Full text: Deutsches Kolonialblatt. IX. Jahrgang, 1898. (9)

Kamerun. 
Einem Bericht des Premierlieutenants v. Carnap über 
seine Thätigkeit vor seinem Sug nach dem Rongo 
ist noch Folgendcs zu entnehmen: 
Einen Befehl des Kaiserlichen Gouvernements, 
freundschaftliche Beziehungen mit dem Wutehäuptling 
Ngute, dem älteren, deutschfreundlich gesinnten 
Bruder des Näubers Ngila, anzuknüpfen, führte 
ich mit vollem Erfolge durch. Auf dem Rückmarsch 
durch den Urwald bei Borlinga wurde die Expedition 
von Ngilas Leuten überfallen. Dank dem energischen 
Vorwärtsdringen der disziplinirten Soldaten gelang 
es mir, nach mehrstündigem Gefecht dem Feinde eine 
lang andauernde Schlappe beizubringen; der Häupt- 
ling Mebolong, welcher die Hauptschuld an der Er- 
mordung des Premierlientenants v. Volckamer trägt, 
fiel. 
In der Zeit vom März bis Juli 1897 unter- 
nahm ich von der Station aus Orientirungsreisen 
in das Witugebiet bis nach Wenke sowie in das 
Gebirge der Mwelle. Kein Schuß ist auf diesem 
Zug gefallen, und wenn die Verhandlungen mit 
den Häuptlingen auch langwierig, langweilig und 
strapaziös waren, so hatte meine Geduld doch in 
allen Fällen den erwünschten Erfolg: Anknüpfung 
freundschaftlicher und Handelsbeziehungen nach dem 
Stationsgebiet hin. Die Stellung von Arbeitern, 
Trägern, Wegebauten machten nicht große Schwierig- 
keiten, natürlich mußten kleine Geschenke nicht ver- 
gessen werden. 
Leider ließ jedoch der Störenfried Ngila den 
diesseits des Panaga wohnenden, der Station er- 
gebenen Stämmen — Benjaaa, Batschenga, Wute, 
Moelle — keine Ruhe. 
Fast täglich liefen Nachrichten ein von bekannten 
Häuptlingen mit der Meldung dieser oder jener 
Schandthat Ngilas. Lauteten nun auch die In- 
struktionen des Kaiserlichen Gonvernements dahin, 
nicht über die Sanagalinie hinauszugehen, so glaubte 
ich doch, meine Stellung in Richtung Nordost- 
Sanaga vorschieben zu müssen, den Bitten und 
Drängen der deutschen Bevölkerung zu willfahren, 
ihr Schutz und vor Allem Ruhe bei der so ungemein 
wichtigen Farmarbeit zu gewähren. In meinem 
Stationsgebiet herrschte Ruhe und Ordnung, und so 
durfte ich die Station am 4. September 1897 mit 
nur 12 Mann verlassen, um mich zu obengenanntem 
Zweck in das Sanagagebiet zu begeben. In allen 
Plätzen fand ich nach meiner früheren Angabe her- 
gerichtete Unterkunftsräume, und die Häuptlinge 
Na-Tinati, Wemba, Dandungu, Wenke lieferten 
Nahrungsmittel in reichem Maße. Um den Wege- 
bau zu fördern, die Festlegung von möglichst geraden 
Straßen selbst zu bewachen, hatte ich nur von einem 
Maundehäuptling 60 Arbeiter stellen lassen; es waren 
zwar Strafarbeiter, für eine Unbotmäßigkeit verlangt, 
die sich der Häuptling hatte zu Schulden kommen 
lassen, doch mit Rücksicht auf ihr Verhalten wurden 
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diese Leute mit den freiwillig Engagirten gleichmäßig 
bezahlt. 
Ende September 1897 trafen bei den Häupt- 
lingen Dandungu von Manga und Wenke mich sehr 
beunruhigende Nachrichten aus dem nördlichen Gebiet 
ein. Man schien energische Vorbereitungen zu einem 
gemeinsamen Vorgehen gegen die deutschgesinnten 
Stämme zu treffen. . 
Nach langen Verhandlungen mit den Häuptlingen 
und ihrer Unterstützung versichert, enischloß ich mich 
kurz, den Hauptzufuhrplatz der Ruhestörer, Jolo, 
(Morgens Reise) zu besetzen und die weitere 
Waffen zu= und Sklaven aus fuhr zu verhindern. 
Von Wienke, durch vorzügliche Führer geleitet, auf 
bisher unbekannten Pfaden, durch Urwald und 
Sumpf, traf ich nach zehn angestrengten Marschtagen 
im Bestimmungsort ein und erreichte meine Absicht. 
Während meines Aufenthaltes in Joko hatte ich 
Erkundigungen nach Richtung Südost eingezogen. 
Man erzählte von einem schiffbaren Fluß, von 
einem Kolamarkt, der von großen Karawanen aus 
Nord und Ost besucht würde, von mächtigen Häupt- 
lingen 2c., kurz, mein Entschluß stand fest, auf neuen 
Wegen nach Yaunde zurückzukehren. 
Von Joko ging es einige Tage durch freundliche 
Dörfer. War auch überall, wie überhaupt während 
der ganzen mehrmonatlichen Expedition, Essen in 
reichlichstem Maße vorhanden, so hatten wir alle 
doch durch die starken Regengüsse, die die Wege fast 
unpassirbar machten, zu leiden. Zeitweise im stinken- 
den Sumpf bis an den Hals und die Brust, Durch- 
schleichen durch stacheliges Gestrüpp, mehrtägiges 
Lagerleben im Urwald ließ uns doch daran erinnern, 
daß wir nicht mehr im Stationsgebiet waren. Der 
Humor und der eiserne Wille, etwas für die Kolonie 
zu schaffen, half jetzt wie auch später zum Ziel. 
Nach zweitägigem Marsch durch einen sich von 
Westen nach Osten hinziehenden Urwald, in dem der 
Gorilla haust, erreichte ich am 10. Oktober 1897 den 
Ort Wutschaba mit gleichnamigem Häuptling. Nach 
wenigen Stunden war mit dem jungen, intelligenten 
Wutschaba ein freundschaftliches Verhältniß hergestellt. 
Auch als Kolamarkt hat sich Wutschaba bestätigt. 
Der mir als schiffbar angegebene Fluß sollte der 
Sannaga sein; dieses zu erfahren, war meine zweite 
Aufgabe. 
Selbstverständlich erklärte sich Wutschaba bereit, 
mir nach einigen Rasttagen behülflich sein zu wollen. 
Am 13. Oktober erreichte ich den an dieser Stelle 
400 m breiten, stark fließenden Sannaga. Weitere 
Nachforschungen haben jedoch seine Schiffbarkeit nur 
auf ganz unbedeutende Strecken ergeben. 
Leider wurde die Expedition am 14. Oktober 
noch einmal zum Gesecht herausgefordert. Die Be- 
völkerung des südlichen Ufers versuchte mein Landen 
durch Schießen mit Gewehren und Pfeilen auf das 
einzige mir zur Verfügung stehende Kanu zu ver- 
hindern. 
Zu beiden Seiten des Sannaga sitzt hier ein
	        
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