— 623 —
(1. Dezember 1902 und 1. März 1903) dem Kaiser-
lichen Gouvernement einzureichen sind. Die fünf
Ochsen, welche der Baumwoll-Expedition in Tove
zur Verfügung gestellt wurden, werden außerdem
zum Zug angelernt und verwendet werden.
Der ganze Versuch, welcher sich somit über die
vier erwähnten Stationen erstreckt, wird am 1. März
1903 als abgeschlossen zu betrachten sein. Erst dann
wird man aus der Vergleichung der dem Gouverne=
ment eingesandten Listen einen Ueberblick gewinnen
können, ein wie hoher Prozentsatz der Thiere durch
die Impfung geschützt wurde. Es sei hier ausdrücklich
darauf aufmerksam gemacht, daß es keineswegs als
vollkommen unmöglich bezeichnet werden darf, daß
einige, vielleicht sogar alle Rinder in Misahöhe, Tove
und Atakpame bis zum 1. März 1903 schwer er-
kranken oder zu Grunde gehen werden. Denn man
muß immer im Auge behalten, daß die in Anwen-
dung gebrachte Immunisirungsmethode nicht ganz sich
mit den natürlichen Verhältnissen deckt: zur Immu-
nisirung werden Parasiten in „erwachsenem“ Zustande
von Thier zu Thier übergeimpft; in der Natur
tritt vielleicht der Parasit aus dem Stechrüssel der
Fliege in einem Entwickelungsstadium in den Thier-=
körper über, ähnlich wie das beim Malariaparasiten
und Moskito der Fall ist. Trotzdem möchte ich die
Behauptung aufrecht erhalten, daß das Prinzip der
Immunisirung gegen Surra gefunden sei,“) und daß
von diesem Prinzip aus eine wirksame Methode der
Immunisirung ausgearbeitet werden könne. Ob der
von mir eingeschlagene Weg der richtige sei, das soll
eben jener Versuch erst beweisen. Nach Abschluß des
Versuches wird man auch daran gehen können, die
28 Stiere und Kühe, die zur Zeit in Atakpame und
Sokodé stehen, auf die übrigen Stationen 2c. zu
vertheilen und mit denselben Zuchtversuche zu be-
ginnen. Es erscheint überflüssig, schon jetzt Be-
stimmungen hierüber zu treffen.
Eine Reihe weiterer Versuche an Rindern hat
vorwiegend wissenschaftliches Interesse.
Zu den Versuchen zur Immunisirung von
Pferden möchte ich Folgendes erwähnen:
Beim Rinde beruht die Immunisirung darauf,
daß man die Parasiten des Rindes einem wesentlich
höher empfindlichen Organismus (dem Hunde) derart
anpaßt, daß sie für das Rind unschädlich werden.
Gelänge es, einen Organismus zu finden, der
sich zum Pferde ebenso verhält wie der Hund zum
Rinde, so wäre zu erwarten, daß die Immunisirung
auf demselben Wege gelänge. Eine kleine Versuchs-
reihe an Eseln nun weist darauf hin, daß die in
Sokodé vorkommenden kleinen Haussaesel gegen Surra
sehr empfindlich sind und vielleicht für den erwähnten
Zweck geeignet sein könnten. Von einem natürlich
infizirten Esel aus wurden sechs weitere Passagen
*) Um jedes Mißverständniß zu vermeiden, verweise
ich auf die Veröffentlichung Kochs (Beiblatt zum Deutschen
Kolonialblatt vom 15. Dez. 1901), wo derselbe das Prinzip
der Immunisirung gegen Surra als erster veröffentlicht hat.
durchgeführt, indem jedesmal etwa 10 cem Blut,
mit einer 5 prozentigen Lösung von Natr. citric.
1:10 versetzt, unter die Haut eingespritzt wurden.
Die betreffenden Esel gingen am 11. bezw. 11., 14.,
10., 13. Tage, ein weiterer Esel, in die Bauchhöhle
geimpft, am 11. Tage nach der Einspritzung unter
den Erscheinungen schwerer allgemeiner Infektion ein,
während Pferde (und Hunde) stets wochen= und
monatelang krank sind. Von Cselpassage 6 aus
wurde am 6. August ein kleines einheimisches Pferd
durch Blut, in kleine Hautschnitte am Ohr einge-
rieben, infizirt. Bis zum 27. August hatte das Thier
hohe Temperaturen und wechselnde Mengen von
Parasiten im Blute, befand sich aber, wie Herr
Dr. Kersting berichtet, „ziemlich wohl“. Dieser eine
Versuch kann natürlich weder für noch gegen beweisen;
doch glaube ich, daß eine weitere Verfolgung dieses
Weges Aussicht auf Erfolg verspricht.
Der Befund, daß Esel für die Krankheit so sehr
empfänglich sind, steht scheinbar in direktem Gegensatz
zu den Beobachtungen Kochs (Reiseberichte S. 88).
Aber erstens experimentirte derselbe an Massai= und
Bastard-Massaieseln, welche wesentlich von den Su-
daneseln verschieden sind, und zweitens benutzte er
eine andere Methode (Einreiben von Blut in kleine
Hautschnitte am Ohr). Mir versagte die letztere
Methode einmal; dasselbe Thier, später subcutan mit
10 cem Blut behandelt, starb elf Tage nach der
Impfung, war also nicht immun. Bei einem ECsel
fand sich sogar spontane Surrainfektion. Aus dem
Rassenunterschiede dürfte sich die Verschiedenheit der
Resultate ungezwungen ergeben.
Eine bemerkenswerthe Beobachtung ist folgende:
Herr Dr. Kersting in Sokodé besitzt ein Pferd (Hengst,
aus Gurma stammend), welches seit mehr als zwei
Jahren im Bezirke ist und stets leistungsfähig und
gesund war. Am 1. Juni fand ich im peripheren
Blute vereinzelte Naganaparasiten; später wurde auch
durch Injektion von Blut in die Bauchhöhle eines
Hundes das Vorhandensein von Parasiten erwiesen.
Trotz dieser latenten Surrainfektion war das Thier
stets leistungsfähig. Es hat mich ohne meerkliche
Anstrengung nach der Küste getragen. Parasiten
fanden sich nach dem Marsche nicht im mikroskopischen
Präparate. Ich erwarte von Herrn Dr. Kersting
aus Sokodé weitere Nachrichten, ob das Thier gut
zurückgekommen und ob es sich weiter hält. Von
diesem Pferde habe ich Blut auf ein kleines einhei-
misches Pferd übertragen. Der Verlauf der Tem-
peraturkurve weicht deutlich von den bisher beobach-
teten ab. Schon 27 Tage nach der Impfung ging
das Thier ein, doch waren am 6., 5. und 3. Tage
vor dem Tode keine Parasiten im Blute zu finden.
Versuche, noch weitere derartige „latente“ Infektionen
unter dem Pferdematerial in Sokodé zu finden, sind
nicht zum Abschluß gelangt, und weitere Unter-
suchungen hierüber, auch über eventuell vorhandene
Dauerformen des Parasiten sind dringend wün-
schenswerth.