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In seinem persönlichen Verhältnis zu den
übrigen Eingeborenen Südafrikas nimmt der
Buschmann die tiefste Stelle ein. Die Busch-
männer sind wohl von allen südafrikanischen
Menschenrassen dem Hottentotten am ältesten
verbunden. Aber wann und wie sie seine Sklaven
wurden, wissen wir nicht. Sie werden mit Ver-
achtung und äußerster Strenge behandelt. Vieh-
diebstahl, den sie, als besitzlos, nicht mit Eigen-
tumsstrafen büßen können, verwirkt meist den
Tod. Das nomadisierende Jägerleben der kläg-
lichen Buschmannsreste im Namaland läßt einen
Anschluß ihrer Familien an die ihrer Herren meist
nicht zu und läßt das Abhängigkeitsverhältnis
lockerer erscheinen, als man gewöhnlich mit dem
Begriff des Sklaventums verbindet. Es ist
weniger auf Zwang begründet als auf freiwilliger
Unterordnung des Schwächeren, in der Erwartung
kleiner Vorteile im Lebensunterhalt, wenn auch
mit dem Bewußtsein völliger Rechtlosigkeit im
Hintergrunde.
Enger sind die Bergdamara oder „Klipp-
kaffern“ der Hottentottenfamilie angegliedert.
Auf den rätselhaften Ursprung und die ethno-
logischen Merkmale dieser tiefschwarzen, gedrun-
genen, mittelgroßen Menschen gehen wir ebenso-
wenig wie auf die der Buschmänner ein; auch
hier interessiert uns nur die Stellungnahme der
Hottentotten. Die erste Berührung der Hotten-
totten mit den Bergdamara reicht über die Zeit
zurück, aus der uns geschichtliche Daten überliefert
sind. Denn schon Pieter Brand, der Begleiter
des entdeckungsfreudigen Willem van Reenen,
der im September 1791 eine Expedition in das
Groß-Namaland führte, fand bei den Bergdamara
die Sprache der Hottentotten im Gebrauch; die
eigene Muttersprache schien damals schon wie
heute vergessen gewesen zu sein. Obwohl die
Bergdamara unter deutscher Schutzherrschaft ihre
Freiheit erhalten haben und wie vom Joch der
Herero, so auch von dem der Hottentotten befreit
sind, sind sie doch bei den letzteren, wie die Busch-
männer, vielfach in freiwilliger Abhängigkeit als
Hausgesinde geblieben. Obwohl allgemein als
gutartig und anleitsam bekannt und dement-
sprechend vom Weißen geschätzt, ist dem Berg-
damara der geringschätzige Name, den seine
Unterdrücker ihm gegeben haben, doch geblieben.
Der Hottentott neunt die Bergdamara „Sch.
kaffern“, ich hörte auch, wie sie als „Mistmenschen“
bezeichnet wurden.
Von den Stämmen, die man auf Grund
ihres gemeinsamen Sprachbaues als Bantu zu-
sammenfaßt, können wir die Ovambo und die
Betschuanen, als nur gelegentlich mit den Hotten-
totten in Berührung gekommen, übergehen. Nur
mit einem Bantustamm haben die Hottentotten
in Jahrhunderte alter Feindschaft ihre Kräfte ge-
messen, mit den Ovaherero, die vor etwa hundert
Jahren von Nordosten in die Länder südlich des
Kunene eindrangen. Vom Hottentottenstamm der
„Roten Nation“ und dem Anhang Jonker
Afrikaaners wurde um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts die Macht der andrängenden
Herero gebrochen. Von Anfang der sechziger
Jahre ab wandte sich aber das Blatt, und nach
blutigen Kämpfen unterlagen die Hottentotten
endgültig. Zu einem Abhängigkeitsverhältnis der
Sieger und Besiegten, ähnlich dem der Hotten-
totten und Bergdamara, ist es nicht gekommen.
Der reiche Viehbesitz, um den sich die ganzen
Kämpfe drehten, hat dem Herero den Namen
„Rinderkaffer“ gegeben. Eine andere spöttische
Bezeichnung für die Herero ist „die Menschen-
kinder mit Fellschuhen, die sich nicht umsehen:
Der verschlagene Hottentott, der nie einen Platz
verlassen wird, ohne zurückzusehen, um sich zu
orientieren, was hinter seinem Rücken vorgeht,
gibt der Achtlosigkeit seines Gegners mit diesem
Spitznamen Ausdruck.
Die erste Berührung der Hottentotten
mit dem weißen Mann fällt in das Ende des
15. Jahrhunderts, in die Glanzzeit der Portu-
giesen. Neugierde und Wissensdurst auf der
einen, Furcht auf der anderen Seite waren die
begreiflicherweise vorherrschenden Empfindungen
bei der ersten Begegnung. So mußten Vasco
da Gamas Leute die Eingeborenen, die sie im
November 1497 am Fuße eines Hügels in der
St. Helenabai entdeckten, umzingeln und wie ein
Stück Wild einfangen, um überhaupt mit ihnen
Fühlung zu gewinnen. Die gute Behandlung
des einen glücklich Gegriffenen und reich beschenkt
wieder Entlassenen lockte andere seines Stammes
zäum Schiff; auch sie kamen auf ihre Rechnung,
und so war man beiderseits im besten Ein-
vernehmen.
Mißtrauen, in der Unmöglichkeit begründet,
sich ausreichend zu verständigen, zerriß bald das
eben geknüpfte Band. Der Soldat Fernäo Veloso
war auf dem Weg, die Eingeborenen zu ihrem
Dorfe zu begleiten, als er Verdacht an ihrer
rechtlichen Gesinnung schöpfte und eilig zum Schiff
sich zurückwandte. Die Hottentotten folgten ihm
— wie es schien, nicht in feindlicher Absicht, denn
es wäre ihnen leicht gewesen, ihn niederzumachen;
die Mannschaft an Bord wurde mobil gemacht,
Bewaffnete an Land gesetzt, und mit blutigen
Köpfen trennten sich die Parteien, ohne offenbar
zu wissen, was denn der Grund des ganzen Auf-
tritts gewesen war. Mißtrauen scheint auch die
Ursache einer Plänkelei gewesen zu sein, die um
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