Full text: Deutsches Kolonialblatt. XI. Jahrgang, 1900. (11)

Während meines Einmarsches schlossen sich unserer 
Karawane von allen Seiten Leute mit Bogen, Wurf- 
messern und Speeren, einige wenige auch mit Ge- 
wehren bewaffnet an. Dicht aufgeschlossen zog ich 
mit meiner kleinen Schaar vor das auf einem großen, 
freien Platz liegende Haus des Chefs. Der Chef, 
ein kleiner, wohlbeleibter Mann in Haussakleidern, 
sowie sein recht gut aussehender Sohn saßen vor 
ihrem großen, spitzdachigen Hause, umgeben von wohl 
an 1000 Kriegern. Ich ließ die Soldaten mit der 
Front dorthin ausfstellen, ich selbst begrüßte den Chef 
durch Handschlag und ließ meinen Stuhl dicht vor 
ihn hinsetzen. Nach den üblichen Begrüßungsreden 
wies er für mich und meine Leute ein großes, ge- 
räumiges Gehöft an und schickte bereits nach einer 
halben Stunde durch eine Gesandtschaft einen fetten, 
großen Buckelochsen, der sofort durch den Schlächter 
des Chefs geschlachtet wurde. Bald erschienen noch 
eine Menge Leute mit Maismehl, Eiern, Bananen, 
Zwiebeln, Feuerholz, Wasser, kurz Allem, was wir 
brauchten, sogar ein paar Töpfe Kornbier, so daß 
wir in Hülle und Fülle mit Allem versehen waren. 
Die Leute schwelgten, und bald waren alle Mühen 
und Strapazen vergessen. 
Am 19. November früh machte ich dem Chef 
meinen Besuch. Er empfing mich in einem Hause, 
das außer dem Eingang keine Oeffnung hatte und 
daher so dunkel war, daß ich in der ersten Zeit 
nichts erkennen konnte. Nach kurzer Unterhaltung 
auf Haussa, bei welcher der Sohn des Chefs den 
Tolmetscher spielte und bei der er mir fortgesetzt 
seme Freundschaft und Ergebenheit versicherte, bat er 
mich zum Schluß, doch das Palaver mit dem Dorfe 
Digai zu erledigen, welches den Frieden seines Landes 
durch fortwährende Näubereien störe. Da ich einen 
Feldzug nicht gerne haben wollte, so tröstete ich ihn 
mit der Versicherung, daß ich bei meiner Rückkehr 
das Dorf besuchen und die Leute ermahnen würde. 
Nachdem ich zurückgekehrt war, schickte ich Peter 
mit meinen Geschenken, bestchend aous 2 Stücken 
Seide, 2 Stücken Sammet, 8 Fingerringen, 3 Spie- 
geln, 2 Haumessern, 12 Kämmen und 20 Flinten- 
steinen zu dem Chef. Er war sehr erfreut und 
schicke gleich noch einen großen Schafbock als Ge- 
scenk. Am 21. machte mir der Chef seinen Gegen- 
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beijuch. Nachdem er sich nach dem Zeitpunkt meiner 
eventuellen Abreise erkundigt hatte, theilte er mir 
mit, daß er mich bis Gaza begleiten würde. Nach 
den Mittheilungen des Chefs glaube ich, man könnte 
das hier vorhandene Elfenbein gewinnen, wenn die 
Gesellschaft Süd-Kamerun eine Faktorei möglichst 
weit nach Norden vorschöbe und dadurch den Elfen- 
bemnhandel nach Süden lenkte. 
Der Chef hält hier sehr stramm Disziplin, und 
Nube ich sicher, daß von hier Arbeiter in Menge 
iu bekommen sein werden. Die sich hier außhaltenden 
Heussas besuchten mich am 21. November, zeigten 
jedoch noch viel Furcht, da sie glaubten, ich könnte 
sie von hier mit Gewalt fortschleppen. Falls später 
hier eine Station errichtet werden sollte, versicherten 
sie mir, würden viele Haussas aus Ngaundere hier- 
her kommen. 
Das Tagebuch schließt kurz vor Plehns Tode 
ab, und Sanitätsunterossizier Peter schildert alsdann 
das tragische Ende seines Chefs und die Rückkehr 
der Expedition nach der Station, wie folgt: 
Am 23. November marschirte die Expedition 
unter Führung des Herrn Oberleutnants Dr. Plehn 
in Begleitung des Chefs und nahezu 1000 Krieger 
von Bertua in der Richtung nach Carnot ab. 
Es wurden im Laufe des Tages die Dörfer 
Bingi und Mononoro passirt. Am 24. November 
brach die Expedition wieder auf und erreichte um 
2¼ Uhr die erste Farm des Dorfes Dsgai (Doschi). 
In der letzten Maisfarm vor dem Dorfe erhielt die 
Expedition plötzlich Feuer. Gemäß den gegebenen 
Anordnungen eilte ich sofort mit den bei mir befind- 
lichen Soldaten nach der Spitze, den Trägern be- 
deutend, auf ihrem Platze zu verbleiben. Unter 
Führung des Herrn Oberleutnants Dr. Plehn wurde 
die erste Pallisade, nach kurzem Feuergefecht auch die 
zweite Pallisade mit „Hurrah“ gestürmt. Vor der 
dritten Pallisade empfing die Soldaten ein rasendes 
Feuer aus Steinschloßgewehren und ein Hagel von 
Pfeilen, wodurch einen Augenblick das Vordringen 
aufgehalten wurde. Trotz meiner mehrfachen Bitten, 
sich nicht so zu exponiren, verharrte Herr Ober- 
leutnant Dr. Plehn auf seinem Platze dicht bei der 
dritten Pallisade und regierte mit der größten Ruhe 
das Feuer der Soldaten. Plößlich erhielt Herr 
Oberleutnant Dr. Plehn auf eine Entsernung von 
etwa 4 m einen Pfeilschuß in die rechte Seite. Herr 
Oberleutnant Dr. Plehn riß sich den Pfeil aus der 
Wunde und ging noch mit „Hurrah“ gegen die letzte 
Pallisade vor. Ihren Führer wanken sehend, stürm- 
ten die Sergeanten Buary, Quotjowie und der 
Gefreite George todesmuthig gegen die über 2 m 
hohe Pallisade vor und sprangen hinüber. Durch 
das hervorragende Beispiel ihrer Unteroffiziere er- 
muthigt, folgten die Soldaten auf demselben Wege. 
Es entspann sich hinter der Pallisade und dem davor- 
liegenden Blockhause ein sehr hitziger Kampf, theil- 
weise Handgemenge. Die Eingeborenen wurden nach 
tapferster Gegenwehr aus dem Blockhause vertrieben 
und weiter in das Dorf zurückgedrängt. Herr Ober- 
leutnant Ior. Plehn ging allein in das Blockhaus, 
jede Hülfe verschmähend, woselbst er gleich darauf 
auf einer Bank verschied. Kaum hörten die Soldaten 
von dem Tode ihres so sehr verehrten Führers, so 
drangen sie unter meiner Führung mit einer so 
großen Wucht und unbeschreiblicher Wuth gegen die 
Eingeborenen vor, daß dieselben auseinandergesprengt 
wurden. Es entspann sich noch ein hitziges Gefecht 
an dem Chefhause, welches mit der regellosen Flucht 
der Eingeborenen endete. 
Zu dieser Zeit erschien der der Erpedition fol- 
gende Bertnachef mit seinen 1000 Kriegern, welcher 
die Verfolgung der Eingeborenen sofort übernahm.
	        
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