Seiten hin weiter. Obwohl mein Kameel nur ein
Lastenträger war, versuchte ich es doch, dem Thiere
auch die Grundregeln der Reitkunst beizubringen.
Lange Zeit bin ich um das Thier herumgegangen
mit der Frage, wo und wie ich wohl einen Sattel
an demselben anbringen könnte. Wurde ein Gurt
unter der Brust angebracht, und bestieg Jemand das
Kameel im Liegen, so wurde der Reiter mitsammt
dem Sattel beim Aufstehen des Thieres in großem
Bogen über den Hals desselben in die freie
Luft befördert, wobei Klammerversuche am Halse
des Thieres dasselbe zu energischen Seitwärts-
bewegungen veranlaßten, und man ausnahmslos die
liebe Mutter Erde als endgültigen Ruhepunkt und
ausgiebige Unterlage wiederfand. Erst ein zweiter
von hinten her unter dem Bauch durchgeführter
Gurt schaffte dieses Uebel aus der Welt. Für ein
ergiebiges Reiten war unbedingt die Lenkung durch
Zügel nothwendig. Wenn man den Reden der Araber
Glauben geschenkt hätte, so hätte ein solches Manöver
den Tod dieses Thieres zur Folge haben müssen.
Glücklicherweise gewöhnte es sich nicht nur an den
Zügel, sondern gehorchte auch späterhin diesem Druck
sehr gut.
geändert worden war, und eine darin befestigte
Trense bildeten das Zaumzeug.
Nach meinen Erfahrungen, die sich auf eine
Wegstrecke von mehr als 1500 km beziehen, eignet
sich der ungarische Reitsattel für das Kameel am
besten. Man sitzt bei Benutung desselben auf dem
Kameel angenehmer als jemals auf einem afrika-
nischen Pserd, einem Maulthier, einem Maskatesel
oder gar einem Waniamwesiesel. 13 Stunden im
Sattel verursachen keine großen Beschwerden. Im
Trabe läßt es sich englisch reiten; der deutsche Trab
mag allerdings bei dem hohen Tempo und dem
Paßgange des Thieres das bekannte Seekrankheits-
gefühl bei denjenigen hervorrufen, die ihre Studien
in Aegypten gemacht haben. Auf meinen Wan-
derungen hat das Reiten auf dem Kameel bei mir
nie ein Gefühl von Unbehagen erzeugt, es geht auf
Schenkeldruck und solgt den Hülfen des Reiters,
kurz, es läßt sich vollkommen wie ein Pferd reiten;
allerdings erreicht die Schnelligkeit und Schmiegsam-
keit nicht denselben hohen Grad. Die Zeit, die mir
mein Beruf in den Abendstunden freiließ, verwendete
ich auf die Ausbildung des Kameels. So prüfte
ich auch systematisch die allgemeine Behauptung, daß
das Kameel wasserschen sei. Ein Kameel, das nie
anders als in den öden Steppengebieten seines
Heimathlandes seinen Durst aus kleinen Pfützen und
Schlammmulden gestillt hat, mag allerdings wasser-
scheu sein. Wer meine späteren Angaben liest, wird
daraus entnehmen, wie viel oder wie wenig Wahres
die Behauptung enthält, ein Kameel gehe nicht durch
Wasser. Gelegentlich prüfte ich auch die Fähigkeit
des Kameels beim Pflügen. Im Orient spannt
man bekanntlich einen Ochsen oder Esel mit einem
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Ein Kopfgestell, das für das Kameel um-
zu allen Zeiten das Erstaunen des Abendländers
erregt hat. Der Grund zu dieser seltsamen Be-
spannung ist aber der folgende: Der Pflug des
Morgenlandes ist ein sehr primitives Geräth, das
nicht Raum genug giebt, um der Sohlenfläche in
der Furche Platz zu gewähren. Das Kameel würde
sich daher gezwungen sehen, mit zwei Füßen in der
Furche und mit zweien auf der Randborte zu gehen,
wobei es mit seinem Paßgange sich außerordentlich
unglücklich ausnehmen würde, wenn man ihm nicht
einen Ochsen in der Furche zur Seite gehen lassen
würde, so daß das Kameel außerhalb der Furche
neben dem Ochsen einher gehen muß. Mit unseren
vollkommneren Hülfsmitteln werfen wir eine genügend
breite Furche aus, um dem Kameel Platz in der-
selben zu gewähren, und so konnte ich zeigen, daß
das Kameel sowohl einspännig wie zweispännig vor-
zügliche Dienste im Pflügen leistet. Ist der Boden
einigermaßen ausgerodet und frei von Wurzeln, so
wird das Pflügen mit Kameelen von außerordent-
lichem Vortheil sein; Wurzeln von Armdicke werden
aus dem Boden einfach herausgerissen, sofern nicht
etwa der Pflug dabei in Stücke geht oder, wie
meine Erfahrungen lehren, das Geschirr reißt. In
dieser Hinsicht mögen die Angaben, welche die
Plantagenleiter beim Pflügen im Usambaragebirge
mit dem Kameel gemacht haben, mehr Vertrauen
verdienen, da sie über ein ausgiebigeres Beobachtungs-
material verfügen. — Um auch die Leistungsfähig-
keit des Kameels für Dauerritte zu prüfen, unter-
nahm ich einen solchen am 4. Dezember 1899. Ich
brach bereits um 2 Uhr früh, als es noch ganz
dunkel war, auf und ritt von Dar-es-Saläm auf
der Straße nach Pugu. Ein Boy ging mit der
Laterne voran, um den Weg zu zeigen. Mein Ge-
wehr hielt ich über die Knie ausgebreitet. Gegen-
über den Tragversuchen konnte dieser Dauerritt keine
neuen Daten bringen. War doch die Straße die-
selbe und das Gewicht auf 1½ Centner verringert.
Dafür aber wollte ich die Grenze der Leistungs-
fähigkeit von Kamcel und Reiter probiren. Mit
einer dreistündigen Zwischenpause in der heißen
Sonnengluth (mehr dem Reiter als dem Kameel zu
Liebe) gelangte ich nach einem Ritte von 58 km
und einer Dauer von 13 Stunden im Sattel am
Abend um 7 ½ Uhr wohlbehalten in Dar-es-Salam
wieder an. Am folgenden Tage waren Kameel und
Reiter frisch und munter und setzten die gewohnten
Reitübungen fort. Noch oftmals habe ich über
10 Stunden des Tages durch Sumpf und Morast
im Innern auf dem Rücken des Kameels zugebracht.
Ueber 18 Stunden habe ich es nie wieder gebracht.
Dieser Versuch lehrt uns, was ein Kameel als Reit-
thier zu leisten vermag.
Mit der Zeit mußten meine Versuche zu neuen
Erwägungen führen und ganz neue Versuche zur
Folge haben. Da man nämlich mit dem Kameel
als Lastthier nur Lasten bewältigen kann, die mehr
Kamcel zusammen, ein gar seltsames Gespann, das oder weniger dem Kameel angepaßt sind und ein