Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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nahmen alle an Bord befindlichen Ankerketten 
an Deck und steckten nach Bedarf und Zunahme 
vom Wind entsprechend Kette. Vom Land haben 
wir dann nichts mehr gesehen, obgleich Vollmond 
war. Eine Bö ersetzte die andere. 
Es muß gegen ½9 Uhr gewesen sein, als 
wir an zu treiben fingen; eben vordem, etwa 
8 Uhr, wurden durch eine Sturzsce sämtliche 
Boote, das in galvanisierten Tanks befindliche 
Gasolin und alle Decktreppen, das Hühnerhaus 
und die Tischlerbank von Deck gespült. Wie und 
welchen Weg wir aus der Lagune genommen 
haben, kann keiner angeben, das Schiff ging 
schrecklich zu kehr; kein Mensch konnte sich auf 
den Beinen halten. Wir saßen mit Korkjacken 
bekleidet in der Kajüte und erwarteten das 
Schlimmste. An Deck stürzten von beiden Seiten 
die schweren Sturzseen nieder; jeder würde ohne 
weiteres über Bord geworfen worden sein. Um 
uns herum trieben Bäume, Kokosnüsse und 
Pflanzen aller Art und wurden zum Teil aufs 
Schiff geworfen. Von 10 Uhr morgens an (den 
29.) begann das Barometer zu steigen; der 
Taifun tobte jedoch weiter. Die Segel wurden 
in Fetzen zwischen den Zeisingen herausgeweht. 
Nur das Schunersegel blieb ganz. Nach dem 
Aussehen des Wassers mußten wir uns um 10 Uhr 
schon außerhalb der Lagune befunden haben; es 
durch Lot festzustellen war nicht möglich. 
Unser kleines Schiff hat sich sehr gut gemacht, 
und dank seiner außerordentlichen Seetüchtigkeit 
haben wir dieses schwere Unwetter überstanden. 
Mehrere Male wurde das Schiff 40 bis 45 
übergeworfen und war vollständig von Wasser 
eingehüllt, aber nach einigen Sekunden hob es 
sich immer wieder auf, um dann erneut über- 
geworfen zu werden. Wir gebrauchten Ol in 
Mengen um die See zu beruhigen. Gegen Mittag 
wurden wir gewahr, daß viel Wasser im Schiff 
sein mußte; von der Kajüte aus wurde das 
Maschinenschott eingeschlagen, und jetzt sahen wir, 
daß das Wasser bis über die Maschinenplattform 
stand. Nun wurden von mir Freiwillige an die 
Pumpe beordert, denn jemand direkt zu kom- 
mandieren, wäre Frevel gewesen; die Sturzseen 
schlugen immer noch unaufhaltsam an Deck nieder. 
Die Maschinenpumpen konnten nicht gebraucht 
werden, weil die Zündbatterien vollständig zerstört 
waren. Das Wasser war hauptsächlich durch den 
an Deck, an Steuerbord befindlichen Ventilator 
eingedrungen. Um 4 Uhr war das Barometer 
bis 29 10 gestiegen, hatten immer noch hohe 
und grobe See, der Taifun wehte nach wie vor 
mit voller Stärte. Ich glaube annehmen zu 
können, daß von Oleai nichts übrig geblieben ist, 
denn die Bäume, welche an uns vorbeitrieben, 
waren alle sehr groß und stammen aus dem 
Innern der Inseln. 
  
Sonnabend den 30. März war es böig, aber 
etwas handiger. Den Schiffsort zu bestimmen 
war mir nicht möglich, denn die Sonne kam nicht 
durch. Des Nachmittags klarten wir den Schiffs- 
raum notdürftig auf und fanden hierbei noch 
etwas trockenen Reis. Um 2½ Uhr trieb dicht 
hinter unserem Schiff die Leiche eines Ein- 
geborenen auf dem Rücken schwimmend vorbei. 
Der Wind nahm nun immer mehr ab; das 
Barometer stieg langsam. Es war immer noch 
hoher Seegang. Am Sonntag mittag hielt ich 
mit meinen Offizieren eine Unterredung ab, in 
welcher wir uns entschlossen nach Saipan oder 
eventuell nach Guam zu fahren. Denn Jap zu 
erreichen war nicht möglich, weil der Strom arg 
nach Nordwest setzte und wir nicht genügend 
Segelfläche hatten. Die Maschine war nicht be- 
schädigt und eventuell gebrauchsfähig. 
Vom 1. bis zum 4. April hatten wir moderates 
Wetter. Am 4. morgens bei Tagesanbruch er- 
blickten wir Tnian und Agiguan. Segelten und 
dampften zugleich nach Garapan. Saipan sichteten 
wir kurz darauf. Um die Mittagsstunde ankerten 
wir mit unserem Stromanker im Tanapaghafen. 
Unser Schiff kann vorläufig keine Reise antreten, 
da wir erst wieder Anker und Ketten sowie ein 
Rettungsboot und diverse Segel von Hongkong 
beziehen müssen. 
III. Bericht des Begirksamtmanns Frit# 
in Saipan. 
Vom 15. April 1907. 
Am 9. April traf der Reichspostdampfer 
„Germania“ in Saipan ein. Ich ließ bei den 
Geschäften für etwa 2000 Mark Lebensmittel, 
Reis, Zwieback, einige Konserven kanfen, ferner 
Süßkartoffeln, Melonen, Bananen bei den Ein- 
geborenen. Noch am Abend desselben Tages fuhr 
ich mit der „Germania“ ab; an Bord befindet 
sich auch Kapitän Martens von der „Ponape“, 
der mit seiner Frau in Urlaub geht. 
Am 11. April abends ging der Dampfer in 
der Lagune von Oleai vor Anker. Dr. Born 
kam alsbald an Bord. 
Einige der Inseln, die ich vor drei Monaten 
noch im vollen Schmuck ihrer reichen Kokosbestände 
gesehen, sind gänzlich vernichtet; aus den Trümmer- 
haufen der gestürzten Bäume ragen nur wenige 
hervor, die stehen geblieben, aber ihrer Kronen 
beraubt sind; kein grünes Blatt ist zu sehen. 
Im ganzen verloren auf Oleai und Ifaluk 
225 Menschen ihr Leben. Europäer kamen 
nicht um. 
Die von der Flutwelle verschonten, „nur“ 
vom Taifun heimgesuchten Inseln gewähren einen 
kaum weniger traurigen Anblick: aus dem gelben, 
(Fortsetzung S. 576.)
	        
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