Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Indien und werden überall, in kleineren Stellen, 
besonders auch als Regierungsbeamte verwandt. 
Die Vorarbeiter auf der Werft sind Inder; die 
ganze technische Bedienung des Schiffes besorgen 
Schwarze. 
Da der Viktoria-Nyansa in seiner Mitte noch 
unbekannt und an seinen Küsten nicht befeuert 
ist, fahren die Schiffe nur bei Tage. Es ist ein 
merkwürdiger Kontrast — jene vollendete Behag- 
lichkeit, mit der man über die tiefblauen Fluten 
dieses Binnenmeeres von der Größe Bayerns 
fährt, und die zum Teil kahlen, ganz menschen- 
losen Inseln und Küsten, welche die Schlafkrankheit 
in dem letzten Jahrzehnt entvölkert hat, so ent- 
völkert, daß man nahezu in Kisumu keinen Fisch 
mehr erhalten kann, weil die Fischer ausgestorben 
sind. Die Größe der Aufgaben und die Gefahr 
des Zustands wirken so mächtig, daß man nur 
voller Bewunderung und Dank der deutschen Ge- 
lehrten denkt, besonders des Geheimrats Koch, 
die im Interesse der Menschlichkeit und Zivilisa- 
tion unter großen persönlichen Gefahren diesem 
furchtbaren Feinde sich entgegengestellt haben. 
Die Dampfer bringen nun den größten Teil 
der Fracht für die Ugandabahn in Kisumn zu- 
sammen. Sie besteht aus Baumwolle, die in 
Britisch-Uganda von Eingeborenen gezogen und 
dort Volkskultur geworden ist; auch aus Gummi, 
der auf diesem als dem nächsten Wege vom öst- 
lichen Kongostaat kommt, aus Rinderhäuten, Zie- 
gen= und Wildfellen, die aus dem deutschen Gebiet 
kommen, aus Wachs, das in Deutsch-Ostafrika 
gesammelt wird, aus Elfenbein und Erdnüssen, 
aus Reis und Mais, die in den deutschen Häfen 
eingehandelt werden. Es ist sehr interessant, hier 
eine kurze finanzpolitische Erwägung anzustellen. 
110 Millionen Mk. hat die Bahn gekostet, 
4 Millionen Mk. wird die jährliche Verzinsung 
sein, 800 000 Mk. ist zur Zeit der reelle Über- 
schuß, d. h. über 3 Millionen Mk. bleibt diese 
Bahn heute hinter ihrer Verzinsung zurück. Nichts- 
destoweniger ist sie eine Kulturtat ersten Ranges, 
die wirtschaftlich allerdings zunächst uns Deutschen 
zugute kommt. Ich habe bereits gesagt, daß sie 
ein ungeheures Kolonialreich sichert. Sie wissen 
alle selbst, was Kolonialtruppen kosten; in Ost- 
afrika umfaßt das Kapitel 2 des Etats „die Militär- 
verwaltung“ heute noch nahezu 3½ Millionen Mk., 
in Südwest gar noch beinahe 24 Millionen Mk. 
55 Prozent der gesamten Frachten der 
Ugandabahn kommen aus dem deutschen Gebiet. 
Bukoba, Muansa und Shirati sind die Häfen. 
1 800 000 Mk. macht der deutsche Anteil aus, 
um den die Güter auf der Ugandabahn billiger 
befördert werden als eine mäßige Verzinsung ver- 
langen würde. Aber welche Wirkung hat die 
Bahn auf die Entwicklung unseres Schutzgebiets 
  
gehabt! 9 Millionen Mk. Handel und zwar aus- 
schließlich Eingeborenenhandel, hat sie für das 
Jahr 1907 in diesen 3 Häfen möglich gemacht. 
600 000 Mk. Zölle haben wir bei diesem Handel 
eingenommen, über 1 Million Eingeborene sind 
in das Produktionsstadium eingetreten, nahezu 
1 Million Hüttensteuern sind wir in der Lage, 
infolge dieser Produktionsfähigkeit einzuheben. 
Aber auch der englische Verkehr, das Aufblühen 
von Mombassa ist eine Folge dieser Bahn. Daraus 
können wir zunächst zweierlei lernen, erstens, 
daß der Nutzen einer Eisenbahn nicht bemessen 
werden kann nach dem, was sie selbst aufbringt, 
sondern daß die allgemeine Hebung des Landes 
und die daraus entstehenden fiskalischen Gefälle 
die nächste Wirkung zu bilden pflegen, und daß 
die Einnahmen, die die Landesverwaltung hat, 
genügende Summen liefern, um eine Bahn 
auch rentabel zu bauen, zweitens aber, 
daß Erschließungsbahnen für fremde Länder 
durch eigene nicht produktionsfähige Gebiete kein 
Geschäft sind, das sich zahlt. Das müssen sich 
diejenigen überlegen, die mit Rücksicht auf den 
Verkehr, der aus Britisch-Zentralafrika und dem 
Kongostaat über den Nyansa zu holen wäre, 
den Bau einer Südbahn in Ostafrika zunächst 
befürwortet haben. Die Folgen müssen absolut 
identisch sein mit denen, die bei der Ugandabahn 
eingetreten sind. Man würde diese beiden ge- 
nannten fremden Länder wirtschaftlich und fiskalisch 
entwickeln, und weil diese Einnahmen Fremden 
zufließen, für die eigene Bahn keine oder nur 
eine sehr bescheidene Rente erwarten dürfen. 
Macht man die nördliche Rundfahrt um den 
See, so ist der deutsche erste Landungsplatz 
Bukoba. Es ist eine offene Reede mit starkem 
Seegang und deshalb sehr ungeeignet, so daß 
die Verlegung der Station trotz vielem, was da 
Gutes geschaffen ist, in eine der besser geeigneten 
nahen Buchten ins Auge gefaßt werden muß. 
Der Bukobabezirk ist eine sogenannte Residentur, 
d. h. man hat klugerweise dort eine ausgedehnte 
deutsche Verwaltungstätigkeit nicht vorgenommen, 
sondern herrscht mit und durch die eingeborenen 
Fürsten, was um so leichter ist, als es deren 
nicht sehr viele gibt, jeder ein verhältnismäßig 
sehr großes Volk befehligt und die Herrschaft eine 
sehr absolute ist. Denn dem herrschenden Recht 
nach gehört Grund und Boden und was darauf 
wächst, Menschen und was sie besitzen, dem 
Fürsten absolut und ohne Einschränkung. Die 
deutsche Verwaltung hat sich mit Erfolg bemüht, 
diesen sehr barbarischen Rechtszustand zu ersetzen 
durch einen besseren, für den an Stelle des Eigen- 
tums die Verpflichtung zu einer Abgabe tritt, 
und in dem Rechtspflege durch Weiße nach und 
nach verbreitet wird. Die Bevölkerung ist ein
	        
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