Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

Deutsch-koloniale Baumwoll-Unternehmungen. 
Dem Bericht VII Frühjahr 1906)“) des Kolonial- 
Wirtschaftlichen Komitees über Baumwolle entnehmen 
wir folgendes: 
Wie bekannt, stehen die Bestrebungen, Deutschland 
hinsichtlich des Bezuges seiner Rohstoffe unabhängiger 
kewache, im Vordergrunde des öffentlichen Inte- 
resses. 
Unter diesen Rohstoffen nimmt Baumwolle die 
erste Stelle ein. Die deutsche Textilindustrie, die 
mit ihren Nebenbetrieben etwa 1 Million Arbeiter 
beschäftigt und jährlich einen Produktionswert von 
etwa 1 Milliarde Mark schafft, ist bezüglich ihrer 
Rohbaumwolle jährlich im Werte von 450 Millionen 
Mark vollkommen vom Auslande abhängig, vor- 
wiegend von Amerika. 
Die amerlkanische Baumwollernte hat nach dem 
Bericht des Bundesamtes für Ackerbau vom 4. De- 
zember 1905 ein Gesamtergebnis von 10 167 818 
Ballen gebracht, dem eine Schätzung des Gesamt- 
verbrauches von amerikanischer Baumwolle im 
Jahre 1906 von 11 360 000 Ballen gegenübersteht. 
Danach würde die Ernte 1905 um ungefähr 
1 Million Ballen hinter dem Bedarf zurückbleiben. 
Um diesen Fehlbetrag zu decken, müssen die jetzt auf 
die normale Höhe angefüllten Vorräte stark in 
Anspruch genommen werden und das Jahr 1906 
müßte eine volle Ernte bringen, wenn die Ent- 
wicklung des Verbrauchs nicht einen Sttllstand er- 
fahren soll. Die Standardmarke „middling amerl- 
kanisch= hielt sich demgemäß vom November v. JIs. 
bis Mai d. Is. auf dem hohen Stand zwischen 
55¼ und 61¾ Pf. pro Pfund. 
Zu dem Mißverhältnis zwischen Produktion und 
Konsum der amerikanischen Baumwolle kommt ein 
Rückgang der ägyptischen Baumwollernten. Die 
von dem Finanzlial Adviser Sir Vincent Corbett 
in seinem Jahresbericht 1905 erwähnte Frage der 
Verschlechterung des ägyptischen Baumwollbaues hat 
auf dem Baumwollmarkte eine lebhafte Erregung 
hervorgerufen. Während sich die Ernteerträge vom 
Jahre 1890 (534 600 Ballen) bis 1898 (1 069 200 
Ballen), also in 8 Jahren, verdoppelt hatten und 
nach der allgemeinen Ansicht eine Steigerung der 
Ernte auf 1 500 000 Ballen zu erwarten war, sind 
die Ernten der Jahre 1899 bis 1905 zurück- 
geblieben und hoben die Rekordernte des Jahres 
1898 nicht wieder errelcht. Von sachverständiger 
Seite wird u. a. behauptet, daß der Damm in 
Assuan die befruchtenden Telle (Schlämme des Nils) 
zurückhalte und dadurch nicht nur die Menge der 
Produktion beeinträchtige, sondern auch die Qualität, 
gerade der feinsten Sorten, verschlechtere. Diese 
Sachlage hat denn auch zu einer außergewöhnlichen 
Hausse beigetragen. Die Standardmarke „fully 
Loodkair“ notierte im November v. Is. 66 Pf. 
Anfang Mai d. Is. 86 Pf. 
Úe eÛ 
* Über Bericht VI siehe D. Kol. Bl. 1905 S. 679. 
  
357 — 
- Togo. 
Die Baumwollkultur, die fast ausschließlich als 
Volkskultur betrieben wird, hatte im Jahre 1905 
unter einer außergewöhnlichen Trockenheit zu leiden; 
die sogenannte kleine Regenzeit fiel völlig aus. 
Trotzdem wurde ein größeres Quantum als im 
Vorjahre, nämlich 257 500 Pfund im Werte von 
etwa 150 000 Mk. exportiert, und nach den letzten 
Nachrichten haben sich Ernteaussichten infolge nach- 
träglich eingetretenen Regens weiterhin gebessert. 
Die Baumwolle wurde größtenteils durch die Togo- 
firmen aufgekauft und von diesen auf den beutschen 
Markt gebracht. 
Die Baumwollinspektion besteht z. Zt. aus dem 
Baumwollinspektor G. H. Pape, dem kaufmännischen 
Assistenten Heinrich Wollinger und dem landwirt- 
schaftlichen Asfistenten Meinhardt mit dem Sitz in 
Lome; die Baumwollschule wird von dem farbigen 
Amerikaner John W. Robinson geleitet. 
Die Anbaufläche wird fortgesetzt vermehrt. Auch 
am oberen Volta, wo der Baumwollbau bisher nur 
geringe Fortschritte gemacht hatte, beginnen die Ein- 
geborenen der Kultur mehr und mehr ihre Auf- 
merksamkeit zuzuwenden; namentlich auf den Alluvien 
der Flüsse soll gute Baumwolle gedelhen. Kultur- 
versuche mit Bewässerung sind jetzt an den Flüssen 
Mono, Oti und Volta durch die Baumwollschule 
bezw. durch die Kaiserliche Station Kete-Kratschi 
eingeleitet; die Station hat in diesem Jahre etwa 
70 Hektar mit Baumwolle bepflanzt. Wichtig ist 
die Transportfrage von Yendi nach Mangu. Wie 
der Stationslelter von Mangu berichtet, ist auf der 
Straße Y?endi—Mangu in der Trockenzelt ein 
Wagenverkehr schon jetzt möglich. Der Okt ist in 
der Regenzeit etwa vier Monate mit Kanoes be- 
ahrbar, doch ist die Nutzbarmachung des Flusses 
ür den Baumwolltransport nur mit Hilfe eines 
flachgehenden Motorbootes zu ermöglichen. Im 
Sokodé-Bezirk wird sich die Baumwollproduktson 
erheblich steigern lassen, sobald mit der Verlängerung 
der Lome—Palime-Eisenbahn bessere Transport- 
verhältnisse geschaffen werden. 
Ein wesentlicher Fortschritt ist in der Veredelung. 
der Togobaumwolle erzielt worden. Ein von der 
Baumwollschule Nuatschä erzeugtes Produkt erzielte 
8 Pf. über „middling amerikantsch“. Die Ver- 
besserung der Togoqualität im allgemeinen zeigt 
der Verkauf von Baumwolle der diesjährigen Ernte 
aus verschiedenen Bezirken durch die Deutsche Togo- 
gesellschaft zum Preise von 3 Pf. über „middling 
amerikanisch“. 
Der Betrieb der Ginstationen auf den größeren 
Aufkaufmärkten vollzieht sich jetzt schon durch die 
direkten Interessenten. Die Deutsche Togogesellschaft 
betreibt Ginanlagen mit Motorbetrieb in Palime, 
Ho, Atakpame und Sokods. Die Pflanzungs- 
gesellschaft Kpeme unterhält eine Kraft-Ginanlage 
auf der Pflanzung Kpeme. Die Togo Baumwoll- 
gesellschaft m. b. H. betreibt Ginanlagen in Palime 
 
	        
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