Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

es möglich geworden, in Tübingen der Ausführung 
des Plans näher zu treten. Auch von der medizi- 
nischen Fakultät der Universität erwartet man für 
das Unternehmen ein freundliches Entgegenkommen. 
Es soll mit dem Bau des Instituts begonnen wer- 
den, sobald die gesammelten und zu sammelnden 
Gelder die Höhe von 100 000 Mk. erreicht haben. 
In Deutschland ist dies der erste Schritt dazu, 
ein allen Missionsgesellschaften dienendes Institut zu 
gründen, welches, wenn es nach dem gefaßten Plan 
ausgeführt wird, große Ahnlichkeit mit englischen 
Einrichtungen haben wird. Die Stellung des In- 
stituts soll eine ganz selbständige sein, also wohl 
eine Schöpfung des Vereins für ärztliche Mission, 
aber doch unter elnem eigenen Verwaltungsrat und 
auch finanziell unabhängig. 
Gerade dieser Punkt erscheint von großer Wich- 
tigkeit für eine freie und umfassende Entfaltung des 
Instituts. Man kann es nur mit Freuden begrüßen, 
daß die missionsärztlichen Bestrebungen in Deutsch- 
land sich immer mehr aus der Theorie in die Praxis 
begeben. Es ist allerdings ein Versuch, der fast zu 
groß angelegt erscheint. Manche Missionare, die 
mit einer ärztlichen Ausbildung ausgerüstet werden 
sollen, werden trotz dem deutschen Institut doch ihre 
medizinische Ausblldung in England, z. B. dem 
Livingstone College, nehmen, da das neben der Er- 
lernung der Sprache ihres künftigen Arbeitsfeldes 
manche sonstige Vorteile bietet. Immerhln ist die 
Reihe der Missionare, die mit großem Gewinn einen 
Kursus in dem Institut durchlaufen können, groß. 
Es ist die Samariterschule vorläufig der weltaus 
hoffnungsvollere Teil des Instituts. 
Anders ist es mit dem Heim für Medizin- 
studierende. Gewiß wird es manche Jünglinge 
geben, denen von vornherein der Beruf und die 
Berufung als Missionsarzt feststeht, aber es wird 
auch immer eine ganze Reihe von Arzten geben, die 
sich erst als fertige Leute dem Missionsberuf zu- 
wenden. Doch abgesehen von diesem Punkt, hat die 
Sammlung von Medizinstudierenden in einem Heim, 
in dem sie naturgemäß während der ganzen Studien- 
dauer bleiben, mancherlei Schwierigkeiten, die u. a. 
in dem berechtigten Streben der deutschen Studenten, 
die Universität zu wechseln, ihren Grund haben. 
Ferner wird es bei den herrschenden studentischen 
Anschauungen noch eher möglich sein, Mediziner in 
einem ausschließlich Studenten beherbergenden Konvilt 
als in einem Helm unterzubringen, das in engem 
Zusammenhang mit der Samariterschule steht. Auch 
sind die elnzelnen medizinischen Disziplinen nicht 
immer gleichwertig auf einer Untoersität besetzt. 
Vielleicht bietet das Praktikantenjahr, welches die 
Mediziner nach dem Staatsexamen abzulegen haben, 
eine Gelegenhelt, die angehenden Missionsärzte in 
besonders für ihren Beruf nötigen Dingen zu unter- 
weisen (Tropenkrankheiten). 
Was endlich die Wahl des Ortes anbelangt, so 
müssen sehr gewichtige Gründe für die Wahl der 
  
  
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Universität Tübingen ausschlaggebend gewesen seln. 
Einmal ist die Lage des Ortes nicht sehr zentral, 
und dann verirrt sich auch selten ein Tropenkranker 
in die dortigen Krankenhäuser. Doch alle diese Be- 
denken sind theoretisch und müssen durch die Praxis 
entweder wlderlegt oder bestätigt werden, jedenfolls 
sind sie nicht schwerwiegend genug, um den ganzen 
Plan zu verwerfen. Es wird und kann auch auf 
irgend eine Weise ein modus operandi gefunden 
werden. Vielleicht, wenn die Medizinstudierenden 
sich doch entschließen, das ganze Studium in Tübingen 
zu absolvieren, daß sie dann im Praktikantenjahr 
reisen und auch das nun einmal bestehende Tropen- 
hygienische Institut in Hamburg besuchen. 
Wir wünschen dem Plan von Herzen ein fröh- 
liches Gelingen. 
Die Konferenz für Mohammedaner-Mission 
#in Kalro (4. bis 9. April 1906). 
Im Herzen des neuen Teils von Kairo ist ein 
geräumiges, jedoch unansehnliches Haus, in dem 
ehedem der ägyptische General Arabi Pascha wohnte, 
dessen Empörung gegen den Khedive Tewfig im 
Jahre 1882 die Engländer nach Aghypten führte. 
Jetzt ist dieser alte Palast der Mittelpunkt der 
Missionsarbeit an den gebildeten Klassen der Mo- 
hammedaner in Kairo, und in seinen abgelegenen 
großen Räumen finden oft angeregte Verhandlungen 
mit jungen, nach der Wahrheit suchenden Mohamme- 
danern statt. In dem Saal im Obergeschoß dieses 
Hauses trat am 4. April eine internationale Konferenz 
von evangelischen Missionsarbeitern zusammen, um 
gemeinsam über die besonderen Aufgaben und 
Schwierigkelten der Mohammedaner-Mission zu be- 
raten. Es war die erste derartige Konferenz; und 
es ist ein erhebender Gedanke, fünf Tage lang 
Missionare aus allen Ländern des Islam in ernster 
Beratung vereinigt zu sehen, um miteinander eins 
zu werden, wie am besten dleser große Widersacher 
durch die christliche Mission überwunden werden könne. 
Die Liste der Delegierten wies 62 Namen auf. 
Es waren gegen 30 Missionen vertreten, am stärksten 
die von Agypten und der Türkei mit Syrien, recht 
gut aber auch Arabien, Indien und Persien. Was 
Nationalität und Sprache betrifft, so hatten Ameri- 
koner und Engländer, wie immer in der Mission, 
das Ubergewicht; doch war auch der Kontinent ver- 
treten, und der Geist brüderlicher Gemelnschaft war 
so stark, daß sich auch nicht ein Schatten von natio- 
naler Eifersucht zeigte. Von den deutschen Missionen 
waren vertreten: Basel durch den Missionssekretär 
Würz, Barmen durch Pastor von Velsen aus Unna, 
die deutsche Ortentmission durch Dr. Lepsius und 
Pastor Avetaranian und die deutsche Sudanmission 
durch Missionar Enderlin. Auch unter den Gästen 
befanden sich einige Deutsche. 
Es ruhte ein großer Ernst auf den Verhand- 
lungen. Man stand in Feindesland, die meisten
	        
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