Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

8. Einwirkung auf Fortsetzung von Maßnahmen 
zur Bekämpfung der Viehseuchen. Kreuzungs- 
versuche zur Beschaffung von Arbeits= und 
Zugvieh. 
. Ausführung von wirtschaftlichen Erkundungen 
zur Vorbereitung des Eisenbahnbaues. Ein- 
führung von landwirtschaftlichen Maschinen und 
Transportmitteln mit Motorbetrieb. 
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Ostafrikanische Baumwolle. 
Bei der am 17. Mei stattgehabten Eröffnung 
der deutsch-böhmischen Ausstellung in Reichenberg 
hat unter den Fachmännern ein feiner dünner Baum- 
wollstoff besondere Beachtung gefunden. welcher von 
der Firma Benedikt Schrolls Sohn in Braunau- 
Oelberg aus ostafrikanischer Baumwolle hergestellt 
wurde. Es wird damit der Beweis erbracht, doß 
diese Baumwolle sich zu den feinsten Gespinnsten 
eignet und alle Vorzüge der ägyptischen Baumwolle 
in sich vereinigt, mithin eine große Zukunft hat. 
  
Die Rolonial-Ausstellung in Marseille. 
Am 15. April d. Is. wurde in Marseille eine 
französische Kolonial-Ausstellung eröffnet, deren Dauer 
bis in den November hinein vorgesehen ist. 
Als Ort einer solchen nationalen Ausstellung, an 
der sich sämtliche Kolonlen und Schutzgebiete Frank- 
reichs betelligten, konnte kein geeigneterer in Frage 
kommen als der große Durchgangspunkt, der den 
Handel Frankrelchs mit seinen Kolonien regelt, der 
den Ausgangshafen für den Verkehr mit Algier, der 
Levante und dem fernen Osten bildet, der in seiner 
Industrie auch das Zentrum für die Verwertung von 
Kolonialprodukten darstellt: die von der Natur schon 
zu diesen Aufgaben prädestinierte Handelsmetropole 
Marseille, die alte, weltberühmte Kolonie Massilta. 
Abgesehen davon, daß eine weitgehende Mithilfe 
der Regierung und ihrer Organe für eine sachlich 
erschöpfende Darstellung der französischen Kolonial- 
interessen die besten Garantien schuf, so fehlten doch 
auch nicht andere wertvolle Momente zum Gelingen 
des Unternehmens: Mr. Charles Roux, Präsident 
der Union Coloniale und Vilzepräsident des Suez- 
kanals, welcher schon in 1900 an der Spitze der 
Trocadero-Ausstellung stand, war auch diesmal mit 
der Leitung der Marseiller Ausstellung regierungs- 
seitig betraut worden. Jahrelange, in jeder Beziehung 
sorgfältige Vorbereltungen, die bis in den Anfang 
des Jahres 1904 zurückreichten, nachdem die ersten 
Pläne schon Ende 1902 gefaßt waren, konnten für 
einen Erfolg der Veranstaltung bürgen. Aber nicht 
in letzter Linie ist durch eine außerordentliche Bereit- 
willigkeit in der Gewährung materieller Mittel ein 
Boden geschaffen worden, auf dem auch elwas Be- 
deutendes ins Leben treten konnte. 
Die interessierten Ministerien der Kolonien, der 
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Auswöärtigen Angelegenheiten und des Innern haben 
das Protektorat über die Ausstellung Übernommen 
und namhafte Beträge zur Verfügung gestellt. Die 
Stadt Marseille nahm eine Anleihe von 1 Milllion 
Francs zugunsten der Ausstellung auf. So flossen 
dem Unternehmen allein aus Frankreich nicht weniger 
als 1 087 500 Francs zu. Ungleich größer aber 
war noch die Beihilfe, die aus den Kolonien kam. 
So steuerte Indochina die stattliche Summe von 
3 Millionen Francs, die westafrikanischen Schutz- 
gebiete, Algerien und Tunis je 500 000 Fr., Mada- 
gaskar 300 000 Fr. bei; aber auch die kleineren 
Kolonien ließen es sich nicht nehmen, ihr Scherflein 
zum Gelingen des Ganzen beizutragen. So konnte 
die Ausstellung mit einem Garantiefonds von fast 
7 Mulionen Francs ins Leben treten. , 
Außer dem Generalkommissar, Herrn Roux, wirkte 
als wissenschaftlicher Beirat Herr Dr. Heckel, dessen 
Autorität und außerordentliche Befähigung in blo- 
nialwissenschaftlicher und kolonialwirtschaftlicher Be- 
ziehung auch außerhalb Frankreichs Grenzen allgemeln 
anerkannt ist. Aber neben und unter diesen Leitern 
arbeitete ein ganzer Stab von hervorragenden Fach- 
männern, teils aus den Ministerien, teils aus den 
betreffenden Kolonialverwaltungen. 
In einen herrlichen Park von 20 ha, einen 
Raum, der ungefähr 3½ mal so groß ist, als ihn 
die Trocadero-Ausstellung zur Verfügung stellen 
konnte, find die zahlreichen Ausstellungspaläste und 
Pavillons hineingestellt. Der reichlich zur Verfügung 
stehende Raum ermöglichte es, die Eigenheiten der 
einzelnen charakteristischen Gebäude vorteilhaft her- 
vortreten zu lassen. 
Die Ausstellung selbst verfolgte einen doppelten 
Zweck. Sie wollte nicht nur zur Anschauung bringen, 
was das Mutterland seinen Kolonien entnimmt, und 
was dlese an Rohstoffen und Fabrikaten hervorbringen, 
sondern es war nicht minder Wert darauf gelegt, 
die Frage: Was kann Frankreich nach seinen Kolonten 
verkaufen, und welche Exportartikel gehen dorthin? 
zu beantworten. Aber auch auf die Frage: Wie 
müssen diese Exportartikel dem Charakter und der 
Eigenart der Eingeborenen angepaßt werden? sollte 
dem Beschauer erschöpfende Antwort gegeben werden. 
Gerade diese Gesichtspunkte und der Wert, der auf 
die Beantwortung der Fragen des gegenseltigen Aus- 
tausches zwischen Mutterland und Kolonien in dieser 
Ausstellung gelegt wurde, dürfen als außerordentlich 
glücklich bezeichnet werden. Aber auch noch nach 
westeren Richtungen verdient die Ausstellung in 
Marseille besondere Beachtung. Die wichtige Frage 
des Transports der Waren nach, von und in den 
Kolonien sollte durch eine umfangreiche Verkehrs- 
ausstellung beleuchtet und beantwortet werden. Dem 
Eisenbahnbau ist in erster Linie hervorragende Auf- 
merksamkeit gewidmet worden, während die Auto- 
mobilindustrie in einer Halle von 3000 am alle 
großen französischen Betriebe vereinigt. Diese Ver- 
kehrsausstellung sollte einerselts daran erinnern, daß
	        
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