Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

Kolonien haben Rsunion und Guadeloupe ihre Er- 
zeugnisse ausgebaut. Letzteres zeigt seine Hutindustrie 
und schickt Möbel und Haushaltungsgegenstände, die 
von den dortigen Eingeborenen in den Handfertig- 
keitsschulen gearbeitet werden. Réunion bringt Tee 
und Vanille sowie eine herrliche Sammlung seines 
botanischen Gartens, Muskatnüsse, wilden Kaffee und 
Medizinalpflanzen, Pfeffer, Oliven, Mimosen und 
Tamarinden. Aus Französisch-Indlen hat Pondi- 
chery schöne Möbel aus Ebenholz und kupferne 
Gegenstände von hoher künstlerischer Vollendung aus- 
gestellt. Mysore führt die Ergebnisse seiner Seiden- 
zucht vor, Südindien Wollproben und Hölzer, in 
Chrom gegerbte Tierhäute, verschiedene Faserstoffe, 
Teppiche, Webwaren und Gewürze. 
Entsprechend seiner Bedeukung und seiner mate- 
riellen Beisteuerung hat Indochina eine äußerst reich- 
haltige Ausstellung veranstaltet. Fast der ganze linke 
Flügel des Ausstellungsparkes ist elner Reihe von 
Gebäuden vorbehalten, in deren Mitte der große 
indochinesische Palast liegt. Neben dem Hauptgebäude 
ist eine Reihe Spezialausstellungen für jedes Einzel- 
geblet der indochinesischen Union aufgerichtet. So 
ahmt der Pavillon von Cochinchina eine stolze Pagode 
mit gekrümmten Dächern nach, die von geflügelten 
Drachen gekrönt ist. Dicht daneben erhebt sich das 
Haus eines reichen Annamiten, aus heimischen Bau- 
hölzern errichtet. Der Pavillon von Tonkin stellt 
eine Pagode aus der Umgegend von Bac-Ninh dar, 
der von Annam ist eine getreue Nachblldung der 
Pagode des Konfuzius zu Hus. Kambodja hat in 
einem originellen Bau eine der Pagoden von Baion 
nachgebildet. Die Erzeugnisse von Laos nimmt ein 
Holzpavillon auf. Ein Theater in neusiamesischem 
Stil, dessen Erdgeschoß kinematographlschen Vor- 
stellungen dient, faßt in seinem ersten Stockwerk Platz 
für 500 Zuschauer bei den Schauspielen der Einge- 
borenen-Truppen von Kambodja, Annam und Tonkin. 
Hier werden sich auch die Tänzerinnen des Königs 
von Kambodja, dessen Erscheinen auf der Ausstellung 
erwartet wird, zeigen. Um das interessante Bild 
Indochtnas zu vervollständigen, hat man noch zwei 
traßen aus Hanoi und Saigon in vollem Leben 
vorgeführt, mit ihren Handwerkern, Läden und 
ärkten und einem chinesischen Restaurant. Die 
ewachung und Aufsicht über die Pavillons dieses 
merkwürdigen Viertels hat man einer Sektion von 
ohinchtefsschen Schützen= und Bürgergarden über- 
gen. 
d Von besonderem Interesse ist noch der Palast 
es Ministerlums der Kolonten und der Künste, dessen 
einer Teil der Vorführung von wissenschftlichen 
Arbeiten der französischen Kolonialverwaltung, der 
andere der Ausstellung von Gemälden und Skulpturen, 
d der Hauptsache Darstellungen aus dem kolonialen 
eben, gewidmet ist. Mit dieser Kunstausstellung ist 
elne Konkurrenz verbunden, deren Prelsträger nicht, 
wie üblich, mit Medaillen ausgezeichnet werden, 
sondern, um ihr Interesse an der künftlerischen Auf- 
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fassung kolonialen Lebens zu wecken, nennenswerte 
Stipendien für Studienreisen in die Kolonien erhalten. 
Tritt dem Zweck der Ausstellung entsprechend 
das nationale Moment in Marseille in den Vorder- 
grund, so ist doch auch eine sehr schöne Ausstellung 
unter Beteiligung und Mitwirkung des Auslandes 
zustande gekommen. Es ist die Ausstellung die das 
Palais d'Océanographie oder Palais de la Mer 
bietet. Diese internationale Abtellung enthält Samm- 
lungen des Fürsten von Monaco, der auch das Pro- 
tektorat über den anläßlich der Ausstellung zusammen- 
tretenden internationalen Kongreß für Ozeanographie 
übernommen hat, die Sammlungen des Königs von 
Portugal, Ergebnisse von Forschungsarbeiten aus 
Deutschland, England, den Niederlanden, Norwegen, 
Schweden und Dänemark, die Ergebnisse der Nord- 
und Südpolarforschung, ozeanographische Instrumente. 
Allgemeine Bewunderung findet hier die deutsche 
Sektion mit ihrer geschmackvollen und streng wissen- 
schaftlichen Anordnung der wertvollsten Errungen- 
schaften der Tiefsee= und Südpolarforschung. Eine 
lünstlerische plastische Gruppe der gesamten Fauna 
in der Polarzone gibt ein stimmungsvolles Bild von 
den Naturgehelmnissen, die sich den mutigen deutschen 
Forschern dort offenbarten. Die praktisch wirtschaft- 
liche Abtellung, die der wissenschaftlichen Abteilung 
gegenübertritt, zeigt den Fischereibetrieb Frankreichs, 
seiner Kolonten und des Auslandes und gibt reich- 
haltige Sammlungen von Meeresprodukten aller 
Gattungen. · " 
Die Marseiller Kolonial-Ausstellung entrollt somit 
ein vollständiges Bild von der Bedeutung des fran- 
zösischen Kolontalbesitzes, gewährt elnen Einblick in 
die gewaltige wirtschaftliche und kulturelle Entwick- 
lung, welche die kolonialen Interessen Frankreichs in 
den letzten Jahren erfahren haben, und wird sicherlich 
zur welteren Hebung der wechselseitigen Beziehungen 
zwischen dem Mutterlande und den Kolonien nicht 
unerheblich beitragen. 
      
    
Titeratur. 
Professor Dr. Alexander Supan, Herausgeber von 
Petermanns Mitteilungen: Die territoriale 
Entwicklung der europäischen Kolonien. 
Mit einem kolonialgeschichtlichen Atlas von 12 Kar- 
ten und 40 Kärtchen im Text. Gotha 1906. 
Verlag von Justus Perthes. Preis geh. 12 Mk. 
geb. 13,50 Mk. 
Der Verfasser, bekannt durch seine in dem perio- 
dischen Sammelwerk „Die Bevölkerung der Erde“ 
veröffenklichten Abhandlungen über die koloniale Be- 
wegung, gibt in dem soeben erschienenen Werke eine 
allgemeine Geschichte der Kolonisation in chronolo- 
gischer Reihenfolge und im weltgeschichtlichen Rahmen. 
Den vorhandenen Werken über die Geschichte der 
größeren Kolonialstaaten reiht sich die ausgezeichnete 
knappe und doch klare Darstellung ergänzend an die
	        
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