W 1211 2#
früher, nur die Faktoreien waren zahlreicher ge-
worden, und der Verkehr hatte entsprechend zu-
genommen. Ganz Jannde stand im Zeichen des
Gummis, der im Lande selbst aus Lianen, in
den weiteren Nachbargebieten durch Anzapfen der
Kikriabäume gewonnen wird. Die Janndes, von
denen ich mühsam die ersten im Jahre 1894
halb mit Gewalt zur Küste geführt hatte, waren
zur Zeit in großem Ausschwung begriffen, sie
stellten die Gummikarawanen für die Firmen,
d. h. sie zogen von diesen, mit Waren ausge-
rüstet, in ein Gebiet, wo die Eingeborenen es
noch nicht verstanden, Gummi zu gewinnen.
Besonders günftig auf die Entwicklung des
Landes hat die Niederlassung der Pallotiner in
M'folie, dreiviertel Stunden von der Station,
eingewirkt. Mit scharfem Blick hat der Bischof
Vieter ein unweit der Hauptstraße gelegenes
prächtiges Areal ausgewählt, in dessen Mitte auf
einem sanft ansteigenden, eine wunderbare Aus-
sicht über das freundliche Land gewährenden
Hügel der Bau der Wohnhäuser für die Bäter
und Brüder mit anschließender Schule damals
gerade begonnen wurde. Ich schätze die Missions-
tätigkeit der Pallotiner auch deshalb besonders hoch
ein, weil sie den Eingeborenen ein echtes dent-
sches, praktisches Christentum predigen, weil diese
Missionare von früh bis spät selbst tätig, überall
mit Hand anlegen. Handwerkskundige Brüder
unterrichten die Eingeborenen in der Zimmerei,
Schreinerei und Maurerarbeit, lehren sie Steine
brechen und Ziegel machen, sogar die Schwestern
habe ich bei der Feldarbeit zugreifen und ihren
Schülerinnen mit gutem Beispiel vorangehen
sehen. Die Janndes sind lernbegierig, und viele
Knaben nehmen nur aus dem Grunde als
Hausjungen Dienst bei Europäern an der Küste,
um nebenbei in der Schule dort lesen und
schreiben zu lernen.
Auf der Station waren mehrere neue massive
Häuser errichtet, und der befestigte Ausbau des
Platzes war in den Jahren, in denen ich Jannde
nicht gesehen hatte, vollendet worden. Viel
Freude machte es mir, mit den Kameraden durch
die Station zu gehen. Ich mußte viel erzählen
von der Stationsgründung. Die Soldaten lagen
zum großen Teil im Felde, Oberleutnant
Schennemann führte Krieg sechs Tagemärsche
östlich der Station gegen die Eums. Er war
persönlich nur auf die Station gekommen, um
uns zu begrüßen und der Expedition Träger zu
beschaffen. Es waren schöne Abendstunden, wenn
wir, fast alle gleichalterige, gleichgesinnte, mitten
in der Arbeit stehende Kameraden, auf der breiten
Piassa beieinander saßen. Jeder hatte zu er-
zählen: Scheunemann und Möllendorf mit strup-
pigen Bärten berichteten von den Esums, gegen
die sie schon seit Monaten fochten. Übermanns-
hohes Gras und dichter Wald, weite unbewohnte
Strecken und die Unzuverlässigkeit der umwoh-
nenden Stämme, die den Esums Unterschlupf
gewährten, wenn sie geschlagen waren, machten
den Kampf besonders schwierig. Immer wieder
tauchten Esumbanden, von neuem mit Pulver
und Gewehren versehen, auf und griffen die
Stationspatronillen an. Nolte und ich erzählten
von der Wute-Adamana-Expedition und Bülow
von seinen schweren Kämpfen gegen die Bulis.
Es kann für afrikanische Soldaten wohl kaum
etwas Lehrreicheres geben als solche Gefechts-
berichte von guten Kameraden, die wissen, was
sie voneinander zu halten haben.
Dumpfer Trommelschlag weckte uns am
Morgen. Mit Gesang kamen tagsüber die
Träger stammesweise von allen Seiten herange-
rückt. Fast 800 Mann wurden benötigt, davon
sollten 700 nach Adamana und 100 nach Joko
gehen. Das Hauptkontingent neben den eigent-
lichen Janndes stellten die Etunstämme, die das
Grasland nördlich Janndes bis zum Sanaga
bewohnen. Es sind Bantuneger wie die Jaundes,
aber sie gehören nicht zu den Fanstämmen, die
von Osten her eingewandert sind, sondern sie
sind den Batis verwandt, die, ursprünglich nörd-
lich des Sanagas sitzend, von Wutes verdrängt
wurden, die ihrerseits, Sudanneger, vor den mo-
hammedanischen Fulbes oder Fullahs nach Süden
ausgewichen sind. Mit den Jaundes verwandt,
aber stark verfeindet sind ihre westlichen Nach-
barn, die Mwelles oder Bakokos, die auf beiden
Sanaga-Ufern sitzen. Das Bakokogebiet unter-
steht dem Bezirksamt Edea am Sanaga. Auch
die Batischengas am Sanaga und die Batistämme
nördlich davon stellten Träger. Aus letzteren
hatte ich mir unter meinem früheren Hausjungen
Bea, einem intelligenten Mann, der nun als
Häuptling in seiner alten Heimat saß, eine kleine
Schar besonders gewandter persönlicher Träger
ausgesucht.
Nicht ohne Sorgen für die Zukunft saß ich
am 11. November an dem ranschenden Sanaga
und überwachte das lbersetzen meiner Expedition.
Die tosenden Nachtigalfälle, der fast vierhundert
Meter breite, von schmalem Galeriewald einge-
faßte mächtige Strom inmitten der weiten Gras-
savanne, die ungefügen Kanns, von den Bati-
schengas geschickt gestenert, die Wutehäuptlinge
Na, Wimba und Dandugu, die hierher gekommen
waren, um mich zu begrüßen, das alles erinnerte
mich an vergangene Zeiten. Bis hierher hatte
der gransame Ngilla unumschränkt geherrscht,
in beständigem Kampf mit den wenigen Batis,
die sich noch in den geschlossenen Waldkomplexen
nördlich des Flusses zu halten vermocht hatten.