Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIII. Jahrgang, 1902. (13)

Seiten hin weiter. Obwohl mein Kameel nur ein 
Lastenträger war, versuchte ich es doch, dem Thiere 
auch die Grundregeln der Reitkunst beizubringen. 
Lange Zeit bin ich um das Thier herumgegangen 
mit der Frage, wo und wie ich wohl einen Sattel 
an demselben anbringen könnte. Wurde ein Gurt 
unter der Brust angebracht, und bestieg Jemand das 
Kameel im Liegen, so wurde der Reiter mitsammt 
dem Sattel beim Aufstehen des Thieres in großem 
Bogen über den Hals desselben in die freie 
Luft befördert, wobei Klammerversuche am Halse 
des Thieres dasselbe zu energischen Seitwärts- 
bewegungen veranlaßten, und man ausnahmslos die 
liebe Mutter Erde als endgültigen Ruhepunkt und 
ausgiebige Unterlage wiederfand. Erst ein zweiter 
von hinten her unter dem Bauch durchgeführter 
Gurt schaffte dieses Uebel aus der Welt. Für ein 
ergiebiges Reiten war unbedingt die Lenkung durch 
Zügel nothwendig. Wenn man den Reden der Araber 
Glauben geschenkt hätte, so hätte ein solches Manöver 
den Tod dieses Thieres zur Folge haben müssen. 
Glücklicherweise gewöhnte es sich nicht nur an den 
Zügel, sondern gehorchte auch späterhin diesem Druck 
sehr gut. 
geändert worden war, und eine darin befestigte 
Trense bildeten das Zaumzeug. 
Nach meinen Erfahrungen, die sich auf eine 
Wegstrecke von mehr als 1500 km beziehen, eignet 
sich der ungarische Reitsattel für das Kameel am 
besten. Man sitzt bei Benutung desselben auf dem 
Kameel angenehmer als jemals auf einem afrika- 
nischen Pserd, einem Maulthier, einem Maskatesel 
oder gar einem Waniamwesiesel. 13 Stunden im 
Sattel verursachen keine großen Beschwerden. Im 
Trabe läßt es sich englisch reiten; der deutsche Trab 
mag allerdings bei dem hohen Tempo und dem 
Paßgange des Thieres das bekannte Seekrankheits- 
gefühl bei denjenigen hervorrufen, die ihre Studien 
in Aegypten gemacht haben. Auf meinen Wan- 
derungen hat das Reiten auf dem Kameel bei mir 
nie ein Gefühl von Unbehagen erzeugt, es geht auf 
Schenkeldruck und solgt den Hülfen des Reiters, 
kurz, es läßt sich vollkommen wie ein Pferd reiten; 
allerdings erreicht die Schnelligkeit und Schmiegsam- 
keit nicht denselben hohen Grad. Die Zeit, die mir 
mein Beruf in den Abendstunden freiließ, verwendete 
ich auf die Ausbildung des Kameels. So prüfte 
ich auch systematisch die allgemeine Behauptung, daß 
das Kameel wasserschen sei. Ein Kameel, das nie 
anders als in den öden Steppengebieten seines 
Heimathlandes seinen Durst aus kleinen Pfützen und 
Schlammmulden gestillt hat, mag allerdings wasser- 
scheu sein. Wer meine späteren Angaben liest, wird 
daraus entnehmen, wie viel oder wie wenig Wahres 
die Behauptung enthält, ein Kameel gehe nicht durch 
Wasser. Gelegentlich prüfte ich auch die Fähigkeit 
des Kameels beim Pflügen. Im Orient spannt 
man bekanntlich einen Ochsen oder Esel mit einem 
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Ein Kopfgestell, das für das Kameel um- 
  
zu allen Zeiten das Erstaunen des Abendländers 
erregt hat. Der Grund zu dieser seltsamen Be- 
spannung ist aber der folgende: Der Pflug des 
Morgenlandes ist ein sehr primitives Geräth, das 
nicht Raum genug giebt, um der Sohlenfläche in 
der Furche Platz zu gewähren. Das Kameel würde 
sich daher gezwungen sehen, mit zwei Füßen in der 
Furche und mit zweien auf der Randborte zu gehen, 
wobei es mit seinem Paßgange sich außerordentlich 
unglücklich ausnehmen würde, wenn man ihm nicht 
einen Ochsen in der Furche zur Seite gehen lassen 
würde, so daß das Kameel außerhalb der Furche 
neben dem Ochsen einher gehen muß. Mit unseren 
vollkommneren Hülfsmitteln werfen wir eine genügend 
breite Furche aus, um dem Kameel Platz in der- 
selben zu gewähren, und so konnte ich zeigen, daß 
das Kameel sowohl einspännig wie zweispännig vor- 
zügliche Dienste im Pflügen leistet. Ist der Boden 
einigermaßen ausgerodet und frei von Wurzeln, so 
wird das Pflügen mit Kameelen von außerordent- 
lichem Vortheil sein; Wurzeln von Armdicke werden 
aus dem Boden einfach herausgerissen, sofern nicht 
etwa der Pflug dabei in Stücke geht oder, wie 
meine Erfahrungen lehren, das Geschirr reißt. In 
dieser Hinsicht mögen die Angaben, welche die 
Plantagenleiter beim Pflügen im Usambaragebirge 
mit dem Kameel gemacht haben, mehr Vertrauen 
verdienen, da sie über ein ausgiebigeres Beobachtungs- 
material verfügen. — Um auch die Leistungsfähig- 
keit des Kameels für Dauerritte zu prüfen, unter- 
nahm ich einen solchen am 4. Dezember 1899. Ich 
brach bereits um 2 Uhr früh, als es noch ganz 
dunkel war, auf und ritt von Dar-es-Saläm auf 
der Straße nach Pugu. Ein Boy ging mit der 
Laterne voran, um den Weg zu zeigen. Mein Ge- 
wehr hielt ich über die Knie ausgebreitet. Gegen- 
über den Tragversuchen konnte dieser Dauerritt keine 
neuen Daten bringen. War doch die Straße die- 
selbe und das Gewicht auf 1½ Centner verringert. 
Dafür aber wollte ich die Grenze der Leistungs- 
fähigkeit von Kamcel und Reiter probiren. Mit 
einer dreistündigen Zwischenpause in der heißen 
Sonnengluth (mehr dem Reiter als dem Kameel zu 
Liebe) gelangte ich nach einem Ritte von 58 km 
und einer Dauer von 13 Stunden im Sattel am 
Abend um 7 ½ Uhr wohlbehalten in Dar-es-Salam 
wieder an. Am folgenden Tage waren Kameel und 
Reiter frisch und munter und setzten die gewohnten 
Reitübungen fort. Noch oftmals habe ich über 
10 Stunden des Tages durch Sumpf und Morast 
im Innern auf dem Rücken des Kameels zugebracht. 
Ueber 18 Stunden habe ich es nie wieder gebracht. 
Dieser Versuch lehrt uns, was ein Kameel als Reit- 
thier zu leisten vermag. 
Mit der Zeit mußten meine Versuche zu neuen 
Erwägungen führen und ganz neue Versuche zur 
Folge haben. Da man nämlich mit dem Kameel 
als Lastthier nur Lasten bewältigen kann, die mehr 
Kamcel zusammen, ein gar seltsames Gespann, das oder weniger dem Kameel angepaßt sind und ein
	        
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