Aus jeder Schlucht und Bergfalte rinnt ein Wasser-
lauf zu Thal und befruchtet seine Umgebung. Aller-
dings erschweren diese unaufhörlich sich folgenden
großen und kleinen Wasserläufe das Fortkommen außer-
ordentlich. Meine Karawane hat an einem Marsch-
tage 24 solcher Gebirgsbäche über Felsgeröll und
Steinplatten hinweg überschreiten müssen. Erstaunlich
aber ist infolge dieses Wasserreichthums die Frucht-
barkeit der Thäler; nicht nur sind diese deshalb
dicht bevölkert und vortrefflich angebaut, sondern
auch die Berghänge sind mit Hütten der Eingeborenen
und deren Feldern bedeckt, wie dies in keinem anderen
Mittelgebirge Ostafrikas der Fall ist. Allerdings
besteht ein Unterschied zwischen dem West= und Ost-
abhang des Gebirges. Da die Wollken an letzterem
ihren Feuchtigkeitsgehalt ablagern, so ist dieser viel
quellen= und wasserreicher als die steppenartigen
Hänge der Westseite. Der der Küste zu gelegene
Hang ist somit der bevorzugte.
Der Waldbestand des Gebirges ist noch ziem-
lich bedeutend und zeigt zum Theil schöne werthvolle
Stämme, ferner ausgezeichneten Bambus und gute
Bauhölzer. Leider sind die Bewohner die schlimmsten
Feinde ihrer schönen Wälder. Sie brennen den
Wald nieder, um den Boden zu bewirthschaften.
Nach wenigen Jahren lassen sie das Feld wieder
liegen und nehmen durch Feuer eine neue Fläche in
Besitz. So zieht sich der gute Waldbestand immer
mehr auf die Höhen zurück und, falls nicht einge-
griffen wird, sind seine Tage gezählt, und damit
müssen die schönen, segenbringenden Quellen versiegen.
Das Schmerzliche ist, daß schon jetzt die Eingeborenen
bis in das prachtvolle Dickicht der Hochwälder ein-
dringen und dort ohne Auswahl die besten Stämme
als Bau= und Brennholz herausschlagen. Auch der
Bambus wird als das bequemste Baumaterial für
die Hütten rücksichtslos verwüstet. Herr Forstassessor
v. Bruchhausen wird über diesen Gegenstand einen
besonderen Bericht einreichen.
Die Bevölkerung der Berge theilt sich streng
in zwei Stämme, die miteinander wenig oder kaum
Verbindung haben, verschiedene Sprachen sprechen
und in ihrer Lebensweise und ihrem Bildungsgrade
große Unterschiede aufweisen. Die Hochberge und
Hochthäler sind von den Waluguru bewohnt, die
meist in Gruppen von drei bis zehn Hütten auf
schwer erreichboren Punkten wohnen, äußerst schen
und furchtsam sind und vorläufig die Berührung mit
dem Europäer noch ängstlich vermeiden. Sie sprechen
einen eigenen, unverständlichen Dialekt, empfangen die
Karawanen nicht in ihrem Dorfe, sondern laufen
sämmtlich mit Frauen, Kindern und Vieh weg und
verbleiben in den Bergen, bis die Karawane wieder
abgezogen ist. Wenn es mir gelang, durch Aus-
sendung von Boten und Anbieten von Geschenken in
den Abendstunden einige Beherzte zur Rückkehr, zum
Schauri und zum Führerdienst zu bewegen, so habe
ich doch nicht Gelegenheit gesunden, ein Weib oder
Kind der Waluguru zu sehen. Sie saßen meist auf
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den höchsten Anhöhen und beobachteten von dort
furchtsam und scheu den Marsch der Karawane.
Dr. Stuhlmann glaubt, daß die Waluguru aus den
verschiedensten Stämmen der Ebene zusammengesetzt
sind, von denen sich Theile und Trümmer vor den
Raubzügen früherer Zeiten in die sicheren Berge
geflüchtet und hier eine zweite Heimath gefunden
haben. Jedenfalls wird es noch geraumer Zeit und
unausgesetzter geschickter Bemühung bedürfen, bevor
diese „wilden“ Bergbewohner den deutschen Beamten
mit Vertrauen sich nähern.
Rund herum um die Waluguru in den offenen
Thälern und auf den der Ebene zugewandten Vor-
bergen wohnen Wakami. Diese zeichnen sich durch
Intelligenz und Arbeitsamkeit aus und wissen ihrem
fruchtbaren Boden so viel abzugewinnen, daß sie sich
behaglichen Wohlstandes erfreuen. Sie leben in
größeren Ortsgemeinschaften und unter meist ziemlich
bedeutenden Jumben und sehen auf die Waluguru
als auf „Waschensi“ verächtlich herab. Das schöne
Thal „Taua“ des Mangabaches erscheint dem Rei-
senden wie ein grüner Garten. Es ist durch künstlich
gezogene Gräben reichlich bewässert und liefert zu
jeder Jahreszeit Ernteerträge.
Der Boden ist in dem gesammten Gebirgslande
durchweg rother Laterit, zum Theil von schwarzem
Humus bedeckt und infolge der reichlichen Bewässe-
rung sehr fruchtbar. Wie kein anderer der ostafrika-
nischen Gebirgsstöcke eignet sich das Ulugurugebirge
zur Verbindung von europäischem Ackerbau und
Weidewirthschaft mit der Anlage tropischer Kulturen
je nach der gewählten Höhenlage. Auf den weit-
gestreckten grünen Hochweiden muß ein schöner Vieh-
stand gedeihen. Leider ist gegenwärtig Rindvieh
nur spärlich vertreten und muß erst gewissermaßen
neu eingeführt werden.
Für alle tropischen Erzeugnisse aber finden sich
hier nach sachgemäßer Auswahl die betreffenden
Oertlichkeiten und Böden für Kaffee, Thee, Kakoo,
Kardamom, Zimmt 2c. Zu meiner Freude kounte
ich die erste kleine deutsche Plantage in ihren An-
fängen hier sehen. Ein früherer Angestellter der
Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, Herr Moritz
von Derema, hat sich bei Kinole (Jumbe Kingaro)
im Nordosten des Gebirges niedergelassen, zunächst
um Sammlüungen aller Art zu betreiben. Die außer-
ordentlich günstige Lage (1000 m Höhe), der vor-
treffliche Boden, der starke Urwaldbestand, die reich-
lichen Niederschläge haben ihn veranlaßt, eine
Kaffeepflanzung anzulegen, die er mit bescheidenem
eigenen Kapital betreiben will. Er hat das Gou-
vernement um lUleberlassung von 200 ha gebeten.
Die Anfänge der mit langjähriger Erfahrung äußerst
sachgemäß angelegten Pflanzung machen einen recht
viel versprechenden Eindruck. Das Gelingen dieses
Unternehmens wäre um so erfreulicher, als es den
Beweis liefern würde, daß ein erfahrener und landes-
lundiger Mann, auch ohne Millionen zu besihen,
Kassce auf den Markt liefern kann.