Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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hängig von der sozialen Stufe, auf welcher sich der 
Beurteilende befindet. Das Erfreuliche an den 
Kolonien ist gerade, daß sie ein verhältnismäßig 
freies Feld geben für die uneingeschränkte Betäti- 
gung eines zivilisierten Volks, wie des deutschen, 
nach der Richtung der libertragung der ethischen 
Ideale, der kulturellen Fortschritte, seiner vorge- 
schrittenen wirtschaftlichen Entwicklung. 
Wie es alle kolonisierenden Nationen erfahren 
haben, ist zwar die kolonisatorische Aufgabe eine 
schöne, aber auch eine ungemein schwierige und mit 
erheblichen Ausgaben verbundene. Die Nation, 
welche hierfür die Erkenntnis oder die Voraus- 
setzungen nicht hat, wird nicht erfolgreich koloni- 
sieren können, und es ist ein Prüfstein auf das 
Selbstbewußtsein einer Nation, auf ihr ideales 
Streben und ihre materiellen Mittel, wie sie sich 
einer solchen Aufgabe gegenüberstellt. Für uns 
Deutsche ist die Periode, in der wir leben, dieser 
Prüfstein, wo die materiellen Erfolge noch kleiner 
sind, als man sie nach den aufgewandten Mitteln, 
und zwar unverständigerweise, verlangte, da Un- 
glücksfälle, wie drei Aufstände in drei Jahren, große 
Anforderungen an die Opferfreudigkeit der deut- 
schen Nation gestellt haben, und es steht jetzt zur 
Frage: Fühlt sich die Nation innerlich kräftig und 
stolz genug, eine einmal begonnene Kulturaufgabe 
nicht aufzugeben, fühlt sie sich reich genug, weitere 
Ansgaben zu machen, die nicht unmittelbar ren- 
liercn, oder will sie sich in Kleinmut, unter aller- 
hand Angstlichkeiten und gedeckt durch den Dampf, 
den die Kanoniere der Kolonialskandale erzeugen, 
zurückziehen? Daß es Politiker gibt, welche die 
Kolonten aufgeben wollen, unterliegt heute keinem 
Zweifel. Daß andere sehr scheu geworden sind, steht 
leider sest, daß eine gewisse Müdigkeit eingetreten 
ist, ist nicht zu bezweifeln. Demgegenüber gilt es 
jetzt festzustellen, ob die deutsche Nation noch glaubt, 
eine größere Mission erfüllen zu können, die ge- 
wisse Anforderungen an sie in allen ihren Teilen 
stellt, oder ob sie materialistisch beguem und ge- 
danlenträge ausgetretene und unrühmliche Pfade 
wandeln will. Daß diese Pfade, gegenüber einer 
ganzen Anzahl zielbewußter Nationen, die ihre 
eigenen Hilfsquellen immer mehr und mehr zu einer 
geschlossenen Wirtschaft ausbilden, auch materiell 
unser Volk in einen Sumpf führen werden, ist klar. 
Nicht mit Unrecht hat man dem deutschen Volk 
die Bezeichnung des Volks der Denker und der Dich- 
ter beigelegt, und so hart auch der geistige Wett- 
kampf der Nationen gewesen ist, so hat doch Deutsch- 
land seine Position, in Hinsicht auf die Geistes- 
wissenschaften an der Spitze der Kulturnationen zu 
marschieren, stets zu verteidigen gewußt. Neben 
diesen älteren Eichenkranz hat das letzte Jahr- 
hundert einen zweiten gehängt, das Jahr- 
hundert, in dem Deutschland an die Spitze der Na- 
  
tionen in bezug auf die angewandte Wissenschaft, 
auf die Technik getreten ist. Diese Mittel 
aber sind die modernen Mittel der 
Erschließungfremder Weltteile, der 
Hebung niedriger Kulturen, der 
Verbesserung der Lebenslage für 
Schwarze und Weiße, und es ergeht an das 
deutsche Volk die Frage: Will es hinsichtlich seines 
Kolonialbesitzes verzichten auf die Stellung, die es 
sich im heißen, ernsten und edlen Wettstreit erworben 
hat, die erste zu sein in bezug auf die Geisteswissen- 
schaften, die erste in bezug auf die angewandte Tech- 
nik. Das ist die große Frage der Stunde, und ich 
bin sicher, wenn sie klar und deutlich der Nation 
vor Augen geführt wird, wird die Antwort ein 
energisches Nein sein. 
Wenn ein Mißmut über die großen Opfer ent- 
standen ist, so liegt das zum großen Teil daran, daß 
es in die breiten Schichten unseres Volkes bisher 
noch nicht gedrungen ist, was denn eigentlich Koloni- 
sation heißt, weil diese Probleme den Binnendent- 
schen doch sehr fern liegen. Ich halte es auch nicht 
für unnützlich, hier ganz kurz darüber zu sprechen. 
Kolonisation, ganz gleichgültig, ob es sich um Plan- 
tagenkolonien oder um Ansiedelungskolonien han- 
delt, heißt die Nutzbarmachung des 
Bodens, seiner Schätze, der Flora, 
der Fauna und vor allem der Men- 
schen zugunsten der Wirtschaft der 
kolonisierenden Nation, und diese ist 
dafür zu der Gegengabe ihrer höhe- 
ren Kultur, ihrer sittlichen Be- 
griffe, ihrer besseren Methoden ver- 
pflichtet. 
Angewandt meint dieser Satz aber, daß das 
ganze Bild eines solchen in Kolonisation genom- 
menen Landes sich von Grund aus ändert. Es 
ändert sich zunächst und von dem Gesichtspunkte des 
Naturhistorikers auch leider die ganze Faung. Es 
verschwinden die wilden und gefährlichen Tiere: in 
den meisten Fällen setzt der Europäer Prämien auf 
deren Erlegung. Es verschwinden die nicht zähm- 
baren Nutztiere, die ihres Elfenbeins, ihres Felles 
uUsw. wegen erlegt werden, und es treten an ihre 
Stelle andere Nutztiere, die importiert werden. Mit 
dem Verschwinden dieser Tiere und der Anzucht an- 
derer ändert sich aber natürlich auch ein Teil der 
Beschäftigung des Eingeborenen. Ebenso ändert 
sich die Flora, teils wird sie vom Eingeborenen 
raubbaumäßig ausgebeutet, weil hohe Preise für 
die Produkte gezahlt werden, z. B. für Gummi, teils 
sällt sie der wirtschaftlichen Kultur mit besseren 
Methoden zum Opfer. Der Urwald wird teils aus- 
gerodet, teils forstmäßig verwaltet, die Dschungeln 
werden durch Bahnen und Straßen durchbrochen. 
Aus Gründen der Schiffahrt und der Hygiene wer- 
den Wasserläufe korrigiert. Alles dies ändert natur-
	        
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