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In Bertna (Ort Gamaue), wo sämtliche
Firmen des Südbezirkes Niederlassungen haben,
traf ich auf Zustände, welche die Einrichtung
einer Verwaltung unbedingt nötig machten. Der
Häuptling Diba ist völlig einflußlos und lebt in
beständiger Angst vor seinen Nachbarn; er ver-
mag weder die weißen und die zahlreichen
farbigen Händler, die den Gummireichtum des
Kadaigebietes ausbeuten, zu schützen, noch ihren
Übergriffen gegenüber den Eingeborenen zu be-
gegnen. Niemand schützt die herrlichen Gummi-
bestände, so daß die Kolonie hier von Tag zu
Tag eine gewaltige Einbuße an Materialvermögen
erlitt.
Ich habe sofort das nötigste getan, um diesen
Ubelständen abzuhelfen. Am 20. Dezember ging
ich nordwestlich Bertua in den Urwald und gegen
die Makas unter Betuge Nsana vor. Die Makas
haben die direkten Wege nach Bengalong über
Danola zwanzig Stunden und über Dschomi
zweiundzwanzig Stunden weit, wo Sekretär
Mühling gefochten hat, verlassen und sich nörd-
lich davon, aber nirgends geschlossen, seßhaft ge-
macht. Sie waren über das Eintreffen der
Expedition natürlich längst unterrichtet, hatten
ihre Weiber und ihre Habe in den Sümpfen
versteckt und erwarteten mit gut gedeckten Schützen
die Patrouillen. Die Arbeit war infolgedessen
besonders schwierig; es bedurfte aller Energie,
um die Patronillen und Hilfsvölker immer wieder
in den Sumpf und Wald hineinzutreiben.
r— u
II.
Vom 20. Januar 1907.
Schließlich gelang es, die Makas des Betuge-
Nsana in den dichten Waldungen nördlich und
nordöstlich Bertua so zu erschüttern, daß sic den
Wald räumten und sich in die Grassteppen nach
Dendeng zu wandten. Mit der dortigen Baia-
Bevölkerung verbindet sie vielfach Heirat, wie die
Makas nördlich Bertua überhaupt längst nicht
mehr unter den primitiven Verhältnissen leben
wie die Wald-Makas im Njong= und Dume-Gebiet.
Durch die Kämpfe mit den Fullahs und Baias
haben die Nord-Makas gelernt, sich bessere Waffen
zu verfertigen und sich überhaupt eine höhere
Lebenshaltung angewöhnt.
Hätten mir nicht Hunderte von Jekaba= und
Esum-Kriegern zur Verfügung gestanden, dann
wäre es gar nicht möglich geworden, den hart-
näckigen Gegner in den weiten Grassavannen
aufzufinden und Betuge von der Nutzosigkeit eines
weiteren Widerstands zu überzengen. Als am
25. Dezember auch die Patronillen, welche bis
auf 30 km im Umkreise von Betuge-Nsana die
Gegend abgesucht hatten, von den Makas nichts
mehr auffinden konnten, hielt ich es für über-
flüssig, mit der gesamten Expedition hier, wo kein
Widerstand mehr zu erwarten war, zu bleiben.
Ich beschloß, selbst nach Südwesten zurückzu-
marschieren, um einmal mit der Dume-Station,
an der sich die friedlichen Zentral-Makas zusammen-
geschlossen hatten, Fühlung zu nehmen, dann aber
auch, um endlich den Omvangs, die unter Gele-
Menduka immer noch im Felde standen und die
Kranken-Sammelstelle des Professors Haberer
dauernd beunruhigten, energisch auf den Leib zu
rücken.
Wenn die Expedition einen bleibenden Erfolg
haben sollte, erschien es unmöglich, die Umgegend
von Bertua ohne Zurücklassung einer Truppen-
Abteilung, die das Gewonnene festhielt, zu verlassen.
Die Makas würden das Verschwinden der Expedition
sofort als einen Erfolg ihrerseits gedeutet und der
Regierung ein Nachgeben angedichtet haben. Auf
jeden Fall mußte sie unser Abmarsch verleiten,
sofort wieder mit ihren Räubereien einzusetzen;
die Karawanenstraße von Bengalong nach Bertna
und weiter nach Beri wäre aufs neue bedroht
gewesen. Trotzdem das Bezirksamt Jaunde mit
seiner eigenen schwachen Besatzung auf die Dauer
naturgemäß nicht in der Lage ist, in der Nähe
von Bertua, also rund 300 km östlich von seinem
Sitz, eine Sicherung durchzuführen, glaubte ich
im Hinblick auf die augenblickliche Lage diese
Stationsanlage durchführen zu sollen und bin
auch entschieden der Ansicht, daß das Gouverne=
ment, ganz abgesehen von militärischen Interessen,
sich in Rücksicht auf das Land, die Europäer und
die Eingeborenen wird entschließen müssen, eine
dauernde Verwaltungseinrichtung in der dortigen
Gegend zu etablieren, einer Gegend, die ja mit
ihren Gummischätzen ein Zentrum des produktiv
nutzbargemachten Teiles der Kolonie darstellt.
Von diesen Erwägungen ausgehend, setzte ich mich
sofort mit dem Chef der Verwaltung des Süd-
bezirks ins Benehmen und bat ihn, zu beantragen,
daß die provisorischen Einrichtungen, welche ich
zur Festhaltung des Landes getroffen habe, seitens
des Gouvernements zu einer wirklichen dauernden
Verwaltungseinrichtung erweitert würden.
Ich ließ den Polizeimeister Müller in Betuga-
Nsana am Ndo, einem Nebenfluß des Sanaga,
mit 30 Soldaten und 150 Jekaba-Hilfskriegern
ein festes Lager beziehen. Er erhielt eingehende
schriftliche Instruktion, daß es sein Bestreben sein
müsse, zunächst die Unterwerfung Betuges dadurch
zu einer definitiven zu machen, daß er ihn zur
Gestellung veranlasse, daß er ferner mit fort-
währenden Patronillen die Karawanenstraßen
von Bertua nach Bengalong und Schimekoa
(Maka) sichern und die Makas bestimmen solle,
sich durch Vernichten der Gummiwaldungen nicht