Full text: Deutsches Kolonialblatt. VII. Jahrgang, 1896. (7)

aus weiter Ferne begrüßte. Am Flaggenmast hatten 
der Häuptling mit seinen Berathern Aufstellung ge- 
nommen, und dort fand auch die erste feierliche Be- 
grüßung statt, im unmittelbaren Anschluß an einen 
unter drückendster Sonnengluth zurückgelegten an- 
strengenden Marsch meist eine recht wenig erwünschte 
Feierlichkeit. Die häufig sehr volkreichen Dörfer sind 
durchweg winkelig und eng, im Uebrigen aber wohl 
gebaut. Unter den Häusern herrscht die viereckige 
Form, mit Giebeldach aus Savannengras, vor, 
seltener finden sich runde Gebäude. Einzeln stehende 
Häuser werden nicht häufig angetroffen, fast immer 
bilden vielmehr die Wohnungen einer Familie ein 
Gehöft, welches mit einem übermannshohen Zaun 
aus Binsengeflecht umgeben ist. Der Eingang zu 
den Gehöften wird des Nachts ebenfalls mit einer 
Matte zugestellt, Wohlhabendere dagegen haben sich 
zu diesem Zwecke eine zwar roh, aber solide ge- 
arbeitete Holzthüre beschafft, welche auf den Märkten 
feilgehalten werden. 
Innerhalb der Gehöfte und Wohnungen herrscht 
peinlichste Sauberkeit. Die Hütte besteht mitunter 
nur aus einem einzigen Raum von etwa 2 bis 3 m 
Tiefe, 4 bis 5 m Länge und 1,50 bis 1,80 m Höhe, 
so daß man sie nur mit Vorsicht betreten darf, um 
nicht mit einem Querbalken des Dachstuhles eine 
empfindliche Bekanntschaft zu machen. Nicht selten 
begegnet man indessen auch Häusern mit zwei und 
mehr Räumen, vor welchen sich manchmal sogar noch 
eine von dem überhängenden Dache geschützte Vor- 
halle hinzieht. Die Eingänge und Fenster, falls 
letztere überhaupt vorhanden, bilden einfach in der 
Mauer freigclassene Oeffnungen; nur ausnahms- 
weise sind verschließbare Thüren und Fensterläden an- 
gebracht. Soweit der Lateritboden reicht, bedienen 
sich die Eingeborcnen dieses vortrefflichen Materials 
zum Hüttenbau. Die Herstellung von Backsteinen, 
welche an der Küste von Eingeborenen bereits in 
sabrikmäßigem Umfange betrieben wird, ist den Be- 
wohnern des Innern entweder noch nicht bekannt, 
oder, was wahrscheinlicher ist, sie scheuen sich der 
damit verbundenen Mühe. Holz zur Speisung von 
Ziegelöfen würde hinreichend vorhanden sein. Gegen- 
wärtig geht daher die Errichtung des Mauerwerkes 
noch in überaus primitiver Weise vor sich. Vier in 
die Erde gerammte Pfähle werden durch eine Art 
Flechtwerk aus biegsamen Stöcken verbunden, auf 
dieses die gehörig durchgeknetete Thonerde mit den 
Händen von beiden Seiten aufgetragen und fest- 
gedrückt, und der Rohbau ist fertig. Man möge 
indessen nicht glauben, daß diese Bauart von mangel- 
hafter Solidität wäre. Im Gegentheil erlangen die 
in der Sonne bald getrockneten, von dem Flechtwerk 
gehaltenen Mauern eine solche Festigkeit, daß sie das 
überaus schwere Binsendach nicht nur bequem zu 
tragen vermögen, sondern auch den klimatischen Ein- 
flüssen eine lange Reihe von Jahren zu trotzen im 
Stande sind. Einen großen Vorzug haben diese 
Häuschen dadurch, daß sie tagsüber einen angenehm 
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kühlen Aufenthalt gewähren, da das etwa ½ m 
dicke Dach die Wirkung der Sonnenstrahlen voll- 
kommen aufhebt. Wir haben dieselben daher mit 
Vorliebe als Rastplätze aufgesucht. Während der 
Nacht ist dagegen das Zelt ohne Frage vorzuziehen, 
da die in dem eingeräumten Gehöfte eng zusammen- 
stehenden Hütten den freien Zutritt der frischen 
Zugluft behindern. 
Am freundlichsten gestaltete sich der Empfang 
in dem etwa 1½ Stunden vor der Station Misa- 
höhe gelegenen Marktflecken Agome-Palime. Der 
Platzhäuptling, der allzeit heitere Gidde-Gidde, war 
uns in Gemeinschaft mit dem Stationsvorsteher von 
Misahöhe, Lieutenant Plehn, schon eine ansehnliche 
Strecke entgegengekommen und konnte kein Ende 
finden, seiner Freude darüber Ausdruck zu geben, 
daß ich mein ihm in Sebbe seinerzeit gegebenes 
Versprechen, ihn zu besuchen, so bald erfüllte. In 
Agome-Palime angekommen bot uns Gidde-Gidde 
sogleich einen nach unserem langen Marsch doppelt 
willkommenen, anßerordentlich erfrischenden Be- 
grüßungstrunk in vorzüglichem Palmwein, wie ich 
ihn in gleicher Güte während der Reise nicht wieder 
gefunden habe. Der dort kredenzte Palmwein ge- 
nießt seiner Güte wegen bereits lange einen gewissen 
Ruf, und Gidde-Gidde ist nicht wenig stolz darauf. 
Der Tag nach meiner Ankunft in Palime galt als 
besonderer Festtag und war meiner offiziellen Be- 
grüßung durch die Bevölkerung des gesammten 
Agomelandes gewidmet. Die Dorfhäuptlinge hatten 
sich zu diesem Zwecke schon lange zum Abmarsch 
bereit gehalten und harrten nur des Winkes Gidde= 
Giddes. So kamen sie denn von nah und fern, 
aus allen Himmelsrichtungen, voran die deutsche 
Flagge, alsdann der Häuptling mit seinem NRathe, 
gefolgt von den Dorfbewohnern beiderlei Geschlechts 
und jeden Alters, in schier unabsehbarer Reihe an- 
marschirt. Auf dem Marktplat in Palime angelangt, 
begann sofort das unvermeidliche „play“, bestehend 
aus dem charakteristischen gliederverrenkenden Tanz, 
welcher von monotonem, ohrenzerreißßendem Gesang 
begleitet wird, zu dem wiederum unaufhörlicher 
Trommelschlag den Grundton liefert. Die dazu be- 
nutzten Trommeln haben nicht selten eine so erheb- 
liche Größe und Schwere, daß ein starker Mann 
dieselben auf dem Kopfe tragen muß, während ein 
zweiter mit ebenso großer Kunst als bewunderungs- 
würdiger Ausdauer die Bearbeitung des Instrumentes 
übernimmt. 4 
Nachdem der Zuzug der Festtheilnehmer sein 
Ende erreicht zu haben schien, befahl ich sämmtliche 
anwesenden Häuptlinge zu mir und begann, unter 
lautloser Stille der wohl an 2000 Köpfe zählenden 
Menge, mit denselben ein feierliches Palawer, welches 
ich mit der allseitig mit freudiger Zustimmung auf- 
genommenen Ausrufung Gidde-Giddes als Ober- 
häuptling des Agomegebictes beschloß. Gidde-Gidde, ein 
kluger, der deutschen Sache in überzeugungsvoller Treue 
zugethaner Mann in den besten Jahren, war bisher
	        
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