Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

tränke sie Milch. Ihr Kleid seien die Wolken und 
das Gewitter sei ihr Schlag, sie herrsche über 
Mpororo, und auch die Europäer, von denen sie 
allerdings noch kelinen gesehen, selen ihre Kinder, sie 
hätte sie aber ganz gerne. Das alles wird in der 
krelschenden Weise vorgebracht, nach jeder Frage 
meinerseits, die ich in Kisuaheli gegeben habe und 
die der Dolmetscher in Kipororo weitergibt, gibt es 
eine lange Pause, bis die klare Antwort erfolgt, die 
mir dann sofort wieder übersetzt wird. 
Ich entgegne ihr, wenn Europäer in ihr Land 
kämen, müsse sie ihnen friedlich gegenübertreten, 
müsse ihnen bei allen Dienstleistungen, vor allem bei 
der Verpflegung, behilflich sein und dürfe auch nicht 
im Streit mit den Nachbarn liegen. Vor allem sei 
es ihr nicht erlaubt, Wegezoll zu erheben, wie sie 
das letzthin getan. Darauf sagt sie mir wieder, 
in ihrem Lande werde sie Wegezoll nehmen, so viel 
sie wolle, und ich solle ihr jetzt auch sofort welchen 
geben. Als ich ihr nun ernst entgegentrete und sie 
auffordere, sofort als Zeichen ihrer Unterwerfung und 
als Buße für den neulich erhobenen Wegezoll zehn 
Rinder zu stellen, macht sie lange Gegenreden, be- 
hauptet, das brauche sie nicht und sie werde mich 
strafen. Bei der nunmehr folgenden heftigen Aus- 
einandersetzung wird sie hinter ihrer spanischen Wand 
immer aufgeregter, kreischt heftig, droht mir und 
allem, was in der Hütte ist, mit dem Tode, rasselt 
wie mit Eisen, will aber nicht klein beigeben. Unter- 
dessen habe ich leise Befehl gegeben, daß Soldaten 
unauffällig außen um die Hütte treten sollten, da 
ich annahm, daß hinter ihrem Verschlag vielleicht 
eine geheime Offnung nach außen führe, durch die 
sie sich flüchten würde. Als mir mitgeteilt wurde, 
daß meine Maßnahme hergestellt sei, erkläre ich ihr, 
meine Geduld sei zu Ende, im selben Augenblick 
reiße ich die Matte herunter, der Feldwebel reißt 
ein Stück von der geflochtenen Scheidewand ein und 
im Dunkeln, das mit Bllcken nur schwer zu durch- 
dringen ist, sehe ich plötzlich den Arm einer Frau, 
der, hoch erhoben, mit Kupferringen geschmückt, 
glänzende Eisenstäbe schwingt und mir nach dem 
Gesicht schlägt und sich dann unter heftigem Kreischen 
in das trockene Gras des Lagers einwühlt. Dabei 
ruft sie, was mir der aufmerksame Dolmetscher sofort 
wiedergibt, man solle von außen die Hütte aufbrechen, 
schrelt immer lauter, besonders als ich nun eindringe 
und sie fassen will, und im selben Augenblick gleitet 
sie wie eine Schlange durch das Gras nach der 
andern Seite in den Winkel, fast gegenüber der 
Tür, dort richtet sie sich auf und sitzt da, mit 
großen Augen um sich schauend. Dann kriecht 
sie zu mir heran und fällt, am ganzen Körper 
zitternd, vor mir nieder und umfaßt meine Knie, 
um Schonung flehend. Ich beruhige sie, der 
Dolmetscher sagt ihr, sie solle sich nicht fürchten, 
lasse sie vor mich hinkauern und vertreibe nun die 
mittlerwelle herbeigekommenen überflüssigen Gaffer, 
nur der Feldwebel und der Dolmetscher bleiben bei 
mir. Jener Katikiro, der anfänglich sich zu uns 
  
578 — 
gehalten hatte, war in dem Augenblick, als ich die 
Matte herunterriß, aus der Hütte geflohen, auch 
hörte ich hernach von den Draußenstehenden, daß 
alle Eingeborenen aus dem Dorf fortgelaufen sind. 
