der alte kriegerische Jibberick 
gestorben sei. Indessen war die Hoffnung, die man 
an dies Ereigniß knüpflte, nicht in Erfüllung ge- 
gangen, denn das Verhältniß zwischen dem jungen 
Jibberick und Kaibucki blieb das gleiche wie unter 
seinem Vorgänger. Ja, seine Anhänger vernichteten 
sogar eine große Kokosnußbaumanpflanzung und 
rissen die darauf befindlichen Häuser nieder, ein 
Vorgehen, das nach der alten Anschauung der 
Marshallaner den Beginn des Krieges bedeutet. 
Sosort nach meiner Ankuuft sandte ich zu allen 
Häuptlingen auf den einzelnen Inseln, die ost 20 bis 
25 englische Meilen ablagen, Boten auf Segelbooten 
aus, um sie wie die übrigen streitbaren Männer 
zum Austrag der schwebenden Streitigkeiten zu 
Dienstag den 28. August vor mich zu berufen. Die 
Zwischenzeit benutzte ich, um zwei in der Nähe 
liegende Stationen der Hauptagentur der Jaluit= 
Gesellschaft auf den Inseln Jarret und Dälap zu 
besuchen und einige alte Schuldensachen zu regeln. 
Dälap, früher der ausschließliche Sitz des alten, 
nunmehr verstorbenen Häuptlings Nimme, ist wegen 
seiner vielen Grabstätlen interessant. Darunter be- 
sand sich auch das Grab des einen Sohnes von 
Rimme, ein Dach, von vier Pfählen getragen, 
darstellend, unter dem kleine Spiegel, Bürsten, 
Oelflaschen und ähnliche zur Kanakertoilette 
dienende Gegenstände zum Gebrauch für den 
Todten bei seinem Uebertritt ins Jenseits aus- 
bewahrt wurden. 
Einen überraschenden Anblick gewährte in der 
Morgenfrühe am Dienstag das Heransegeln der 
zahlreichen größeren und kleineren Kanus. Der 
Erste, der erschien, war der Häuptling Jibberick, 
gesolgt von seiner Schwester und etwa 300 streil- 
baren Männern, Alle festlich geschmückt. Im Gegen- 
satz zu der in Jaluit und den übrigen Ralicks 
üblichen Tracht sind die Männer hier mit langen 
Weiberröcken aus verschiedenfarbigen Stoffen be- 
kleidet, und dadurch erhält eine solche Versammlung, 
wie die in Majuru war, einen überaus bunten, sast 
orientalischen Anblick. Da Jibberick an der Gicht, 
einer infolge der übermäßigen Feuchtigkeit in den 
Marshall-Inseln sehr häufigen Krankheit, unter der 
besonders auch die Weißen schwer zu leiden haben, 
litt, so wurde er von seinen Leuten in seinem schwarz 
und roth bemallen und gleich den alten Wilinger- 
schiffen mit geschnitzten Bugköpfen sowie mit schwarzen 
Federbüschen gezierten Segelkann bis unter die 
Palmen getragen. Jibberick ist etwa Mitte der 
vierziger Jahre, sieht aber wie sast alle Kanaker 
älter aus, als er thatsächlich ist. Ich habe übrigens
	        
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