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für die drei Krankheiten, bezüglich deren in den beiliegenden Vorschriften in den deutschen Häfen unter
Umständen Kontrolmaßregeln vorgesehen sind, nämlich für Cholera, Pest und Gelbfieber.
A. Cholera und Pest.
Was zunächst Cholera und Pest anlangt, so ist, sobald der Ausbruch einer dieser Krankheiten in
dem Amtsbezirke der Kaiserlichen Konsularbehörde glaubwürdig festgestellt worden ist, unverzüglich an das
Auswärtige Amt telegraphische Meldung zu erstatten.
Hierzu ist es mit Rücksicht darauf, daß amtliche Mittheilungen über das erste Auftreten von
Cholera= oder Pestfällen in der Regel erst verspätet zur Veröffentlichung gelangen, nicht erforderlich, die
offizielle Feststellung von dem Vorhandensein der Seuche abzuwarten, vielmehr empfiehlt es sich, sobald in
der Tagespresse oder sonstwie Fälle der Cholera oder Pest oder des Verdachtes einer dieser Krankheiten
bekannt werden, auf geeignetem privaten Wege thunlichst zuverlässige Nachrichten über den Sachverhalt
einzuziehen und, falls dieselben das Vorhandensein der Cholera oder der Pest ergeben sollten, sofort
telegraphisch über den Charakter der Krankheit, die bekannt gewordenen Entstehungsgründe und die Aus-
dehnung der Seuche zu berichten. Die weitere Berichterstattung wird demnächst fortlaufend schriftlich und
nur dann wieder telegraphisch zu erfolgen haben, wenn sich eine plötzliche und auffällige Steigerung in
der Anzahl der Todesfälle oder eine erhebliche räumliche Ausbreitung der Krankheit bemerkbar macht.
Von einer telegraphischen Berichterstattung über den Ausbruch der Cholera oder der Pest kann
für solche außereuropäischen Länder, die nicht am Mittelmeer oder im Osten Amerikas gelegen sind, unter
der Bedingung abgesehen werden, daß von dort keine direkte Dampferverbindung mit einem europäischen
Hafen besteht. Jedoch setze ich voraus, daß bei Gefahr im Verzuge oder bei besonderem Anlaß zur
Besorgniß telegraphische Berichterstattung erfolgt.
Herrscht eine der beiden Krankheiten in einem Lande endemisch, d. h. pflegt dieselbe regelmäßig
in einem gewissen Umfange aufzutreten, so genügt eine schriftliche Berichterstattung so lange, als die Seuche
keine ungewöhnliche Ausdehnung annimmt. Sobald indessen der letztere Fall eintritt, insbesondere, wenn
die Zahl der Todesfälle über das übliche Maß anwächst oder wenn die Krankheit an sonst seuchenfreien
Orten des Landes oder zu ungewohnter Zeit auftritt, oder wenn sie sich von der bisher allein ergriffenen
einheimischen Bevölkerung auch auf die Europäer verbreitet, ist telegraphisch an das Auswärtige Amt
Meldung zu erstatten.
· B. Gelbfieber.
Beim Gelbfieber wird nach den bisherigen Erfahrungen angenommen, daß eine Gefahr der Ver-
schleppung auf dem Seewege nur während der warmen Jahreszeit besteht, und es findet daher in den
deutschen Seehäfen nach § 2 der beiligenden Vorschriften eine Kontrole nur für die Zeit vom 15. Mai
bis zum 15. September statt. Es ist deshalb für diese Krankheit eine telegraphische Meldung nur inso-
weit erforderlich, als dadurch die rechtzeitige Einführung der Kontrole sicherzustellen ist, nämlich für einen
entsprechenden Zeitraum vor dem 15. Mai und vor dem 15. September jedes Jahres. Außerdem ist die
telegraphische Meldung an die Voraussetzung geknüpft, daß das gelbe Fieber nicht nur in vereinzelten
Fällen auftritt. Sonst genügt schriftliche Berichterstattung. Im Uebrigen gilt für die telegraphische und
schristche Meldung das für Pest und Cholera Gesagte.
C. Berichterstattung über andere ansteckende Krankheiten.
Des Weiteren ist es den diesseitigen Gesundheitsbehörden erwünscht, auch über nachbenannte
Krankheiten, sofern dieselben in besonderer Heftigkeit oder großer Verbreitung auftreten, sofort unterrichtet
zu werden, nämlich über das Auftreten von Blattern (Pocken), Scharlachfieber, Diphtherie und
Croup, Unterleibstyphus (Darmtyphus, typhoid fever, för#re typhoide), Fleckfieber*) (Fleck-
typhus, Hungertyphus, Kriegstyphus, Exanthematischer Typhus ityphus), Rückfallfieber??) (Rückfalltyphus,
Z„ *) Das Fleckfieber oder der Flecktyphus wird vielfach auch als Hunger= oder Kriegstyphus bezeichnet, weil
die Krankheit in T euerungsjahren unter der nothleidenden Bevölkerung oder zu Kriegszeiten unter den durch Ent-
behrungen und Strapazen geschwächten Truppen wiederholt Eingang und Verbreitung gefunden hat.
Die einzelne Erkrankung verläuft unter hohem Fieber und ist durch einen Ausschlag ausgezeichnet, welcher
4Poprh den ersten Krankheitstagen hervorbricht, dem der Masern ähnlich, aber weniger verbreitet ist und im Gesicht ge-
wöhnlich vermißt wird. Das Bewußtsein der Kranken wird fast stets getrübt, die Dauer des Fiebers beträgt in
günstigen Fällen etwa zwei Wochen, doch erliegen ½ bis 1 der Kranken schon vorher der Seuche; zuweilen führen
auch später hinzutretende Krankheiten den Tod herbei.
% Das Fleckfsieber ist eine der am leichtesten übertragbaren Krankheiten; der Ansteckungsstoff kann sowohl
unmittelbar von den Kranken auf Gesunde übergehen als auch mit leblosen Gegenständen verschleppt werden. Am
häufigsten wird die Seuche durch umherziehende Personen, namentlich Hausirer, Bettler und dergleichen verbreitet; ihr
Umsichgreifen bekämpft man durch Krankenabsonderung und Desinfektion.
3)) Mit dem Fleckfieber werden das Rückfallfieber und der Unterleibstyphus, obwohl die drei Krankheiten
“ßbr verschieden sind, von Manchen zu einer gemeinsamen Gruppe alo typhöse Erkrankungen
mmengefaßt.
Das Rückfallfieber, auch Rückfalltyphus genannt, entsteht unter Einwirkung eines schon seit längerer Zeit