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sind, und die man, wenn sie nicht gerade Träger-
dienste tun, selten ohne die Muskete in der Hand,
mit dem scharf geschliffenen Haumesser in einer
Holzscheide über die Schulter und dem mit
Schlangenhaut überzogenen Pulverhorn antriftt.
Je nach seinen Erfolgen hat der Jäger an diesem
Gehänge mehr oder weniger Trophäen in Gestalt
von Raubtierschwänzen und -Zähnen und meist
auch noch einige Medizinstücke befestigt. Die
Frauen der Fanstämme sind wegen ihrer Schön-
heit, aber auch wegen ihrer Lüderlichkeit berühmt
im Schutzgebiet; in ihrem Lande tragen sie an
einer Hüftschnur oder einem roten Schal auf der
Vorderseite eine kunstlose, meist aus Blättern ver-
fertigte Bedeckung, während ihren Stolz der aus
buntgefärbten Pisangfasern verfertigte pferde-
schwanzartige Cül bildet, der hinten beim Gehen
auf= und niederwippt und kurz abgeschnitten ist,
wie bei einem kupierten Modepferde. Um den
Hals tragen diese Schönen in der Regel Ketten
aus Hundezähnen.
Schon das erste Nachtaquartier hinter Lolodorf
nahmen wir bei Jaundes, die wegen llbervöl-
kerung ihrer Heimat immer zahlreicher über den
Niong hin abwandern. Das Land südlich des
Njong ist stark gewellt, unaufhörlich geht es im
mühsamen Anstiege 60, wohl auch 100 Meter
bergan, auf der anderen Seite wieder bergab.
Vor dem Njong nimmt die Höhe der Berge zu.
Häufig tritt kahler Fels zutage, und als wir
keuchend Samisoccos waldumkränzten Berg er-
stiegen, erzählte ich von dem alten buckligen
Häuptling, mit dem ausgeprägten Unabhängig-
keitssinn, der hier gehaust und uns viel zu schaffen
gemacht hatte. Hier waren Oberlentnant Bartsch
und Büchsenmacher Zimmermann 1895 verwundet
worden, und hinter den Felsen am Wege, die
jetzt so harmlos dalagen, hatte ich es selbst so
manches Mal aufblitzen und eine geschmeidige
Gestalt verschwinden sehen. Das war ein Donnern
gewesen, wenn an den Bergwänden im Urwald
der Klang der Schüsse sich brach, wenn Sami-
soccos Leute sich Mut zuriefen und unsere Jungen
mit Hurra antworteten. Vorbei. Den alten
Ruhestörer hatte längst sein Schicksal erreicht.
Und dann ging es bergab in das Nijongtal.
Da lag er mit seiner dunklen Flut, der alte
Freund, in dessen Wassern bei der Bakoko-Expe-
dition menschenfreundliche Krokodile zu früh mein
junges Leben enden wollten. Das Schicksal hatte
es anders gemeint; geduldig mußte der Njong
uns wieder tragen, uns den Weg freigeben für
manche frische Tat. Im schwarzen Kranz standen
die Menschen am Ufer, schrill kreischten die Weiber,
hundert Hände streckten sich mir entgegen. Wir
waren in Jannde, ich war zu Hause. Wie ein
Heimkehrfieber überkam es mich; die ganzen langen
sechs Jahre, die ich unter diesen Menschen ver-
lebt hatte mit all den vielen Erinnerungen, zogen
im Geiste an mir vorüber. Hier war der
Jüngling zum Mann geworden, und des Menschen
Gemüt ist nun einmal von der Art, daß es be-
wegt wird, wenn es alte Erinnerungen berühren,
wie ein stilles Wasser, über das ein Windstoß
fährt.
Ein Kindervolk sind diese Jaundes, ohne
tieferen Charakter, und ich weiß wohl, daß ihr
Hosianna von heute gar leicht morgen in ein
„kreuziget ihn“ umschlagen kann; ich weiß wohl,
daß sie grausam sind wie die Kinder und daß
das ungebärdige Pferd nur den Reiter trägt, der
die Zügel zu halten, die Sporen zu brauchen
versteht. Aber heute sollte der Augenblick der
fröhlichen Heimkehr genossen werden. So brachten
denn meine Leute, Träger, Soldaten und Haus-
jungen bei Spiel und Tanz, bei Essen und
Trinken mit den Jaundes, die in Scharen heran-
strömten, den Tag und die Nacht hin. Unab-
lässig wurde getrommelt, in die Hände geklatscht,
und immer wieder stampften die Füße im Takt
den Boden. Die alten Kukumas (Altesten) mit
den roten gestrickten Mützen auf den verschlagenen
Häuptlingsschädeln bekamen ihre Rumrationen
und schauten, vor den Hütten gelagert, ihre
Pfeifen schmanchend, mit Kennerblicken dem Tanz
der Weiber zu, die, in eine Staubwolke gehüllt,
händeklatschend und ihre einförmigen Melodien
schneller und schneller singend, im Kreise standen,
in dessen Mitte eine nach der anderen hinein-
sprang, um kunstfertig die Beine zu setzen, den
Oberkörper vor= und rückwärts zu schnellen.
Daneben tanzten die Männer gleichfalls im Kreise,
anfangs getrennt von den Weibern. Wenn aber
die Musik schneller wird, die Wogen des Festes
höher schlagen, dann lösen sich die Kreise, Männ-
lein und Weiblein springen durcheinander; immer
heftiger werden die Bewegungen, mit verzückten
Augen stehen sich die Tanzenden paarweise gegen-
über, Ol und Schweiß rinnen über die nackten
Körper hinab, und eine Wolke von Staub und
Dunst lagert über dem Ganzen. So geht es
minutenlang in fieberhafter Erregung und höchster
Verzückung, bis jäh die Musik abbricht und eine
Pause der Erschlaffung eintritt. Dann schleppen
die Kleinen Pisangblätter herbei, mit denen sie
die triefenden Körper ihrer Angehörigen abreiben,
bis diese von neuem in den Reigen springen.
Es ist erstaunlich, welche Ausdauer die Jaundes
im Tanzen haben, und ich möchte die wunder-
bare gleichmäßige Rückenmuskulatur, die sie fast
alle aufweisen, auf ihre Leidenschaft für diese
Tanzfeste zurückführen.
Am 2. November zogen wir in meine alte
Jaundestation ein. Wenig war verändert gegen