Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIV. Jahrgang, 1903. (14)

Auf diese Weise wird die Erde derart bewegt, daß 
nach fünfmaligem Behacken die Pflanzen in der 
Mitte des Furchenrückens stehen; ist dies der Fall, 
so fährt man mit dem Behacken fort, aber ohne 
Erde zu bewegen. Drei bis fünf Leute behacken 
1 Hektar pro Tag. Das Behacken wird erst dann 
eingestellt, wenn der Umfang der Pflanzen diese 
Arbeit erschwert. 
Das Pflücken findet drei= bis viermal statt. Es 
wird mit der Hand ausgeführt. Die Baumwolle 
einer jeden Hülse muß gesondert und vorsichtig ab- 
gezogen werden, so daß kein Teil der Hülse mit 
abgeht, wodurch die Baumwolle verdorben werden 
würde. Der Pflücker trägt ein großes Hemd, welches 
er in Schurzform an den Hüften befestigt. In 
dieses legt er die gepflückte Baumwolle. Wenn das 
Hemd gefüllt ist, entleert er die Baumwolle in einen 
Sack und fährt so sort. Die Baumwollpflücker sind 
Knaben, welche beim ersten Pflücken mit 1,7 Pf. 
für 1 kg Samenbaumwolle, doppelt so hoch beim 
zweiten Pflücken und mit 4¼ Pf. pro Kilo beim 
dritten Pflücken bezahlt werden. 
Das erste Pflücken beginnt im Süden des Nil- 
deltas ungefähr Ende August oder Anfang September, 
im Norden ungefähr drei Wochen später. Das zweite 
Pflücken findet ungefähr einen Monat nach dem ersten 
stait und das dritte Pflücken wiederum drei Wochen 
später. Der Durchschnittsertrag an Samenbaumwolle 
ist 7½ Kantars (1050 kg) pro Hektar, aber 20 
bis 25 Kantars (2800 bis 3500 kg) pro Hektar 
sind nicht ungewöhnlich. Die Zahl der Fruchtkapseln 
an einem Strauch kann von 6 bis zu 300 oder mehr 
betragen. 
Diie Säcke mit Baumwolle, welche unterwegs 
gesammelt worden ist, werden abends in das Lager- 
haus getragen, wo sie behufs Ablöhnung der Pflücker 
gewogen werden. Die Baumwolle wird ausgebreitet, 
damit kein Gärungsprozeß eintritt. Selbstentzün- 
dung der Baumwollfasern scheint durchaus nicht un- 
bekannt zu sein. Da die zuerst gepflückte Baumwolle 
die beste ist, sollten die Ergebnisse der verschiedenen 
Pflückzeiten sorgfältig getrennt gehalten werden. 
Wenn die letzte Ernte eingebracht ist, werden 
die Stauden meist herausgerissen und als Feuerholz 
verwendet. Wenn man aber die Stauden 60 cm 
über dem Boden abschneidet und Wurzeln und 
Stumpf im Felde stehen läßt, so kann man ein Jahr 
später abermals eine kleine Ernte minderer Qualität 
erzielen. Wenn die Stauden ausgerissen werden, 
können Klee, Weizen, Gerste oder Bohnen im Felde 
gesät werden. Die Baumwolle nimmt das Feld für 
die Dauer von acht bis neun Monaten in Anspruch. 
Der Fellache gint seine Baumwolle nicht. Ent- 
weder verkaust er die Samenbaumwolle, oder er 
läßt sie durch eine Gesellschaft ginen, welche den 
Baumwollsamen als Bezahlung für das Ginen be- 
hält. Wenn für das Ginen bezahlt wird, so ver- 
langen die Gesellschaften 1 Mk. 40 Pf. für das 
Ginen von 140 kg Samenbaumwolle oder sie nehmen 
  
116 — 
dafür 36 Liter Baumwollsamen, der einen Wert von 
ungefähr 1,06 Mk. repräsentiert. Aus dem Baum- 
wollsamen wird in Agypten Ol hergestellt. Die 
großen Gesellschaftsetablissements sind, wie auf das 
Ginen der Baumwolle, auch auf das Auspressen des 
Baumwollsamenöls eingerichtet. Baumwolle darf, 
wenn sie trocken gehalten wird, bis zum Ginen zwei 
Wochen liegen bleiben. 
Das Ginen wird durch „Knife gins“ 7) bewerk- 
stelligt. Dieselben sind etwas über 1 m breit und 
kosten vollständig 450 Mk. Zum Betrieb sind 3½ 
bis 4 Pferdekräfte erforderlich. Sie ginen etwa 
140 kg Samenbaumwolle pro Stunde, was etwa 
44 kg Lintbaumwolle gibt. Es ist einleuchtend, daß 
im Lagosgebiet das Ginen entweder durch die Re- 
gierung oder durch Gesellschaften wie in Agypten 
besorgt werden müßte. 
Die Mit Affifivarietät trägt 1417 bis 1785 kg 
Samenbaumwolle pro Hektar. Jeder Kantar von 
140 kg Samenbaumwolle ergibt 89 kg Samen, 
44 kg Lintbaumwolle; 7 kg müssen für Verlust ge- 
rechnet werden. Der Durchschnsttsertrag pro Hektar 
kann daher mit 1600 kg Samenbaumwolle, oder 
1016 kg Samen und 508 kg Lintbaumwolle ange- 
nommen werden. Die Abassivarietät ist pro Kantar 
etwa 1 Dollar *) weniger wert als die Mit Affifi- 
varietät. 
Wenn die Baumwolle nach dem Ginen sehr 
trocken ist, so wird sie mit Wasser besprengt, welches 
eine Temperatur von 76½ " C. hat. Das ist eine 
sehr schwierige Arbeit, welche mit größter Sorgfalt 
ausgeführt werden muß. Das Pressen der Baum- 
wolle geschieht mit hydraulischen oder Dampfpressen. 
Eine Dampfpresse kostet komplet 61 300, eine hydrau- 
lische Presse 20 400 Mk. Die Kosten des Pressens 
einschließlich Sackzeug und Bändern betragen 68,8 Pf. 
pro Kantar zu 140 kg. 
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die in Lagos 
kultivierte Baumwolle andere Feinde haben wird, 
als diejenigen sind, welche dieselben Pflanzen in 
Agypten schädigen. Die hauptsächlichsten ägyptischen. 
Schädlinge sollen hier erwähnt werden, einmal um 
zur Vorsicht bei Einführung dieser neuen Kultur zu 
mahnen, wie auch, um von vornherein, soweit mög- 
lich, das Eindringen von Krankheiten der Baum- 
wollpflanze zu verhindern. 
1. In Agypten kommt eine Blattlaus auf den 
Blättern der Baumwollpflanzen vor. An der Aus- 
sonderung dieses Insekts wächst ein kleiner Pilz, 
dessen dunkle Staubfäden die Baumwolle schädigen. 
Die Fellachen wenden Holzasche als Gegenmittel an. 
2. Eine Motte legt ihre Eier auf den Blättern 
unterhalb der Epidermis ab, und die Raupen dieses 
Insekts nähren sich von den Blättern und jungen 
*) Es ist wohl eine Art Waljzengin gemeint. 
*“) Wenn der ägyptische Medjidiedollar gemeint ist, was 
aus dem englischen Text nicht hervorgeht, so beträgt der 
Wertunterschied 2 Mk. 12 ½ Pf.
	        
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