Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

und die bunte, vernunftlose Vogel= und übrige Tier- 
welt erzählen hier allein von Gottes Macht und 
Güte: doch fehlt die Krone der Schöpfung, um diese 
tote Pracht zu bewundern und zu veredeln. Das 
Aambungtal, die Ebenen zwischen der Mündung des 
Gawit und Kap Tongllus, die Höhenzüge und engen 
Talsohlen vom Kap Rakorakor bis zum Tongolie- 
nakaneifluß und von da bis zu den ersten Nieder- 
lassungen der Nakanei bergen mit Ausnahme ver- 
einzelter Abhänge im Hintergrunde kein menschliches 
Wesen. Dieselbe Erscheinung treffen wir auch an 
der Ostküste von Baining. Gewisse Strecken, wie 
z. B. am Weberhafen, an der Quelle des Karo, im 
Kusuptal vor Kap Tongilus u. a. m., waren vor 
Zeiten besiedelt. Das beweisen die dort wachsenden 
Holzarten, die sonst nur in alten Pflanzungen vor- 
kommen, die vielen Arekapalmen, Drazänen und Kro- 
tonarten. Ferner wissen die Greise noch von Kriegen 
und Epidemien zu berichten, durch welche die Ein- 
geborenen dieser Gegenden ausgerottet oder zur 
Auswanderung getrieben wurden. Die heutigen Ein- 
wohner am Kap Tongilus saßen früher im Karo- 
gebiete; da sie aber den steten Überfällen ihrer 
Feinde aus dem Inneren ausgesetzt waren, so suchten 
sie sich andere Wohnplätze. Das beständige Umher- 
wandern von einem Platz zum anderen ist überhaupt 
eine charakteristische Eigentümlichkeit des Bainingers. 
Ackerbau treibende Völker sind in der Regel seßhaft. 
Beim Baininger trifft das nicht zu; er hat eine 
Nomadennatur. Er blelbt höchstens zwei Jahre auf 
derselben Scholle; sobald aber sein Tarofeld ab- 
geerntet ist, zieht er mit seiner leichten Habe eine 
Strecke weiter, rodet wieder ein Stück Wald zu einer 
neuen Pflanzung und baut sich eine armselige Hütte 
in der Nähe derselben. 
wäre nun aber irrig, zu glauben, die un- 
bewohnten Gebirgszüge und Täler würden niemals 
begangen. So undurchdringlich auch der Küstensaum 
zu sein scheint, so trifft man doch nicht selten, meistens 
in der Nähe von Flüssen, auch Pfade, die der Berg- 
bewohner zu gewissen Jahreszeiten benützt, um an 
die See zu kommen. Er hat eine gewisse Sehnsucht 
nach dem Meere, nach Salz und Fischen. 
In den Flußbetten, auf den hohen Sandbänken 
an den Mündungen der Flüsse begegnet man oft. 
ganzen Ansiedlungen Fischfang treibender Baininger. 
Es find das melst recht leicht gebaute Hütten, worin 
der Eingeborene seine Beute an Fischen röstet und 
die Nächte zubringt. Nach einem reichen Fang oder, 
wenn die mitgeschleppten Taros aufgezehrt sind, oder 
auch, wenn schlechte Witterung eintritt, kehrt er wieder 
heim in seine Berge zurück. Auf seinen Jagd- 
ausflügen nach Wildschwelnen, Kängurus und Kafu- 
aren durchwandert er oft wochenlang Gebirg und 
Tal. Er wird sich auf diesen Kreuz= und Quer- 
zügen niemols verirren; er kennt alle Schlupfwinkel, 
alle Quellen und Schluchten und hat Namen für 
sie. Eine Höhle, ein überhängender Fels, ja mit- 
unter selbst das dichte Laubdach eines Waldbaumes 
  
genügen ihm neben einem glimmenden Stücke Holz 
als Obdach für die Nacht 
Die Pfade und Wege sowohl in bewohnten als 
unbewohnten Gegenden Bainings sind sehr primitiver 
Art. Daß die gerade Linie die kürzeste ist, hat der 
Naturmensch noch nicht begriffen. Die Wege, die 
nirgends so breit sind, daß zwei Menschen darauf 
nebeneinander gehen können, führen meistens im 
Zickzack über Stock und Stein, bergauf und bergab, 
über Zäune und gquerliegende Baumstämme. Hat 
der Sturm einen Waldriesen in den Weg gebettet, 
der in selnem Falle eine Menge klelnerer Bäume 
mit sich gerissen hat, so fällt es niemand ein, den 
Weg wieder frei zu machen. Man klettert über die 
Reihe der Stämme hinweg oder umgeht sie. Mit 
einigen kräftigen Fußtritten drückt er das lleine 
Gebüsch nieder, reißt die größeren Sträucher aus 
oder knickt sie ab und zerbelßt die Lianen mit den 
Zähnen, wenn ihm kein Messer zur Hand ist. Durch 
einfaches Niedertreten des Grases und der Sträucher 
entstehen überhaupt alle Pfade in Baining. Eine 
Pflege derselben ist unbekannt. Sind die Wege 
wieder verwildert, so wird kein Mensch eine ver- 
bessernde Hand anlegen. Hin und wieder tritt einer 
das Gras zu beiden Seiten nieder oder säbelt es 
mit dem Buschmesser etwas ab, aber nur aus Furcht 
vor dem nassen, kalten Tau, der ihm beim Gehen 
des Morgens um die Füße schlägt. Dank aber von 
seinen Landsleuten empfängt und erwartet er auch 
hierfür nicht. 
Die in feindliches Gebiet führenden Wege find 
durchweg schlecht ausgetreten und häufig durch Ver- 
haue unterbrochen. Ein Europäer allein ohne Führer 
würde sich schon nach zehn Schritten für verirrt er- 
klären. Der Baininger aber, mag er auch schon 
johrelang diesen Pfad nicht mehr betreten haben, 
verfehlt ihn nicht leicht; ein Kerbschnitt, ein gebogener 
oder zerknickter Zweig, ein auffälliger Baum, ein 
Büschel abgerissener Zweiglein oder Blätter bilden 
ihm zuverlässige Wegweiser; für ihn hat jedes ge- 
machte Zeichen seine Bedeutung. Beim Anblick von 
Fußspuren weiß er gleich, ob sie von Männern oder 
Frauen herrühren. Auf seinen alljährlichen Wande- 
rungen in die entfernten Flußtäler und an die See 
folgt er melstens den Flußläufen oder macht Um- 
wege über Gebirgszüge, zumal, wenn auch sein 
Feind diese Gegenden besucht. Tiefe Sümpfe und 
Ströme überbrückt er mit langen Bäumen. Wie 
sicher er diese überschreitet, habe ich schon oft Ge- 
legenheit gehabt zu bewundern. mußte eines 
Tages auf einer Expedition über den Patongo. 
Der Fluß ist an dieser Stelle kaum 90 m breit, 
aber sehr tief und reißend. Meine Begleiter be- 
nützten einen querüber liegenden Baum, der aber 
verhältnismäßig dünn war, dazu nicht glücklich lag- 
Er relchte nämlich nicht bis zum anderen Ufer. Die 
Krone war weggerissen, nur zwei lange Astarme 
waren übriggeblieben, von denen einer hoch im 
Wasser lag und der andere kerzengerade in die Höhe
	        
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