Full text: Deutsches Kolonialblatt. XII. Jahrgang, 1901. (12)

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Nichtamtlicher Theil. 
HRrlonialrath. 
Der Kolonialrath trat am Donnerstag, den 
* 1. November, vormittags 10 Uhr, im Reichstags- 
gebäude zu seiner diesjährigen Herbsttagung zusammen. 
Der Vorsitzende, Direktor der Kolonial-Abtheilung 
I)#r. Stuebel, hieß die alten und die neu einbe- 
rufenen Mitglieder zu gemeinsamer Arbeit herzlich 
willkommen und gab der Hoffnung Ausdruck, daß 
diese uneigennützige und opferwillige Mitarbeit sach- 
kundiger Herren den Kolonien wiederum zum Segen 
gereichen möge. Der Kolonialrath sei gewissermaßen 
ein Ersatz für die Beiräthe in den Schutzgebieten 
selbst, zu deren Schaffung die Voraussetzungen noch 
nicht vorhanden selen. Der Vorsitzende gedachte so- 
dann in warmen Worten des im letzten Sommer 
verstorbenen Mitgliedes des Kolonialraths, Vize- 
admirals Schering, und seiner verdienstlichen kolo- 
nialen Thätigkeit. Zu Ehren des Verstorbenen er- 
hoben sich die Anwesenden von den Sitzen. — In 
den ständigen Ausschuß des Kolonialrathes wurden 
alsdann die Herren Staatssekretär a. D. Jacobi, 
Staatssekretär a. D. Herzog und Staatsminister 
v. Hofmann durch Akklamation einstimmig wieder- 
gewählt. — Ueber die Arbeiten des Ausschusses des 
Kolonialrathes zur Berathung der Sklavenfrage 
lag ein ausführlicher gedruckter Bericht vor. Dom- 
kapitular Hespers betonte hierzu als Referent des 
Ausschusses, daß der Ausschuß eine generelle gesetz- 
liche Regelung der Sklavenfrage zur Zeit für un- 
möglich gehalten habe, wohl aber eine vorläufige 
Regelung nach den einzelnen hier in Betracht kom- 
menden Schutzgebieten unter Berücksichtigung ihrer 
besonderen Verhaltnisse. Die Entwürfe der betreffen- 
den Verordnungen haben auch der Begutachtung der 
Gouverneure unterlegen. An der Generaldiskussion 
betheiligten sich die Herren Vizeadmiral Valois, Dr. 
Scharlach, Vohsen, Standinger, Staatssekretär a. D. 
v. Jacobi, Domkapitular Hespers, Kommerzienrath 
Lucas, von der Heydt und der Vorsitzende, der es 
als Ziel der Regierung bezeichnete, auch in Deutsch- 
Ostafrika die Befreiung der Sklavenkinder durchzu- 
führen, sobald die Verhältnisse es irgend gestatten. 
Wie sich aus der Gencraldebatte ergab, pflichtet der 
Kolonialrath in seiner großen Mehrheit dem Stand- 
punkt des Ausschusses bei, von dem aus die Frei- 
erklärung der Sklavenkinder zwar in Ostafrika mit 
Rücksicht auf die vorliegenden Berichte des Gou- 
verneurs zunächst noch nicht ausgesprochen werden 
solle, wohl aber ein solches Vorgehen in Togo und 
Kamerun, in letzterem Schutzgebiete mit einigen Mo- 
difikationen, als durchführbar angesehen werden könne. 
Der in der Presse aufgetauchte Gedanke der Ein- 
führung eines Arbeitszwanges durch die Regierung 
wurde dagegen als undurchführbar bezeichnet. In 
der Spezialdebatte wurden die Entwürfe von Ver- 
  
ordnungen, betreffend die Haussklaverei in Deutsch- 
Ostafrika, Kamerun und Togo, nach längerer Er- 
örterung mit einigen Abänderungen in der Fassung 
des Ausschusses angenommen. Einer Anregung des 
Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg folgend, 
sagte der Vorsitzende eine alsbaldige Veröffentlichung 
des Entwurfs der Verordnung für Ostafrika zu, 
während die Veröffentlichung der Verordnungen für 
Togo und Kamerun erst in Aussicht genommen ist, 
nachdem bezüglich der letzteren der Gouverneur von 
Kamerun noch einmal gehört worden ist. 
In der Nachmittagssitzung des 21. November 
stand der Bericht des Ausschusses für die Prüfung 
des Verordnungsentwurfs, betreffend die Regelung 
der Arbeiterverhältnisse in Kamerun, auf der 
Tagesordnung. Der Bericht gab zu einer prinzi- 
piellen Erörterung der wirthschaftlichen Lage Kameruns 
Anlaß, wobei den hervorgetretenen Schwierigkeiten 
gegenüber aus dem Kolonialrathe heraus auf die 
schweren wirthschaftlichen Kämpfe hingewiesen wurde, 
die auch fremde, heute in großer Blüthe stehende 
Kolonien in den Anfangsstadien ihrer Entwickelung 
durchzumachen gehabt haben. Auf Grund der sach- 
verständigen Untersuchungen der natürlichen Verhält- 
nisse Kameruns dürfe man Vertrauen auf die Zukunft 
der dortigen Unternehmungen haben und müsse fort- 
fahren, Kapital und Arbeitskraft an dieselben zu 
wenden. Der Kolonialdirektor hob hervor, daß die 
Regierung stets bemüht gewesen sei, zwischen Plan- 
tagenleitern und Arbeitern Licht und Schatten gerecht 
zu vertheilen, und daß namentlich Verfehlungen der 
Arbeitgeber stets die Ahndung auf dem Fuße gefolgt 
sei. Die vorliegende Verordnung solle dazu dienen, 
in dieser Beziehung eine Grundlage zu schaffen und 
bestehende Uebelstände thunlich zu beseitigen. Nach 
einer eingehenden Spezialdebatte, die sich auf die 
Fragen der Arbeiteranwerbung, der Behandlung der 
Arbeiter in Krankheitsfällen sowie des Lohnguthabens 
und des sonstigen Nachlasses verstorbener Arbeiter, 
insbesondere die Befugniß der Arbeiterkommissare, 
erstreckte, und in die der Kolonialdirektor wiederholt 
eingriff, wurde der Verordnungsentwurf mit einigen 
Zusätzen und Abänderungen in der Fassung des Aus- 
schusses angenommen. Ferner hat der Ausschuß be- 
stimmte, die Disziplinarstrafgewalt über die Arbeiter 
regelnde Grundsätze in Vorschlag gebracht. Das 
Plenum des Kolonialrathes stimmte ihnen nach 
längerer Diskussion unter Vornahme mehrfacher Ab- 
änderungen bei. 
Am Freitag Vormittag beschäftigte sich der Ko- 
lonialrath zunächst mit der Vorlage, betreffend die 
Regelung des Strafrechts für die Eingeborenen, 
die ihm zur Kenntnißnahme vorgelegt war. Wie in 
der Diskussion mitgetheilt wurde, ist die Kolonial-= 
verwaltung geneigt, in Kamerun, von wo die ein- 
gehendsten Vorschläge eingegangen sind, die betreffen- 
den Grundsätze, soweit thunlich, im Instruktionswege
	        
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