Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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wollgebiet in Sadani plant der Staatssekretär 
die Bildung einer Baumwollbau= und Bewässe- 
rungs-Genossenschaft zum Zweck eines gemein- 
schaftlichen Kanalbaues unter Staatsgarantie. 
Als wichtigstes Ergebnis der Reise erhofft man 
ein schnelleres Tempo im Eisenbahnbau 
dieser Kolonie, der neben der Lösung der Wasser- 
und Arbeiterfrage die Vorbedingung für einen 
rationellen Baumwollbau größeren Stiles bildet. 
Schließlich fallen auch noch die Bestrebungen 
des Präsidenten der Vereinigten Staaten 
Amerikas ins Gewicht, das mit den Trusts zu- 
sammenhängende Spekulantentum nach Möglich- 
keit einzuschränken.“ 
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Eine Zusammenstellung der „Baumwoll- 
industrie der Welt 1906“, die insgesamt 
122 380 000 Spindeln und 2 300 000 Webstühle 
umfaßt und die „der deutschen Baumwoll- 
industrie“", die insgesamt 9 730 209 Spindeln 
und 231 199 Webstühle und weit über eine 
Million Arbeiter beschäftigt und einen jährlichen 
Produktionswert von über einer Milliarde Mark 
schafft, ist in dem Bericht des Komitees durch 
eine graphische Darstellung veranschaulicht. 
Eine ernste Mahnung an die im Bezug von 
Rohbaumwolle abhängigen Länder zeigt eine 
Skizze der prozentualen Zunahme ihrer 
Industrie gegenüber der Zunahme der 
Industrie in den Baumwollproduktions-= 
gebieten. WMährend die Textilindustrie von 
1890 bis 1906 in England nur 14 v. H. und 
auf dem europäischen Kontinent nur 41 v. H. 
zugenommen hat, hat im gleichen Zeitraume die 
Textilindustrie in dem Hauptproduktionsgebiet, den 
Vereinigten Staaten, die enorme Steigerung von 
74 v. H. erfahren, ihm folgt Ostindien mit 55 v. H. 
Die Schaffung eigener Produktionsgebiete, die 
mit der Zeit eine wenigstens teilweise Unab- 
hängigkeit von Amerika ermöglichen, kann als 
eine Lebensfrage für die Textilindustrie der baum- 
wollabhängigen Länder bezeichnet werden. 
Der koloniale Baumwollbau aber kostet zu- 
nächst Lehrzeit und Lehrgeld, wie dies in den 
Berichten über die deutschkolonialen Baumwoll- 
unternehmungen immer wieder hervorgehoben 
worden ist. Die großen Schwierigkeiten, die 
einem rationellen Baumwollbau mit moderner 
Technik in Afrika entgegenstehen, sind mehrfach 
betont worden. Auch Amerika hat erst nach einer 
Reihe von Versuchs= und Lehrjahren die ersten 
10 000 Ballen auf den Markt gebracht. 
In Würdigung des für unsere heimische 
Volkswirtschaft und Sozialpolitik bedeutungsvollen 
Kulturwerkes und in der Erkenntnis der mit 
einer neuen Kultur in noch rohen Ländern ver- 
  
bundenen Schwierigkeiten hat eine gemeinnützige 
Körperschaft die Einführung des Baumwollbaues 
in den deutschen Kolonien sich zur Aufgabe ge- 
stellt. Die Baumwollkonferenzen im Aus- 
wärtigen Amt (Kolonial-Abteilung) vom 24. März 
1902 und im Reichsamt des Innern vom 6. März 
1907 haben das Kolonial-Wirtschaftliche Komitce 
bzw. dessen Baumwollbau-Kommission mit der 
dauernden Wahrnehmung der Baumwollbau- 
Interessen betraut. Das Komitee wird sich trotz 
gelegentlicher Rückschläge nicht beirren lassen, die 
nationale Aufgabe einer glücklichen Lösung ent- 
gegenzuführen; Vorbedingung ist allerdings, daß 
das Werk durch Regierung und Reichstag, durch 
die Textilindustrie und das gesamte deutsche Volk 
dauernd tatkräftig unterstützt wird. 
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*# 
Hinsichtlich der einzelnen deutschen Schutz- 
gebiete wird in dem Bericht des „Kolonial= 
Wirtschaftlichen Komitees“ bemerkt: 
„In Togo ist Kronland nicht vorhanden. 
Das Land ist vorwiegend im Besitz der Einge- 
borenen. Der Baumwollbau ist demgemäß als 
Volkskultur eingeführt worden. Zu Versuchs- 
und Lehrzwecken, insbesondere zur Ausbildung 
von Baumwollfarmern und zur Verbesserung der 
Qualitäten ist die Ackerbau- (Baumwoll-) Schule 
Nuatschä geschaffen worden. Zur Ausbreitung 
der Baumwolleingeborenenkultur errichtet das 
Komitee fortgesetzt neue Entkernungsanlagen und 
Aufkaufmärkte, die sich etappenmäßig nach dem 
Innern der Kolonie vorschieben. Das sichtbare 
Vertraunen des Europäers auf die Rentabilität 
des Baumwollgeschäftes stärkt das Vertrauen des 
Eingeborenen zum Baumwollbau. Sobald die 
Verhältnisse die Umwandlung in ein Erwerbs- 
unternehmen zulassen, gibt das Komitee seine 
Unternehmungen an solche direkten Interessenten 
ab, welche sich verpflichten, dieselben zu gleichen 
Zwecken wie bisher weiter zu betreiben. Die 
dadurch frei gewordenen Mittel finden für weitere 
Pionierarbeit Verwendung. Zur Sicherstellung 
der eingeborenen Bevölkerung gegen irgendwelche 
Verluste gewährleistet das Komitee die Abnahme 
jeder Menge Baumwolle zu einem bestimmten, 
vor der Pflanzzeit veröffentlichten Taxpreise. 
Außerdem sorgen Regierungsstationen und Komitce 
für Gewinnung und Verteilung von ausgewähltem 
Saatgut. Der Mangel einer Eisenbahnlinie nach 
dem Hinterland und die in weiten Gebieten 
herrschende Tsetsekrankheit halten die wirtschaft- 
liche Entwicklung der Kolonie und damit auch 
den Baumwollbau noch zurück. Bei den be- 
stehenden Verhältnissen haben sich indessen die 
Baumwollschule, die Verteilung von Saatgut, 
die Entkernungsanlagen und Aufkanfmärkte, so-
	        
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