Full text: Deutsches Kolonialblatt. VII. Jahrgang, 1896. (7)

keit anzutreiben und in guter Ordnung und Arbeit! 
samkeit zu erhalten. 
Seit 1885 hat das christliche Dorf eine wichtige 
Veränderung erfahren. Weder nach der Absicht der 
Missionare noch nach der Meinung der Schwarzen 
selbst sollte der eben geschilderte Zustand immer fort 
dauern. Es kam die Zeit, wo die ersten Einrich- 
tungen beendigt waren, und nunmehr mußte Arbeit 
geschafft werden, um diese Familien zu beschäftigen. 
Der Mission war es auf die Dauer unmöglich, für 
so viele Leute Lebensmittel aufzubringen. Es wurde 
nöthig, diese Christen, die keine Kinder, keine Stlaven 
mehr waren, früher oder später ihrer persönlichen 
Verantwortung zu überlassen. Dieser Uebergang war 
nicht ohne Gefahren. Doch vollzog er sich in Baga- 
moyo ohne Erschütterung. Um den christlichen Fa- 
milien den zu ihrem Unterhalte genügenden Grund 
und Boden zu verschaffen, mußte ein größeres Grund- 
stück erworben werden. Glücklicherweise waren dem 
apostolischen Vikar gerade um diese Zeit durch einen 
deutschen Priester 5000 Mark zur Gründung eines 
christlichen Dorfes zur Verfügung gestellt worden. 
Aber nur mit Mühe konnte Grund und Boden von 
einem verschuldeten Araber erworben werden, weil 
der Sultan von Sansibar die Abtretung von Land 
au die „Ungläubigen“ nicht gerne sah. Das neue 
Besitzthum, nach dem Wunsche des Schenkers zu 
Ehren des heiligen Thomas „Thomasstadt“ genannt, 
liegt ungefähr eine halbe Stunde von der Mission. 
Es ist ziemlich groß und von gewöhnlicher Frucht- 
barkeit, beschattet von mehreren Kokospalmen und 
einigen Mangobäumen. Nachdem man den Platz 
sorgfältig vermessen und in Lose von gleicher Aus- 
dehnung eingetheilt hatte, sand sich, daß 17 Familien 
darauf leben konnten. Zehn unter ihnen haben schon 
1886 ihre Hütten gebant und leben glücklich darauf. 
Ein Vorsteher mit zwei Gemeinderäthen bildet die 
Regierung. 
Für die in Drei-Aehren bei Colmar beabsichtigte 
Errichtung einer Zweigniederlassung der Bäter vom 
heiligen Geiste ist die den Landesgesetzen entsprechende 
Zulassung gewährt worden. 
Ueber einen Besuch beim deutschen Stationschef 
von Tabora schreibt P. Capus in 
Schwert“ aus Uschirombo unter dem 12. Juni 18956: 
Ich komme soeben von einer Reise nach Tabora 
zurück. Zweck war, 28 Waisenkinder zu holen, welche 
die deutschen Truppen den Sklavenhändlern abgejagt 
hatten. Herr Stationskommandant Leue hatte uns 
gebeten, die armen Kinder unter unsere Obhut zu 
nehmen. 
Von der Reise habe ich den besten Eindruck mit- 
gebracht. Unterwegs berührte ich unsere Mission 
St. Michael, die erst zwei Jahre besteht. Ich hatte 
meinc helle Freude an den dort gemachten Fort- 
schritten. Die Bisuana, die ehemals als ganz un- 
zugänglich galten, kommen von nah und fern zur 
16 
„Hreuz und 
Mission, und die Häuptlinge, die noch vor einigen 
Jahren die durchreisenden Missionare erbarmungslos 
ausplünderken, wünschen jetzt alle, die Missionare 
sollten zu ihnen kommen. 
Da die Ebene infolge überreichen Regens schwer 
zu passiren war, so konnten wir nicht geradcaus auf 
Tabora marschiren. Wir hielten uns auf den Hügeln 
und erreichten nach sieben starken Marschtagen Ndala. 
Dort wurden wir im Triumph empfangen. Mutabo, 
die Königin, überschüttete uns mit Ehrenbezeugungen, 
desgleichen ihre Unterthanen. Unser Aufenthalt war 
ein Fest für die Leute, und die alte Königin sprach 
uns den lebhaften Wunsch aus, Missionare zu erhalten. 
Es ist noch nicht so lange her, da verweigerte sie 
dem Missionar bei strömendem Regen ein Obdach. 
Heute haben wir Mühe, wieder von ihr loszukommen. 
Nach achtstündigem Marsche durch ein sehr be- 
bölkertes Land kamen wir an die Hauptstadt von 
Ujui. Fünf Minuten davon erhebt sich auf einer 
kleinen Anhöhe die frühere englische Mission, heute 
ein Waarenmagazin. 
Beim Hahnenschrei früh morgens waren wir wieder 
auf den Beinen. Wir hatten einen dichten Wald vor 
uns, und erst nachmittags 2 Uhr zogen wir in Ta- 
bora, der Hauptstadt von Ungamwesi, ein. Tabora 
ist groß, aber seine Bewohner wohnen zerstreut auf 
ihren Gehöften in der Ebene. Seitdem die Deutschen 
hier sind, haben sie die verschiedenen Stadttheile durch 
breite und lange Straßen mit dem Markiplatze ver- 
bunden. Der Markt von Tabora hat einen bedeu- 
tenden Ruf: jeden Tag wird da gehandelt; man 
verkauft da Alles: Pataten, Maniok, Früchte, Fische, 
Pombe jeder Güte, sogar Bremholz, worüber die 
Neger, die den Markt zum ersten Mal besuchen, sich 
hoöchlich wundern. Was es an Thieren und Menschen 
giebt, kommt hier zusammen, alle Stämme, von der 
Ostküste bis zum Kongo, vom Victoriasee bis zum 
Nyassasee, treffen sich hier: man sieht alle Kostümc, 
man hört alle Sprachen: es ist ein Durcheinander 
sonder Gleichen. Man schreit, gestikulirt mit Händen 
und Füßen, prügelt sich — trotz der Negerpolizei, die 
gravitätisch durch die Menge schreitet, gar nicht übel 
anzusehen mit ihrer Schärpe und dem Säbel an der 
Seite. Geht ein Weißer vorüber, erhebt sich Alles, 
grüßt militärisch und läßt seiner Gurgel ein ehr- 
furchtsvolles „Morgen!“ entfahren. Ein wirklich 
hochinteressantes Schausfpiel! Um das Bild zu ver- 
vollständigen, sehen wir die Schutztruppe exerziren, 
Tambour und Hornist machen Musik dazu. Könnten 
wir noch Straßenbeleuchtung, Omnibusdienst und 
Zeitungsausrufer hinzufügen, so wärc ein kleines Bild 
von Berlin da. 
Der Empfang, den wir bei den deutschen Be- 
hörden sanden, war recht herzlich. Der Herr Haupt- 
mann und seine Subalternen erschienen in Gala. 
Ich mußte absolut mit ihnen speisen und bei ihnen 
wohnen. 
Herr Hauptmann Leue zeigte ein sehr warmes 
1 Interesse für unsere Missionen. „Gründen Sie neue
	        
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