Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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sind, und die man, wenn sie nicht gerade Träger- 
dienste tun, selten ohne die Muskete in der Hand, 
mit dem scharf geschliffenen Haumesser in einer 
Holzscheide über die Schulter und dem mit 
Schlangenhaut überzogenen Pulverhorn antriftt. 
Je nach seinen Erfolgen hat der Jäger an diesem 
Gehänge mehr oder weniger Trophäen in Gestalt 
von Raubtierschwänzen und -Zähnen und meist 
auch noch einige Medizinstücke befestigt. Die 
Frauen der Fanstämme sind wegen ihrer Schön- 
heit, aber auch wegen ihrer Lüderlichkeit berühmt 
im Schutzgebiet; in ihrem Lande tragen sie an 
einer Hüftschnur oder einem roten Schal auf der 
Vorderseite eine kunstlose, meist aus Blättern ver- 
fertigte Bedeckung, während ihren Stolz der aus 
buntgefärbten Pisangfasern verfertigte pferde- 
schwanzartige Cül bildet, der hinten beim Gehen 
auf= und niederwippt und kurz abgeschnitten ist, 
wie bei einem kupierten Modepferde. Um den 
Hals tragen diese Schönen in der Regel Ketten 
aus Hundezähnen. 
Schon das erste Nachtaquartier hinter Lolodorf 
nahmen wir bei Jaundes, die wegen llbervöl- 
kerung ihrer Heimat immer zahlreicher über den 
Niong hin abwandern. Das Land südlich des 
Njong ist stark gewellt, unaufhörlich geht es im 
mühsamen Anstiege 60, wohl auch 100 Meter 
bergan, auf der anderen Seite wieder bergab. 
Vor dem Njong nimmt die Höhe der Berge zu. 
Häufig tritt kahler Fels zutage, und als wir 
keuchend Samisoccos waldumkränzten Berg er- 
stiegen, erzählte ich von dem alten buckligen 
Häuptling, mit dem ausgeprägten Unabhängig- 
keitssinn, der hier gehaust und uns viel zu schaffen 
gemacht hatte. Hier waren Oberlentnant Bartsch 
und Büchsenmacher Zimmermann 1895 verwundet 
worden, und hinter den Felsen am Wege, die 
jetzt so harmlos dalagen, hatte ich es selbst so 
manches Mal aufblitzen und eine geschmeidige 
Gestalt verschwinden sehen. Das war ein Donnern 
gewesen, wenn an den Bergwänden im Urwald 
der Klang der Schüsse sich brach, wenn Sami- 
soccos Leute sich Mut zuriefen und unsere Jungen 
mit Hurra antworteten. Vorbei. Den alten 
Ruhestörer hatte längst sein Schicksal erreicht. 
Und dann ging es bergab in das Nijongtal. 
Da lag er mit seiner dunklen Flut, der alte 
Freund, in dessen Wassern bei der Bakoko-Expe- 
dition menschenfreundliche Krokodile zu früh mein 
junges Leben enden wollten. Das Schicksal hatte 
es anders gemeint; geduldig mußte der Njong 
uns wieder tragen, uns den Weg freigeben für 
manche frische Tat. Im schwarzen Kranz standen 
die Menschen am Ufer, schrill kreischten die Weiber, 
hundert Hände streckten sich mir entgegen. Wir 
waren in Jannde, ich war zu Hause. Wie ein 
Heimkehrfieber überkam es mich; die ganzen langen 
  
sechs Jahre, die ich unter diesen Menschen ver- 
lebt hatte mit all den vielen Erinnerungen, zogen 
im Geiste an mir vorüber. Hier war der 
Jüngling zum Mann geworden, und des Menschen 
Gemüt ist nun einmal von der Art, daß es be- 
wegt wird, wenn es alte Erinnerungen berühren, 
wie ein stilles Wasser, über das ein Windstoß 
fährt. 
Ein Kindervolk sind diese Jaundes, ohne 
tieferen Charakter, und ich weiß wohl, daß ihr 
Hosianna von heute gar leicht morgen in ein 
„kreuziget ihn“ umschlagen kann; ich weiß wohl, 
daß sie grausam sind wie die Kinder und daß 
das ungebärdige Pferd nur den Reiter trägt, der 
die Zügel zu halten, die Sporen zu brauchen 
versteht. Aber heute sollte der Augenblick der 
fröhlichen Heimkehr genossen werden. So brachten 
denn meine Leute, Träger, Soldaten und Haus- 
jungen bei Spiel und Tanz, bei Essen und 
Trinken mit den Jaundes, die in Scharen heran- 
strömten, den Tag und die Nacht hin. Unab- 
lässig wurde getrommelt, in die Hände geklatscht, 
und immer wieder stampften die Füße im Takt 
den Boden. Die alten Kukumas (Altesten) mit 
den roten gestrickten Mützen auf den verschlagenen 
Häuptlingsschädeln bekamen ihre Rumrationen 
und schauten, vor den Hütten gelagert, ihre 
Pfeifen schmanchend, mit Kennerblicken dem Tanz 
der Weiber zu, die, in eine Staubwolke gehüllt, 
händeklatschend und ihre einförmigen Melodien 
schneller und schneller singend, im Kreise standen, 
in dessen Mitte eine nach der anderen hinein- 
sprang, um kunstfertig die Beine zu setzen, den 
Oberkörper vor= und rückwärts zu schnellen. 
Daneben tanzten die Männer gleichfalls im Kreise, 
anfangs getrennt von den Weibern. Wenn aber 
die Musik schneller wird, die Wogen des Festes 
höher schlagen, dann lösen sich die Kreise, Männ- 
lein und Weiblein springen durcheinander; immer 
heftiger werden die Bewegungen, mit verzückten 
Augen stehen sich die Tanzenden paarweise gegen- 
über, Ol und Schweiß rinnen über die nackten 
Körper hinab, und eine Wolke von Staub und 
Dunst lagert über dem Ganzen. So geht es 
minutenlang in fieberhafter Erregung und höchster 
Verzückung, bis jäh die Musik abbricht und eine 
Pause der Erschlaffung eintritt. Dann schleppen 
die Kleinen Pisangblätter herbei, mit denen sie 
die triefenden Körper ihrer Angehörigen abreiben, 
bis diese von neuem in den Reigen springen. 
Es ist erstaunlich, welche Ausdauer die Jaundes 
im Tanzen haben, und ich möchte die wunder- 
bare gleichmäßige Rückenmuskulatur, die sie fast 
alle aufweisen, auf ihre Leidenschaft für diese 
Tanzfeste zurückführen. 
Am 2. November zogen wir in meine alte 
Jaundestation ein. Wenig war verändert gegen
	        
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