Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

G 568 2e□ 
mittags, als ich das Schiff verließ, sowohl am 
Außenriff wie in der Lagune eine furchtbare 
See, so daß die „Ponape“ ihren Ankerplatz ver- 
legen mußte. Kurz nach meiner Abfahrt von 
Bord sauste urplötzlich aus Nordnordost eine starke 
Regenböe daher, die das Kann, in dem ich fuhr, 
voll schlug, so daß wir dem Sinken nahe waren. 
Mit Ausbietung aller Kräfte gelang es den Ein- 
geborenen, das Kann zu halten und an Land zu 
bringen. Hier fand ich mein Haus bereits ge- 
räumt, da während meiner Abwesenheit eine 
mächtige See über die 80 bis 100 Meter lange 
Düne bis an das Haus gekommen war. Im 
Verlauf der nächsten zweieinhalb Stunden war 
diese ganze Düne, die Ostspitze der Insel 
Oleai, weggewaschen; eine breite Passage be- 
stand nunmehr zwischen den Inseln Oleai und 
Talian, durch diese stürzten die über das Außenriff 
von Nordost gelangenden Wellen in rasender 
Strömung in die Lagune, wo sie mit einer eben- 
falls schweren Brandung aus Südwest zusammen- 
prallten, so daß die Wellen turmhoch empor- 
spritzten. Um 5 Uhr brach, als ich gerade 
schreibend auf der Veranda saß, eine schwere Ser 
wieder bei flauem Winde über das Riff und, 
gegen mein Haus schlagend, schleuderte sie mich 
durch die zersplitternden Verandasprossen hindurch 
mehrere Meter weit fort. Ich erlitt dabei durch 
fallende Balken eine heftige Quetschung des linken 
Oberschenkels, die mir das Gehen sehr erschwerte 
und am nächsten Tage fast verhängnisvoll ge- 
worden wäre. Um 5¼ Uhr sandte ich ein 
Schreiben an den Kapitän der „Ponape“, in 
welchem ich ihm den Rat eines bei mir befind- 
lichen Spaniers übermittelte, den Ankerplatz der 
„Ponape“ unter den Schutz der Nordwest-Spitze 
von Oleai, bei dem Dorfe Isang, zu verlegen. 
Ich erhielt darauf ein Schreiben des Inhalts, 
daß der Barometer stände und ein Abflauen des 
Windes zu erwarten sei, daß dagegen die Bran- 
dung noch zunehmen würde. Kurz vor 6 Uhr 
mußte ich die zur Hälfte bereits eingestürzte 
Station verlassen; ich zog mich in das an- 
grenzende Dorf Leuleperik zurück, wo ich in 
einem kurz zuvor fertiggestellten schön gearbeiteten 
Eingeborenenhause Quartier nahm. Am späten 
Abend begann der Wind aus Nordnordost noch 
stärker zu werden, so daß bereits Aste von Bäu- 
men niederbrachen. Von 1 Uhr nachts an hörte 
man durch das Sausen des Windes ununter- 
brochen wie Kleingewehrfeuer das Knacken der 
Aste und wie Geschützdonner das Krachen der 
brechenden Baumriesen, alles übertönte der 
Donner der Brandung, doch hielten die Häuser 
während der ganzen Nacht stand. Gegen 5 Uhr 
morgens wurden wir (der spanische Händler 
Villagon und ich) von der ausgestellten Wache 
  
mit der Nachricht geweckt, daß die Wellen bereits 
bis in das Dorf Leuleperik schlügen und daß 
auch schon um unser Nachtquartier Wasser stehe. 
Leuleperik liegt vom Nordost-Strande etwa 800 
bis 1000 Meter entfernt. Das Wasser stieg so 
schnell, daß wir kaum Zeit hatten, die nötigsten 
Anweisungen zur Rettung der Sachen zu geben. 
Wir eilten zur japanischen Station, welche im 
Dorfe Jaur, an der breitesten Stelle der Insel 
Oleai und in ihrer Mitte liegt. Der Weg war 
bereits versperrt durch kreuz und quer nieder- 
gebrochene Kokospalmen und andere Bäume, die 
an einzelnen Stellen förmliche Barrikaden bil- 
deten. Trotz der links und rechts von uns 
niedersausenden Kokosnüsse, Zweige und Bäume, 
erreichten wir ohne Unfall die japanische Station, 
wo wir einen freien Blick auf die Lagune nach 
Süden hatten. Vom Schoner „Ponape“ war 
nichts zu sehen. Am Horizont im Westen blitzte 
grelles Wetterleuchten auf. Die Brandung in 
der Lagune schlug schon bis an die Häuser des 
Dorfes heran. Wir verließen bald die japanische 
Station und begaben uns zu dem westlichsten 
Kannhause des Dorfes Jaur, wo sich ein großer 
Teil der Einwohner der Insel zusammengefunden 
hatte. Die Leute waren vollkommen rat= und 
kopflos. Wie Tiere in einem Käfig, die keinen 
Ausweg mehr wissen, liefen sie ziellos hin und 
her, angstvoll auf das Brüllen der Brandung 
horchend. Alles Zureden, Trösten half nichts. 
Jeder glaubte, der Untergang der Inseln sei 
herangekommen und die alte Prophezeiung er- 
fülle sich nuun, daß die See einst Oleai weg- 
waschen würde. Als das Meer nun auch von 
der Lagunc her weiter und weiter landeinwärts 
vorzudringen begann, mußten wir auch diesen 
Posten aufgeben. Die japanischen Händler er- 
schienen und meldeten, daß eine Welle aus dem 
Innern der Insel kommend ihre Handelsstation 
in einem Augenblick weggewaschen habe. So 
mußten wir uns in das Innere der Nordwest- 
Spitze von Ifang zurückziehen. 
Das war unsere letzte Zuflucht. Erreichte die 
Sce auch diesen Teil der Insel, so waren wir 
verloren. Auf einer kleinen Anhöhe stand hier 
ein Haus, in welchem eine große Menge schreiender 
und weinender Eingeborener Zuflucht gesucht hatte. 
Einige Frauen sangen in ihrer Angst Totenklagen. 
Als plötzlich ein Mann meldete, daß nun auch 
von Nordnordost die See aus dem Busch her- 
käme, erreichte die Verwirrung ihren Höhepunkt. 
Ich erkletterte eine niedergebrochene Kokospalme 
und sah nun, wie die Wellen, gleich weißen 
Katzen, von Nordost her durchs Gehölz sprangen. 
Als ich von der Kokospalme herunterkam, reichte 
mir das Wasser bereits bis über die Hüften. 
Wir versahen uns mit Holzplanken und starken 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.