Die Vorexpedition brach am 10. Juni von
Muanza auf und traf auf dem neu angelegten
Karawanenwege, durch die Landschaften Nyengesi,
Bukumbi und Urima marschirend, am 15. Juni in
Djiodjiro ein, dem Sultansdorfe von Nera. In
den genannten Landschaften zeigte die Bevölkerung
Neigung, ihre Wohnsitze, soweit dieselben unmittel-
bar von dem Karawanenweg berührt werden, zu
verlegen, um sich einige Kilometer seitwärts nieder-
zulassen. Die Klagen, welche bei den Schauris vor-
gebracht wurden, ließen bald den Grund erkennen,
nämlich die nicht unbegründete Furcht vor Ueber-
griffen der Karawanenleute gegen das Eigenthum
der Anwohner.
Ein so intensiver Verkehr, wie er jetzt auf der
Karawanenstraße herrscht, ist ohne Zweifel für die
Anwohner mit vielfachen Unannehmlichkeiten verknüpft,
deren Beseitigung angestrebt werden muß.
Die Anlage von Rasthäusern für die Karawanen
in der Nähe von Wasserplätzen, aber in genügender
Entfernung von den Dörfern dürfte wohl das einzige
Mittel sein, demselben zu begegnen. Ihre Aus-
führung wird demnächst in Angriff genommen werden.
Die Landschaft Nera ist sehr stark bevölkert und
bebaut; trotz der reichlichen Ausfuhr nach der Küste
herrscht noch Reichthum an Groß= und Kleinvieh.
Der Sultan Mange, welcher kürzlich von der
Station unter Wahrung des Erbfolgerechtes, worauf
die Wasukuma sehr eifersüchtig sind, nach dem Tode
des Kumaliza eingesetzt wurde, ist ein alter willens-
schwacher Neger und weiß nicht, welche Rechte und
Pflichten er als Sultan hat. Das Land wird
durch die Station regiert mit Hülfe seiner beiden
sehr thatkräftigen und intelligenten Hauptmanangwa
Kitulla und Mpuya.
Mehrere Dorfschaften unterstehen einem Ma-
nangwa, Sultan Mange zählte 72 Manangwa
namentlich aus dem Gedächtniß auf. Als ich ihm
sagte, daß in der Landschaft Bukumbi 10 000 Be-
wohner gezählt seien, behauptete er, daß dann die
Bevölkerung seines Landes mindestens viermal so
zahlreich sei. Eine demnächstige Volkszählung in
Nera wird vielleicht die Richtigkeit seiner Ansicht
bestätigen.
Nach Ueberschreitung des Moameflusses wurde
das dicht südlich desselben gelegene Dorf JIlola in
der Landschaft Muamara erreicht. Der Moamefluß
ist ein 30 m breites Regenbett mit 3 bis 4 m hohen
Rändern, ebenso wie der Magokofluß, der vorher
zwischen Urima und Nera überschritten wurde. Die
Sohlen beider Flüsse sind mit rothem Sand bedeckt,
in dem zahlreiche, etwa haselnußgroße Stücke weißer
Erde verstreut sind, die bei Behandlung mit Salz-
säure ausschäumen und deshalb wohl kalkhaltig sein
dürften. Der Moame soll ein Nebenfluß des
Magoko sein. Beide Flüsse sind in der Trockenheit
völlig trocken, steigen aber in der Regenzeit rapide
an, so daß alsdann Karawanen bei der Ueberschreitung
Schwierigkeiten finden.
125
Von Ilola aus wurde der Karawanenweg, welcher
nach Ssekke führt, verlassen, um durch die noch als
weiße Flecke auf der Karte erscheinenden Landschaften
Abadi und Nunghu das Land Magalla zu erreichen.
Abadi ist ein kleines Ländchen, aber sehr bevölkert
und bebaut. Wie in Nera, so führt auch hier der
Weg ununterbrochen durch ausgedehnte Matama-=
selder und Dörfer. Die Bevölkerung war noch scheu,
es mußte ein Wartetag eingelegt werden, um ein
Belehrungsschauri im Sultansdorfe Gumali abhalten
zu können. Der Sultan Luhakka ist ein verständiger
Mann, aber ohne Einfluß. Die Dörfer in Abadi
sind nicht wie sonst in Usukuma mit Euphorbien=
hecken, sondern mit Laubbuschhecken eingefaßt. Auf-
fallend waren drei große Affenbrodbäume, die be-
deutend nördlicher liegen als der von Stanley
verzeichnete „nördlichste Baobab."“
Usamuta, der Sitz des Sultans Kabotto von
Nunghu wurde in einem Tagemarsche erreicht. Nahe
bei Usamuta beginnt die Wasserscheide zwischen
Nyanza und Vemberesteppe. Vorher fließen die
Wasserläufe nach Norden und Nordwest ab in den
Moame, Singu u. s. w. nachher nach Südost in das
Tungusystem. Das Land Nunghu ist nicht so klein,
wie es nach der Karte erscheint. Der Sultan zählte
30 Manangwa auf, deren jedem mindestens ein
Dorf untersteht. In Nunghu wird Salz gewonnen
aus mehreren Bächen, die über Salzlager fließen.
Das Ländchen Galama blieb hart südlich der
Marschroute, die nach Durchschreitung eines etwa
3 km breiten Poristreifens am 25. Juni nach Songe,
dem Sitz des Sultans Massandja von Magalla,
führte. Wider Erwarten fand sich der Sultan
Massandja in ein Löwenfell gehüllt zur Begrüßung
ein. Die Magallaleute sind als kriegerisch gefürchtet,
und ist es früher den Arabern nicht gelungen, in
Magalla zum Zweck von Handel oder Sklavenraub
vorzudringen. Jetzt sitzt den Magallaleuten die
Massaifurcht in den Nacken, denn vor etwa ein Jahr
soll ein Massaitrupp dort plötzlich eingefallen sein und
große Mengen Vieh weggetrieben haben. Dem Sultan
wurde Hülfe gegen die Massai versprochen, doch
bedarf es jetzt einer abermaligen, Aufforderung, um
ihn zum Besuche der Station zu bewegen, und es
scheint, als ob es ihm noch nicht gelungen ist, gegen
die europäerfeindliche Partei seines Landes aufzu-
kommen.
Wenn auch Magalla als für den Viehhandel er-
schlossen zu betrachten ist, so wird es doch noch
einige Zeit dauern, bis die Bewohner völlig bot-
mäßig sein werden. Uebrigens war es das erste
Mal, daß eine Serkalexpedition in Magalla ge-
wirkt hat.
Um die geographische Kenntniß des auf der
Karte sich fast als leerer weißer Fleck darstellenden
Geländes westlich von Ntussu zu vermehren, wurde
nun von Songe aus ein Zickzackmarsch, zuerst in
nordwestlicher Richtung bis Sengerema und von da
in nordöstlicher Richtung bis Nordntussu ausgeführt.