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gegangen waren. Im Laufe des Sonnabend und
am Ostersonntag trieb die See eine Menge zum
Teil schauerlich verunstalteter, meist von der Insel
Paliau stammender Leichen an Land, zu deren
Bestattung die Eingeborenen nur mit Mühe be-
wogen werden konnten. Einige ans sonderbare
streifende Rettungen möchte ich erwähnen; so
schwammen von der Insel Palian zwei Kinder,
ein Knabe von fünf und ein Mädchen von acht
Jahren, über die Lagune durch die Taifunsee
anderthalb Seemeilen weit nach Marijong.
Mehrere Eingeborene von Palian wurden nach
Saliap, vier von Raur 4½ Seemeilen weit
nach Utagal getrieben, darunter zwei Frauen und
zwei Männer. Die Zahl der so Geretteten belief
sich auf zwölf.
1#
Die Erzählungen der von Raur und Palian
Geretteten ergaben mit Übereinstimmung folgendes
Bild der Ereignisse auf diesen Inseln: Schon am
Abend des 28. März schlossen die erfahrenen
Leute aus dem besonderen Tosen der Brandung,
daß eine Flutwelle im Anzuge sei. So wurden
denn alle Vorkehrungen zur Rettung der Frauen
und Kinder getroffen und diese mit Stricken im
Gezweige der Brotfruchtbäume festgebunden. Am
29. März gegen 8 Uhr morgens erschien dann,
nachdem das Wasser auf den Inseln nachts schon
anderhalb Meter hoch gestanden hatte, unter
schrecklichen Sausen über den Gipfeln der höchsten
Brotfruchtbäumc, also über 40 m hoch, eine dunkle
Wolke: die Flutwelle. Diese brach in der Mitte
der Inseln wie ein gigantischer Wasserstrahl zu-
sammen und ergoß sich mit furchtbarer Strömung
in die Lagune. Diese erste Flutwelle hatte indes
die festgebundenen Menschen noch nicht fortgerissen;
unmittelbar nach der ersten kam aber eine zweite
noch höhere Welle, die nun alle Bäume, Häuser,
Menschen wegspülte. Die Lagune war in diesem
Angenblick ein großer drehender Wirbel, in welchen
die mit Menschen dicht besetzten Bäume hinein=
gerissen wurden. Was nicht ertrank, wurde in
der Brandung auf den Riffkanten von den Bäumen
germalmt. 6„
Bei der Frage nach der Ursache dieser schreck-
lichen Katastrophe möchte ich einige Beobachtungen
mitteilen, die ich nach dem Taifun gemacht habe,
ohne indes daraus Schlüsse ziehen zu wollen.
Mir scheint die Frage diskutabel, ob nicht viel-
leicht vulkanische, unterseeische Eruptionen mit im
Spiel gewesen sind. Während des Taifuns um
10 Uhr morgens waren Erderschütterungen zu
spüren; am Strande fanden sich zahlreiche Bims-
steine augeschwemmt, die allerdings von sachver-
ständigeren Leuten als alte Lava angesprochen
wurden. Das ganze Atoll schien selbst den Ein-
geborenen gehoben zu sein, da die Hochwasser-
grenze bedeutend zurückgewichen war. Eine neue
Insel ist zwischen Falalis und Motogosu empor=
getaucht, dort, wo früher allerdings schon ein Riff
gewesen war. Diese Insel heißt Mét und soll
vor undenklichen Zeiten bewohnt gewesen sein.
Eine Flutwelle habe sie damals weggespült, so
erzählt die Eingeborenensage. Zwischen den Inseln
Paliau und Oleai bestand früher nur eine schmale
Passage, die bei niedrigem Wasser fast trocken lag.
Diese Passage ist nun nach dem Taifun ganz be-
deutend verbreitert und vertieft. Die Riffplatte
zwischen diesen beiden Inseln war zersprungen
wie eine Marmorplatte, die man auf den Boden
wirft; große Stücke waren aus ihr herausgesprengt.
Auch der Boden der Inseln Paliau und Raur
sah wie zerplatzt aus. Am Außenriff von Raur,
dort, wo die Flutwelle herüber gebrochen war,
zeigten sich wie kleine Eilandinseln drei längliche
Korollenschuttaufhänfungen. Die früher mit dichtem
Busch bestandene Außenriffseite der beiden genannten
Inseln zeigte sich dort, wo sie der Flutwelle aus-
gesetzt gewesen war, glatt und eben wie ein Tisch,
eine mit Korallenkies bestreute wagerechte Fläche.
Die Richtung der Flutwelle war vermutlich von
Ostnordost nach Westsüdwest; ihre Höhe ist nicht
mit Sicherheit anzugeben.
1* #
Die erste Sorge nach dem Taifun war, die
Uberlebenden von den völlig vernichteten
Inseln Raur und Palian auf Oleai im gemein-
schaftlichen Biwak zu sammeln. Hier herrschte
eine bewunderungswürdige Ordnung und Disziplin
unter den Eingeborenen, so daß nach dieser Rich-
tung keinerlei Maßnahmen getroffen zu werden
brauchten. Ich will hier auch gleich hervorheben,
daß die Eingeborenen auf das willigste allen
meinen Anordnungen Folge leisteten und daß in
den vierzehn schweren Tagen nach dem Taifun
kein Fall von Ungehorsam oder irgend eine Aus-
schreitung vorgekommen ist.
Wie ein drohendes Gespenst hing über uns
allen die Sorge einer Hungersnot; die Sorge
war um so schwerer, als wir bei unserer Ungewiß-
heit über das Schicksal der „Ponape“ erwarten
mußten, bis zum 25. oder 26. Mai (d. h. 3 bis
4 Tage nach dem Eintreffen des Reichspostdampfers
„Germania“ von Hongkong in Jap ohne Hilfe zu
bleiben. Sofort wurde darum an die Sammlung
dermassenhaft umherliegendens
der noch brauchbare: Taro wurde aus den Feldern
geholt, wobei die Frauen tauchen mußten, um
die Wurzeln herauszufischen. Noch tagelang nach
dem Taifun stand die See im großen Tarofelde
von Oleai zweieinhalb bis drei Meter hoch. Sämt-
liche brauchbaren Lebensmittel wurden in besondere