Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

tigleit der von der Mission betriebenen Industriezweige 
wird selbst von den englischen Beamten anerkannt. 
Die im Jahre 1893 eröffnete Station Unangu im 
Daolande (auf dem Hochland östlich vom See) gedeiht 
unter der Pflege eines Missionsarztes und eines ein- 
geborenen Geistlichen. Eine wichtige Ausdehnung 
hat das Werk dadurch erhalten, daß man im Sep- 
tember v. Is. die auf dem Westuser liegende Stadt 
Kotakota besetzt hat; damit ist auch das jenseitige 
Ufergebiet in Angrisf genommen. 
Einen segensreichen Einfluß hat auch die aus dem 
südlichen Wesiufer des Nyassa thätige Mission der 
Freischotten (die sog. Livingstonin-Mission) auf die 
Vollsverhältnisse ausgeübt, worüber der kürzlich von 
dort zurückgekehrte Missionar Gossip berichtel: „Seit 
Menschengedenken waren die am See wohnenden 
Eingeborenen, ehe die Mission sich dort niederließ, 
die Opfer der periodisch sich wiederholenden Raub- 
züge der Angoni, eines Zulustammes, der das Berg- 
land der Ufergebiete bewohnt. Wie die Matebelen 
lebten sie nur von Krieg und Naub und waren der 
Schrecken ihrer Nachbarn. Unvermuthet stiegen sie 
bei Nacht von ihren Bergen herab, umringten plötlich 
die Dörfer und speerten die Männer, sobald diese 
ihre Hülten verließen, schleppten die Weiber sammt 
dem Vieh auf ihre Bergfesten hinauf und verließen 
dann die Niederlassungen als verwüstete und entvöl- 
kerte Stätten. So kann man noch jetßt streckenweis 
tagelang reisen, ohne auch nur eine Menschenseele zu 
tressen. Seitdem aber die Mission sich an den Ufern 
des Sees niedergelassen hat, ist Alles anders geworden. 
Man hat freundliche Beziehungen mit den Atonga 
und anderen Stämmen angeknüpft, die sich gern unter 
den Schutz der Weißen stellten. Auch mit den stolzen 
und blutdürstigen Angoni wurden Abmachungen ge- 
trossen und das Endergebniß davon übertrifft nun 
alle Erwartungen. Stationen wurden in Vandawe 
und im Angoniland gegründet und seitdem sind die 
Atonga vor den Augoni sicher. Jetzt kam man auf 
den Missionsstationen Angonikrieger mit Akongafrauen 
friedlich nebeneinander arbeiten sehen, und selbst bis 
nach Blantyre im Shirehochland ziehen die vormals 
gefürchteten Angoni, um dort als Arbeiter zu dienen. 
Friedlich passiren sie die Dorsschaften der Atonga 
und übernachten in deren Hütten, die sie früher als 
hrimmige Feinde zu überfallen pflegten. Sehr er- 
leichtert wurde den Missionaren ihre schwierige Auf- 
gabe dadurch, daß die Jugend überall ein reges 
Verlangen zeigte, Gottes Wort in der eigenen Sprache 
zu lernen, und daß dies nun viele Hunderte im Stande 
sind. Die Schulen in Bandawe und im Angoniland 
sind überall überfüllt und es ist interessant, zu sehen, 
wie z. B. der Oberhäuptling von Bandawe — ein 
Mann, der sich früher viele Greuelthaten zu schulden 
kommen ließ — jeßt mit Kindern auf der Schulbank 
sitzt und sich mit Fibel und Schiefertafel beschäftigt." 
Mittelpunkt der Mission ist das schon mehrfach ge- 
nannte Bandawe mit einem Lehrerbildungsinstitut, 
mit einer Kirche, einer Druckerpresse, mit Werlstätten 
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und Oekonomic. Wichtig ist auch der ärztliche Zweig 
der Missionsthätigkeit. Das Arbeiterpersonal ist in 
den letzten Jahren bedeutend verstärkt worden. 
Sübdlich davon, im gesünderen Shirehochland, liegt 
das Arbeitsgebiet der schottischen Staatskirche mit der 
Hauptstation Blantyre. Das siattliche Häuserviertel 
der Missionsgebäude umschließt eine architektonisch 
bedentende, fast ausschließlich von den Eingeborenen 
gebaute Kirche, verschiedene Schulen, Werkstätten und 
Gartenanlagen. Auch hier ist die Schulthätigkeit, 
der Besuch der Gottesdienste und der bivilisirende 
Einfluß der Mission bedeutend. Einen schweren Ver- 
lust hat dieselbe lürzlich durch den Tod des Missions- 
arztes Dr. W. A. Scott erlitten, der seit 1889 in 
Blantyre thätig war. Seitdem das Shirehochland 
unter britischem Schuß steht (1890), haben sich manche 
europäische Kolonisten, Kaffeepflanzer und Abenteurer 
dort eingefunden. So hat sich u. A. im Jahre 1893 
ein australischer Kolonist, der Baptist Booth, in der 
Nähe von Blantyre niedergelassen; derselbe pflanzt 
Kaffee und will durch Gründung christlicher Kolonien 
den Heiden das Christenthum beibringen. Er hat 
sich aber bis jetzt bei den benachbarten Missionen 
keinen sonderlich guten Namen gemacht, da er durch 
enorm hohe Tagelöhne der Mission in Blantyre 
deren Zöglinge und Gemeindeglieder an sich zu ziehen 
sucht. Trotdem hat diese sogenannte Zambesi In- 
dustrial Mission in der englischen Heimath, wo ja 
jedes neue Problem des Missionsbetriebes begeisterte 
Anhänger findet, hohe Gönner. 
Die am Südufer des Tanganyika arbeitende Lon- 
doner Mission hat bis jetzt nur ein kümmerliches 
Dasein gefristet und es lag deshalb für mauche 
englische Missionsfreunde der Gedanke nahe, daos 
Arbeitsfeld ganz aufzugeben. Ursprünglich mit weit- 
gehenden Plänen unternommen, gedachte man ver- 
mittelst eines Dampsers, der im Jahre 1885 an den 
Sce geschafft wurde, längs der beiden Ufer des Tan- 
  
ganyika unter den Völkerschaften zu missioniren. 
Aber die Schwierigkeiten der Kommunikation mit der 
Küste, der übermächtige Einfluß der arabischen Skl- 
T venhändler und wohl auch der Mangel einer richtigen 
Oberleitung haben das Werl nicht gedeihen lassen. 
Verschiedene Stationen, die angelegt wurden, gab 
man wieder auf oder verlegte sie. Zur Zeit bestehen 
nur noch die beiden Stationen Niamkolo am Südende 
1 des Sees und Fwambo auf der Tanganyikahochebene. 
Da man den ursprünglichen Plan der- Usermission 
l aufgegeben hat, so ist der Missionsdampfer „Good 
5 News“ an die Seengesellschaft verkauft worden. Auf 
deutschem Gebiet, östlich von Udschidschi, liegt die 
dritte Londoner Station, Urambo, auf der aber auch 
bis jeßzt noch keine Ersolge erzielt worden sind. 
Im deutschen Gebict — und zwar auf der von 
Bagamoyo nach dem Tanganyika und Victoria-Nyansa 
führenden Karawanenstraße — liegen die Usagara- 
stationen der englisch-kirchlichen Mission: Mpwapwa, 
Mamboia und Kisokwe. Die beiden ersteren bilden 
noch immer die Stütz= und Ruhepunkte für die nach
	        
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