Nun sah ich mir in Ruhe das Wunder, das ent- 
schleierte Bild von Sais, an. Vor mir stand ein 
schlankes, junges Mtussiweib. Als sie vorher auf 
mich zugekommen war, hatte ich gesehen, daß sie, 
wie alle Watussi, ziemlich groß war, von heller Farbe, 
mit großen Augen, durch das ewige Leben in der 
Dunkelheit mit tiefen Ringen darunter, von langen 
Wimpern beschattet, scharfe, ausgesprochene Adlernase, 
kleinen Mund, schöne Zähne, den Kopf schmückt eine 
Mutussifrisur; sie erinnert an die bekannte Frisur der 
Nubier. Sie ist bekleidet mit einem rotgefärbten, 
gegerbten Fell, auf dem durch Fortschaben der Haare 
weiße Flguren eingekratzt sind. Das ovale Gesicht 
spricht von Klugheit und Leidenschaft, der Hals ist 
schlank, die Büste schön, um den Hals trägt sie eine 
Kette von großen, weißen Perlen und eine Schnur 
mit Amulekten, die Schultern sind rund, die Arme 
schön gesormt und schlank. Um das linke Hand- 
gelenk trägt sie weiße Perlen und Drahtringe von 
Messing, die je eine blaue Perle zeigen, um den 
rechten Arm einen breiten Kupferring, einen aus 
Messing, einen aus Leder. Unter dem Fell erscheint 
ein schlankes, gut geformtes Bein mit kleinem schmalen 
Fuß, um die Gelenke viel Drahtringe. Der Raum, 
auf dessen Stufe sie jetzt hockt, zeigt das zerwühlte 
Graslager. Bei näherem Zusehen finden wir dort 
eine Kürbisflasche mit Hirsebier, den dazugehörigen 
Becher (ebenfalls eine Kürbisschale) und sechs 
Eisenstäbe; die Stäbe, mit denen sie nach mir 
schlug und mit denen sie vorher hinter ihrem Vor- 
hang rasselte 
Nachdem Ruhe in der Hütte ist und sie mit 
großen, fragenden Augen vor mir sitzt, erkundige 
ich mich bei ihr nun, was sie zu sagen habe. Wir 
seien ja alle gesund und munter, trotzdem Nyawingi 
enthüllt vor uns sitze. Da wendet sie die Sache 
sehr geschickt und klug, und mit leichtem Lächeln gibt 
sie folgende Antwort: Nyawingi sei in die Wolken 
entschwebt, sie sei nicht Nyawingi, sie sei ein 
Mensch, sei die Dienerin der Nyawingi, und als 
solche auch bei den Leuten bekannt und von Nyawingi 
beauftragt, gegebenenfalls für sie zu reden. Ich 
sage ihr, Nyawingl habe sich eine recht hübsche 
Dienerin ausgesucht, worüber sie sich außerordentlich 
freut, und nun erzählt sie auf meine Fragen, sie 
beiße Kiakutuma, sel eine Mtussi-Frau, ihr Vater heiße 
Kageie, habe früher in Ruanda gewohnt, sei aber 
vom Kaiser von Ruanda vertrieben worden und nach 
Movororo gezogen, wo er ihre Mutter geheiratet 
habe. Sie selber sei auch verheiratet gewesen, und 
zwar mit einem kleinen Häuptling aus der Nachbar- 
schaft, sie habe auch zwei Kinder gehabt, die aber 
plötzlich gestorben seien, wahrscheinlich ermordet. 
Ayawingi, ihre Herrin, habe aber nicht gewollt, daß 
ihre Dienerin einen Mann habe, und habe sie des- 
halb von ihm fortgenommen, dann sei sie eine ganze
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.