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und Nahrung der Eingeborenen in Gefahr kommt.
Da der Eingeborene im Vergleich zur Plantage
eben keine Vorkosten und Zinsen hat, so kann der
Preis unendlich tief heruntergehen; alles, was die
Sache bringt, ist noch Nutzen. Es ist vielleicht
nicht genug, um zu dem Anbau zu reizen, er
wird sich nicht ausdehnen, aber daß er ganz er-
lischt, dagegen schützt die Notwendigkeit, gewisse
fiskalische Abgaben zu zahlen und dafür ent-
sprechende Exportkultur zu pflegen.
Es ist deshalb mein Bestreben gewesen, im
Schutzgebiet einen genauen Einblick in die Wirt-
schaftsweise zu bekommen, damit alle Erwerbs-
stände in gleicher Weise zu ihrem Recht kommen
und nicht nur die Plantagen einerseits geschützt
werden, sondern auch anderseits das Schutzgebiet
vor einer Entwicklung bewahrt wird, die große
Gefahren in sich bergen kann. Ich bin mir der
großen Verantwortung wohl bewußt, die darin
liegt, diese Dinge offen darzulegen, aber ich weiß,
daß ich diese Verantwortung nicht nur deutschem
Kapital gegenüber trage, das in den Kolonien an-
gelegt ist, sondern auch den vielen Millionen
Menschen gegenüber, die sie beherbergen.
Um die Station Bukoba hat sich schnell eine
Ansiedelung von Händlern, meistens Indern,
etabliert, obschon auch mehrere europäische
Handelshäuser, und zwar zwei deutsche, ein ameri-
kanisches und ein italienisches, sich dort nieder-
gelassen haben, um einen direkten Export der für
Handschuhleder unentbehrlichen Felle in die be-
treffenden Konsumländer zu leiten. Die euro-
päischen Häuser treiben Großhandel; aber auch
sie bedürfen der deutschen Tauschprodukte. Der
Inder betreibt im wesentlichen Kleinhandel, aber
auch er steht nicht etwa direkt zwischen dem
Großhändler und dem Eingeborenen, sondern
auch er rüstet wieder andere mit Tauschwaren
aus, damit sie in das Land ziehen, die Export-
waren aussuchen und sie auf dem Tauschwege
erwerben. Ich will hier auf die Inderfrage nicht
eingehen, nur das will ich sagen, daß die Kon-
struktion des ostafrikanischen Handels eine ziemlich
feine und komplizierte ist, in die man nicht mit
rauher Hand eingreifen darf. Derjenige, der mit
den Eingeborenen direkt verkehrt, ist gewöhnlich
ein Suaheli oder Wanjema von der Küste oder
ein Wanjamwesi aus dem Innern, denn auch
dieses Volk hat erhebliche Erwerbsinstinkte. Und
so geht denn die Ware vom Eingeborenen auf
den Eingeborenenhändler, von ihm auf den in-
dischen oder deutschen Grossisten über und von
da in den Weltverkehr. Der Tauschwaren sind
mancherlei, hauptsächlich baumwollene Tücher, die
aus Indien und Holland kommen oder in ihren
besseren Qualitäten aus Amerika, Perlen und
Draht, daneben aber viele nützliche Gegenstände
aus Email, Blech und Eisen, das nach und nach
seiner größeren Haltbarkeit und leichteren Reini-
gung halber die eingeborenen Ton= und Kürbis-
gefäße zu verdrängen sucht. Die kostbarsten und
vom Eingeborenen begehrtesten Handelsartikel
aber sind (mit Ihrer Erlaubnis) alte Hosen
und Röcke, die ihren Weg von der Großen
Friedrichstraße bis nach Bukoba finden, in großen
Lagern dort aufgestapelt sind und für die die
Eingeborenen in der dem Neger allüberall eigenen
Nachahmungssucht exorbitante Preise bezahlen.
Ich versage es mir, hier des näheren auf
die Besuche einzugehen, die ich in der Bukobaer
Gegend sowohl bei den dortigen eifrigen und
verdienstvollen Missionaren gemacht habe, und
auf die schwere und entbehrungsvolle und nur
langsam fortschreitende Arbeit, die die Mission
überhaupt im Schutzgebiet leistet, als auch auf
den höchst instruktiven Besuch, den ich bei einem
der eingeborenen Sultane, dem Sultan Krahigi,
gemacht habe. Denn wenn ich bei all diesen
Dingen verweilen wollte, so interessant und lehr-
reich sie auch waren, würde die für einen Vor-
trag mögliche Zeit stark überschritten werden.
Von Bukoba fährt man einen Tag nach
Muansa, der deutschen Hauptstation am Viktoria-
Nyansa und dem Sitz eines Bezirksamts, einer
Beamten= und Inderstadt, wie überall umgeben
von Hütten der Eingeborenen. Hier betritt man
das Land Usukuma, welches, soweit es zum
Muansabezirk gehört, ungefähr ½ Million Ein-
wohner hat. Von da sollte dann unser Üüber-
landmarsch nach Tabora beginnen. Um Ihnen
zu zeigen, wie langsam und beschwerlich, vor
allem wie zeitraubend das Reisen im Innern
Afrikas noch ist, will ich Ihnen die Karawane
beschreiben, die wir zusammenzustellen hatten, um
bei dem Mindestmaß von Komfort und Sicherheit
einen etwa 30 tägigen Marsch zu unternehmen.
Ich tue dies deshalb, um Ihnen zu zeigen, daß,
wenn auch bei Bahnverbindungen aus dem Per-
sonenverkehr, besonders der Weißen, nie eine er-
hebliche Rente herauskommen wird, doch der
ganze Gang der Verwaltung eine ungemeine Er-
leichterung erfährt. Es ist von einem Gouverneur
und seinen Beamten nicht zu erwarten, daß sie,
um einen Innenbezirk zu besichtigen, sich drei
Monate auf die Reise begeben. Da muß ja doch
zu Hause alles stocken, besonders wenn der Be-
treffende von jeder brieflichen Nachricht abge-
schnitten und lediglich auf einen Telegraphen
angewiesen ist. Es können auch Beamte nicht
entsprechend ersetzt werden, und die ganze Ver-
waltung wird so ungeheuer teuer durch die Reise-
kosten und Tagegelder, die entstehen, daß schon
hieraus ein nicht unerheblicher Betrag erspart
werden wird, wenn wir die Verbindung haben.