Kolonien haben Rsunion und Guadeloupe ihre Er-
zeugnisse ausgebaut. Letzteres zeigt seine Hutindustrie
und schickt Möbel und Haushaltungsgegenstände, die
von den dortigen Eingeborenen in den Handfertig-
keitsschulen gearbeitet werden. Réunion bringt Tee
und Vanille sowie eine herrliche Sammlung seines
botanischen Gartens, Muskatnüsse, wilden Kaffee und
Medizinalpflanzen, Pfeffer, Oliven, Mimosen und
Tamarinden. Aus Französisch-Indlen hat Pondi-
chery schöne Möbel aus Ebenholz und kupferne
Gegenstände von hoher künstlerischer Vollendung aus-
gestellt. Mysore führt die Ergebnisse seiner Seiden-
zucht vor, Südindien Wollproben und Hölzer, in
Chrom gegerbte Tierhäute, verschiedene Faserstoffe,
Teppiche, Webwaren und Gewürze.
Entsprechend seiner Bedeukung und seiner mate-
riellen Beisteuerung hat Indochina eine äußerst reich-
haltige Ausstellung veranstaltet. Fast der ganze linke
Flügel des Ausstellungsparkes ist elner Reihe von
Gebäuden vorbehalten, in deren Mitte der große
indochinesische Palast liegt. Neben dem Hauptgebäude
ist eine Reihe Spezialausstellungen für jedes Einzel-
geblet der indochinesischen Union aufgerichtet. So
ahmt der Pavillon von Cochinchina eine stolze Pagode
mit gekrümmten Dächern nach, die von geflügelten
Drachen gekrönt ist. Dicht daneben erhebt sich das
Haus eines reichen Annamiten, aus heimischen Bau-
hölzern errichtet. Der Pavillon von Tonkin stellt
eine Pagode aus der Umgegend von Bac-Ninh dar,
der von Annam ist eine getreue Nachblldung der
Pagode des Konfuzius zu Hus. Kambodja hat in
einem originellen Bau eine der Pagoden von Baion
nachgebildet. Die Erzeugnisse von Laos nimmt ein
Holzpavillon auf. Ein Theater in neusiamesischem
Stil, dessen Erdgeschoß kinematographlschen Vor-
stellungen dient, faßt in seinem ersten Stockwerk Platz
für 500 Zuschauer bei den Schauspielen der Einge-
borenen-Truppen von Kambodja, Annam und Tonkin.
Hier werden sich auch die Tänzerinnen des Königs
von Kambodja, dessen Erscheinen auf der Ausstellung
erwartet wird, zeigen. Um das interessante Bild
Indochtnas zu vervollständigen, hat man noch zwei
traßen aus Hanoi und Saigon in vollem Leben
vorgeführt, mit ihren Handwerkern, Läden und
ärkten und einem chinesischen Restaurant. Die
ewachung und Aufsicht über die Pavillons dieses
merkwürdigen Viertels hat man einer Sektion von
ohinchtefsschen Schützen= und Bürgergarden über-
gen.
d Von besonderem Interesse ist noch der Palast
es Ministerlums der Kolonten und der Künste, dessen
einer Teil der Vorführung von wissenschftlichen
Arbeiten der französischen Kolonialverwaltung, der
andere der Ausstellung von Gemälden und Skulpturen,
d der Hauptsache Darstellungen aus dem kolonialen
eben, gewidmet ist. Mit dieser Kunstausstellung ist
elne Konkurrenz verbunden, deren Prelsträger nicht,
wie üblich, mit Medaillen ausgezeichnet werden,
sondern, um ihr Interesse an der künftlerischen Auf-
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fassung kolonialen Lebens zu wecken, nennenswerte
Stipendien für Studienreisen in die Kolonien erhalten.
Tritt dem Zweck der Ausstellung entsprechend
das nationale Moment in Marseille in den Vorder-
grund, so ist doch auch eine sehr schöne Ausstellung
unter Beteiligung und Mitwirkung des Auslandes
zustande gekommen. Es ist die Ausstellung die das
Palais d'Océanographie oder Palais de la Mer
bietet. Diese internationale Abtellung enthält Samm-
lungen des Fürsten von Monaco, der auch das Pro-
tektorat über den anläßlich der Ausstellung zusammen-
tretenden internationalen Kongreß für Ozeanographie
übernommen hat, die Sammlungen des Königs von
Portugal, Ergebnisse von Forschungsarbeiten aus
Deutschland, England, den Niederlanden, Norwegen,
Schweden und Dänemark, die Ergebnisse der Nord-
und Südpolarforschung, ozeanographische Instrumente.
Allgemeine Bewunderung findet hier die deutsche
Sektion mit ihrer geschmackvollen und streng wissen-
schaftlichen Anordnung der wertvollsten Errungen-
schaften der Tiefsee= und Südpolarforschung. Eine
lünstlerische plastische Gruppe der gesamten Fauna
in der Polarzone gibt ein stimmungsvolles Bild von
den Naturgehelmnissen, die sich den mutigen deutschen
Forschern dort offenbarten. Die praktisch wirtschaft-
liche Abtellung, die der wissenschaftlichen Abteilung
gegenübertritt, zeigt den Fischereibetrieb Frankreichs,
seiner Kolonten und des Auslandes und gibt reich-
haltige Sammlungen von Meeresprodukten aller
Gattungen. · "
Die Marseiller Kolonial-Ausstellung entrollt somit
ein vollständiges Bild von der Bedeutung des fran-
zösischen Kolontalbesitzes, gewährt elnen Einblick in
die gewaltige wirtschaftliche und kulturelle Entwick-
lung, welche die kolonialen Interessen Frankreichs in
den letzten Jahren erfahren haben, und wird sicherlich
zur welteren Hebung der wechselseitigen Beziehungen
zwischen dem Mutterlande und den Kolonien nicht
unerheblich beitragen.
Titeratur.
Professor Dr. Alexander Supan, Herausgeber von
Petermanns Mitteilungen: Die territoriale
Entwicklung der europäischen Kolonien.
Mit einem kolonialgeschichtlichen Atlas von 12 Kar-
ten und 40 Kärtchen im Text. Gotha 1906.
Verlag von Justus Perthes. Preis geh. 12 Mk.
geb. 13,50 Mk.
Der Verfasser, bekannt durch seine in dem perio-
dischen Sammelwerk „Die Bevölkerung der Erde“
veröffenklichten Abhandlungen über die koloniale Be-
wegung, gibt in dem soeben erschienenen Werke eine
allgemeine Geschichte der Kolonisation in chronolo-
gischer Reihenfolge und im weltgeschichtlichen Rahmen.
Den vorhandenen Werken über die Geschichte der
größeren Kolonialstaaten reiht sich die ausgezeichnete
knappe und doch klare Darstellung ergänzend an die