G 1199 20
lieber an Bahnen, als daß er auf Plantagen
arbeitet. Die Abneigung will die Regierung, der
alle Erwerbsstände des Schutzgebiets am Herzen
liegen, gern nach Kräften überwinden helfen,
denn es ist die einzige Schwierigkeit, die sich dem
intelligent betriebenen und wirtschaftlich wert-
vollen, ja für gewisse Produktion unentbehrlichen
Plantagenbau zur Zeit entgegenstellt. Also
das Material ist gut, aber zur Zeit noch sehr
roh, es ist für ein wirkliches Blühen des Landes
weder dicht noch langlebig genug. Aus dieser
Situation ergeben sich außerordentliche Aufgaben
für den Arzt und Wissenschaftler in der Be-
kämpfung der Seuchen und Krankheiten,
in der Hygiene und Kindererhaltung. Ebenso
aber wird notwendig die Verbesserung von Kultur-
methoden und Pflanzenarten, Schutz von Wald
und Wasserstellen, vor allem Bekämpfung der
Viehseuchen, die jährlich Millionen Werte hinweg-
raffen und weite Gebiete für Last= und Nutztiere
unpassierbar machen. Hier liegt die Hauptauf-
gabe für lange Jahre. Sie ist es wert, daß die
deutsche Wissenschaft und Technik ihre besten
Kräfte einsetzen. Hat die Deutsche Kolonial=
gesellschaft bisher für die Förderung des weißen
Elementes schon viel getan und wird sie, wie ich
hoffe, in allen diesen ihren Unternehmungen vollen
Erfolg haben und weiter Segen spenden (wie
ihn zum Beispiel jenes schöne Haus in Windhuk
spendet, welches den Namen einer um die deut-
schen Kolonien unendlich verdienten Fürstin und
Frau tragen darf), so öffnet sich auch für jene
Gebiete, in denen Weiße nicht erxistieren können,
ein großes fruchtbares Feld, auf dem die Ge-
sellschaft wie bisher auch in Zukunft nicht ver-
sagen wird. Deshalb wünsche ich nicht nur im
Interesse der Allgemeinheit, sondern auch aus
einem verzeihlichen Ressortpartikularismus der
Gesellschaft aus vollem Herzen ein weiteres
glückliches Gedeihen zum Nutzen der deutschen
kolonialen Sache und damit einer wahren vater-
ländischen Aufgabe.
Rede, gehalten auf Einladung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Oldenburg
zu Oldenburg am 9. Dezember 1007.
Staatssekretär Dernburg dankte zunächst dem
Großherzog dafür, daß er ihm durch seine Ein-
ladung Gelegenheit gegeben habe, auch an der
Waterkant für die Sache zu wirken, die ihm so
am Herzen liege, und fuhr dann fort: Ich glaube
nicht richtig zu tun, hier ein umfangreiches kolo-
nialpolitisches Programm zu entwickeln. Will
man dies, so würde die Zeit und Gelegenheit
nicht zureichen, auch würden mit Recht Reichstag
und Bundesrat, die einen ersten Anspruch haben,
unzufrieden sein können. Ich bitte mir daher zu
gestatten, lieber in mehr berichtender Weise vor-
tragen und dabei von Zeit zu Zeit solche Aus-
blicke und Erwägungen einflechten zu dürfen, wie
sie der Gegenstand darbietet.
Als wichtigste Episode meiner Reise kann ich ohne
weiteres den Marsch ins Innere bezeichnen.
Einmal deshalb, weil die Fragen der Beschaffung
von Arbeit, die die Weißen an der Küste be-
wegen, nur aus einer Kenntnis der Verhältnisse
dort beurteilt werden können, wo die Arbeiter
hergezogen werden müssen. Dann, weil, wenn
man Bahnen und Wege ins Innere bauen will,
wo weder weiße Ansiedler noch Plantagen unter
weißer Leitung bestehen, man die Basis für eine
Rentabilität — und ohne eine solche darf man
Bahnen nicht bauen — nur im Innern finden
kann, wobei alles darauf ankommt, daß man die
Entwicklungsfähigkeit von Eingeborenen und deren
Kulturen richtig und vorsichtig einschätzt. Drit-
tens, weil ein sicheres Bild über die Zustände
selbst im größten Teil des Schutzgebietes an der
Küste überhaupt nicht erhältlich war.
Es ist doch eigentümlich, daß die wenigsten
Weißen, die in Ostafrika ihr Geschäft treiben, das
Land kennen, daß noch nie ein aktiver Gonver-
neur im Zentrum von Deutsch-Ostafrika geweilt
hat, daß keiner derjenigen Beamten, welche in
Daressalam die Zentralverwaltung bilden und
mit dem Gouverneur die Verantwortung teilen,
jemals über den Küstensaum hinausgekommen ist.
Deshalb erschien es mir nicht zu umgehen, ehe
ich auf die Wünsche von Pflanzern und Ansiedlern
an der Küste eine entscheidende Antwort gebe, ehe
ich dem deutschen Volk einen Vorschlag über den
Bau von Bahnen ins Innere machte, ehe ich
mir ein Urteil zutrauen wollte über die weitere
Entwicklung unseres Schutzgebietes, selbst mit nicht
unerheblichem Zeitaufwand in das Herz des
Landes zu marschieren.
Ein erstes und großes Stück kann man mit
der Bahn fahren, allerdings mit keiner deutschen.
Denn selbst die jetzt beendete Morogorobahn
erschließt mit ihren 220 km nicht mehr als knapp
½⅛ der Querausdehnung unseres Schutzgebietes.
Dagegen haben, wie ja wohl bekannt, vom Hafen
Mombassa bis nach Kisumu am Viktoria-Nyansa
die Engländer eine Eisenbahn gebaut, und mit
ihrer Hilfe und der von England eingerichteten
Schiffahrt auf dem Viktoria-Nyansa kann man
das Zentrum unseres Schutzgebietes leichter er-
reichen, als auf dem Marsch von der Küste, einem
1