Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Pferdeschweisen verziert in der Linken und ihre 
fünf Wurfspeere in der Rechten; sie sprangen 
unter schrillen Schreien, vom Bier halb berauscht, 
einander zum Kampf herausfordernd, wie vom 
Teufel besessen umher. Dazu dröhnten die Panken, 
schallten dumpf die langen Elfenbeinhörner; da- 
neben die Weiber, tiefschwarz mit spitzgefeilten 
Zähnen, fast nackt wie die Männer. Sie hatten 
einen Kreis gebildet; unter Händeklatschen und 
Gesang sprangen einzelne vor in kunstvollem 
Polkaschritt und ließen sich, rückwärts chassierend, 
von ihren in der Reihe stehenden Gefährtinnen 
wie einen Ball vorwärts stoßen, um, wieder rück- 
wärts tretend, das Spiel von neuem zu beginnen. 
Nur in den eigentlichen Kampfspielen tanzen bei 
den Wutes die Geschlechter zusammen, dann 
laufen die Weiber, mit den Händen die Brüste 
haltend, mit lang nach hinten gestreckten Beinen 
kreischend in das Vordertreffen, um anzudeuten, 
wie sie ihren kämpfenden Männern Mut machen, 
Gefangene in Empfang nehmen und Verwundete 
aus dem Gefechte führen. Das Bild dieser 
wilden, tobenden Menschen beim Schein der 
flackernden Feuer verfehlte auf die Kameraden, 
die es zum ersten Male sahen, nicht den Ein- 
druck, den ein kriegerisches Spiel, in dem Kraft 
und Gewandtheit zum Ausdruck kommen, auf 
Männerherzen stets ausüben wird. 
Ich sah mich in stiller Wehmut im Geist in 
vergangenen Tagen neben dem alten Ngilla sitzen, 
sah die Tausende vor mir, die damals, triefend 
vom Blut Gefallener, mit dem sie sich beschmiert 
hatten, vor ihrem Häuptling tanzten, hörte ihren 
frenetischen Jubel, wenn Ngilla selbst zum Speer 
griff und ihr Siegestaumel so groß wurde, daß 
sie, ohne des Gastfreundes zu gedenken, aus 
heiseren Kehlen dem Häuptling zuschrien: „Ngiua“ 
(Elefant), „alheri“ (Allmächtiger) — wie sie es 
von den Haussah-Lobsängern gehört hatten — 
und: „Ngilla kann den Weißen töten.“ Das war 
damals ein rohes Kriegervolk, eine grausame 
Schar wilder Sklavenjäger auf der Höhe ihrer 
Macht! Auf der Höhe stolz, unbesiegt —- was 
war jetzt dasselbe Volk? 
Am 19. November marschierte Bülow auf 
Joko ab, wir wollten uns in Ngambe, der Tikar- 
hauptstadt, wieder treffen. Unsere Karawane 
zählte fast 800 Menschen, und es erschien uns 
ratsamer, sie auf zwei Wege zu verteilen. Ich 
schlief in derselben Nacht in des jungen Häupt- 
lings Wimane Dorf, der mich lachend daran 
erinnerte, wie er an Kaisers Geburtstag 1897, 
dicht vor mir stehend, den Speer auf mich ge- 
worfen und ich an ihm vorbeigeschossen hatte. Er 
stand damals in der Umgebung von Ngillas Feld- 
hauptmann vor mir, als man mich in der Stadt 
ergreifen und zum Festmahl zurichten wollte wie 
  
meinen unglücklichen Nachbar Volkammer nach 
der Vernichtung der Balingastation. 
Bei Magom kamen wir in des alten Ngutte 
Land. Dieser alte Recke, der einst mit Morgen 
und Ngilla gemeinsam Gandelle, die alte Fuhaupt- 
stadt, stürmte, hat es verstanden, abseits der 
großen Karawanenstraße nach Tibati wohnend, 
sich seine Unabhängigkeit zu bewahren. 
Da, wo sich das Gebirge jäh aus der Ebene 
bis zu 200 Metern Höhe erhebt, hatte sich Ngutte 
mit einem Teil seiner Häuser noch in der Ebene, 
mit den meisten aber bereits zwischen die ragenden 
Felsen hinein angebaut. Rundum wogten, soweit 
das Auge reichte, Durrahfelder, in denen nur 
wenige runde Sklavenhütten auftauchten. Die 
Nguttestadt war nicht so schön gebaut wie die 
ehemalige Residenz des Häuptlings am Mbam 
oder wie das alte Ngilla. Aber die dicht anein- 
ander liegenden 1200 bis 1500 Häuser und das 
große Haussahdorf ließen schon von weitem er- 
kennen, daß Ngutte über eine Menge Lente ver- 
fügte. Als wir näher heranrückten, sahen wir, 
daß die Höhen rings um die Stadt bis weit 
hinauf von Frauen und Kindern wimmelten, die 
gespannt auf uns herabsahen; unten vor der 
Stadt hielt der alte Ngutte inmitten von mehreren 
tausend Bewaffneten. Auch die Vorhügel seitlich 
des Berges waren von geschlossenen Wuteabtei- 
lungen besetzt, und wer die Art dieser Leute 
nicht kannte, konnte wohl meinen, daß man uns 
feindlich empfange. Meine Jaundeträger gaben 
dieser Ansicht auch mit Rücksicht auf unsere we- 
nigen Soldaten sehr besorgt Ausdruck, namentlich, 
als die Wutes zu blasen und panken begannen 
und in ein wüstes Gehenl ausbrachen, wobei sie 
ihre Gewehre abfeuerten und mit den Speeren 
dröhnend auf die Schilde schlugen. Mich freute 
dieser kriegerische Empfang, der mich an frühere 
Besuche erinnerte, und gerade das viele Schießen 
der Wutes, ehe wir an sie herankamen, hätte 
auch meinen Leuten zeigen können, daß es sich 
um eine rein freundschaftliche Empfangsovation 
handelte. 
Im Galopp sprengte ich auf den dicken Alten 
zu, dessen kurzer Backenbart weiß geworden war, 
der wie früher die phrygische Mütze der Fullahs, 
eine blaue Indigotobe und weite Haussahhosen 
trug. Er streckte mir lachend den dicken rechten 
Arm, in dem er nach Wuteart fünf Wurfspieße 
hielt, entgegen und schüttelte diese zur Begrüßung. 
„Dominiki, Dominiki“, sagte er immer wieder, 
wollte sich vor Lachen schütteln und sah sich im 
Kreise seiner Leute um, die sich hinter mir so 
dicht zusammengeschart hatten, daß ich von meiner 
Karawane gar nichts sehen konnte. 
Ngutte gab mir Leute mit, die mir den 
Stadtteil zeigen sollten, der für uns als Lager
	        
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