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mittags, als ich das Schiff verließ, sowohl am
Außenriff wie in der Lagune eine furchtbare
See, so daß die „Ponape“ ihren Ankerplatz ver-
legen mußte. Kurz nach meiner Abfahrt von
Bord sauste urplötzlich aus Nordnordost eine starke
Regenböe daher, die das Kann, in dem ich fuhr,
voll schlug, so daß wir dem Sinken nahe waren.
Mit Ausbietung aller Kräfte gelang es den Ein-
geborenen, das Kann zu halten und an Land zu
bringen. Hier fand ich mein Haus bereits ge-
räumt, da während meiner Abwesenheit eine
mächtige See über die 80 bis 100 Meter lange
Düne bis an das Haus gekommen war. Im
Verlauf der nächsten zweieinhalb Stunden war
diese ganze Düne, die Ostspitze der Insel
Oleai, weggewaschen; eine breite Passage be-
stand nunmehr zwischen den Inseln Oleai und
Talian, durch diese stürzten die über das Außenriff
von Nordost gelangenden Wellen in rasender
Strömung in die Lagune, wo sie mit einer eben-
falls schweren Brandung aus Südwest zusammen-
prallten, so daß die Wellen turmhoch empor-
spritzten. Um 5 Uhr brach, als ich gerade
schreibend auf der Veranda saß, eine schwere Ser
wieder bei flauem Winde über das Riff und,
gegen mein Haus schlagend, schleuderte sie mich
durch die zersplitternden Verandasprossen hindurch
mehrere Meter weit fort. Ich erlitt dabei durch
fallende Balken eine heftige Quetschung des linken
Oberschenkels, die mir das Gehen sehr erschwerte
und am nächsten Tage fast verhängnisvoll ge-
worden wäre. Um 5¼ Uhr sandte ich ein
Schreiben an den Kapitän der „Ponape“, in
welchem ich ihm den Rat eines bei mir befind-
lichen Spaniers übermittelte, den Ankerplatz der
„Ponape“ unter den Schutz der Nordwest-Spitze
von Oleai, bei dem Dorfe Isang, zu verlegen.
Ich erhielt darauf ein Schreiben des Inhalts,
daß der Barometer stände und ein Abflauen des
Windes zu erwarten sei, daß dagegen die Bran-
dung noch zunehmen würde. Kurz vor 6 Uhr
mußte ich die zur Hälfte bereits eingestürzte
Station verlassen; ich zog mich in das an-
grenzende Dorf Leuleperik zurück, wo ich in
einem kurz zuvor fertiggestellten schön gearbeiteten
Eingeborenenhause Quartier nahm. Am späten
Abend begann der Wind aus Nordnordost noch
stärker zu werden, so daß bereits Aste von Bäu-
men niederbrachen. Von 1 Uhr nachts an hörte
man durch das Sausen des Windes ununter-
brochen wie Kleingewehrfeuer das Knacken der
Aste und wie Geschützdonner das Krachen der
brechenden Baumriesen, alles übertönte der
Donner der Brandung, doch hielten die Häuser
während der ganzen Nacht stand. Gegen 5 Uhr
morgens wurden wir (der spanische Händler
Villagon und ich) von der ausgestellten Wache
mit der Nachricht geweckt, daß die Wellen bereits
bis in das Dorf Leuleperik schlügen und daß
auch schon um unser Nachtquartier Wasser stehe.
Leuleperik liegt vom Nordost-Strande etwa 800
bis 1000 Meter entfernt. Das Wasser stieg so
schnell, daß wir kaum Zeit hatten, die nötigsten
Anweisungen zur Rettung der Sachen zu geben.
Wir eilten zur japanischen Station, welche im
Dorfe Jaur, an der breitesten Stelle der Insel
Oleai und in ihrer Mitte liegt. Der Weg war
bereits versperrt durch kreuz und quer nieder-
gebrochene Kokospalmen und andere Bäume, die
an einzelnen Stellen förmliche Barrikaden bil-
deten. Trotz der links und rechts von uns
niedersausenden Kokosnüsse, Zweige und Bäume,
erreichten wir ohne Unfall die japanische Station,
wo wir einen freien Blick auf die Lagune nach
Süden hatten. Vom Schoner „Ponape“ war
nichts zu sehen. Am Horizont im Westen blitzte
grelles Wetterleuchten auf. Die Brandung in
der Lagune schlug schon bis an die Häuser des
Dorfes heran. Wir verließen bald die japanische
Station und begaben uns zu dem westlichsten
Kannhause des Dorfes Jaur, wo sich ein großer
Teil der Einwohner der Insel zusammengefunden
hatte. Die Leute waren vollkommen rat= und
kopflos. Wie Tiere in einem Käfig, die keinen
Ausweg mehr wissen, liefen sie ziellos hin und
her, angstvoll auf das Brüllen der Brandung
horchend. Alles Zureden, Trösten half nichts.
Jeder glaubte, der Untergang der Inseln sei
herangekommen und die alte Prophezeiung er-
fülle sich nuun, daß die See einst Oleai weg-
waschen würde. Als das Meer nun auch von
der Lagunc her weiter und weiter landeinwärts
vorzudringen begann, mußten wir auch diesen
Posten aufgeben. Die japanischen Händler er-
schienen und meldeten, daß eine Welle aus dem
Innern der Insel kommend ihre Handelsstation
in einem Augenblick weggewaschen habe. So
mußten wir uns in das Innere der Nordwest-
Spitze von Ifang zurückziehen.
Das war unsere letzte Zuflucht. Erreichte die
Sce auch diesen Teil der Insel, so waren wir
verloren. Auf einer kleinen Anhöhe stand hier
ein Haus, in welchem eine große Menge schreiender
und weinender Eingeborener Zuflucht gesucht hatte.
Einige Frauen sangen in ihrer Angst Totenklagen.
Als plötzlich ein Mann meldete, daß nun auch
von Nordnordost die See aus dem Busch her-
käme, erreichte die Verwirrung ihren Höhepunkt.
Ich erkletterte eine niedergebrochene Kokospalme
und sah nun, wie die Wellen, gleich weißen
Katzen, von Nordost her durchs Gehölz sprangen.
Als ich von der Kokospalme herunterkam, reichte
mir das Wasser bereits bis über die Hüften.
Wir versahen uns mit Holzplanken und starken