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setzten wir unsere Fahrt nach Yap fort, wo die
„Ponape“ am Nachmittag des 19. Oktober vor
Anker ging.
Der geräumige Hafen von Tomil wird durch
die Hauptinsel im Westen und Norden, die Insel
Tomil im Osten und durch ein der offenen Süd-
ostseite weit vorgelagertes, im übrigen die ganze
Gruppe umfassendes Riff eingeschlossen. Die
breiten Tiefwasserarme greifen weit in die dem
zerklüfteten Land vorgelagerten Korallenbänke
hinein und gestatten den Schiffen, an vielen
Stellen bis dicht an die Küste heranzukommen.
Die genügend breite Einfahrt ist durch Baken
gekennzeichnet.
Vom Schiffe aus genioßt der ankommende
Reisende ein schönes Landschaftsbild: wellige
Hügel, teils bewaldet, teils mit Steppe und
Gruppen von Pandanus bedeckt, hoher dunkel-
grüner Wald in den Schluchten und Bergfalten,
tief ausgebuchtete Ufer, umsäumt von Mangroven-
busch, hier und da am Strande große Einge-
borenenhäuser mit hohem, weit vorspringendem
Giebel und Niederlassungen der Händler, überall
in den Niederungen und auf den kleinen im Hafen
zerstrenten Inseln ausgedehnte Kokosbestände.
Leider sind sie fast alle vergilbt, krank, von der
Schildlaus befallen.
Auf einer schmalen Landzunge liegt das Be-
zirksamtsgebäude, das alte spanische Fort, die
Kabelstation, und auf dem ansteigenden Höhen-
rücken hinter= und übereinander die weißen Ge-
bände der Telegraphenbeamten, die Kapuziner-
mission, die Arztwohnung.
Die Spanier müssen, als sie seinerzeit diese
dürftigen Felsen zum Regierungssitz wählten,
lediglich von strategischen Rücksichten, d. h. durch
das Mißtrauen gegen die Eingeborenen, bestimmt
worden sein; und da ihre Eingeborenenpolitik
allerwärts und jederzeit den Charakter eines Kreuz-
zuges trug, die Yaper indessen der Mission gegen-
über sehr kühl blieben, so entstand ja auch in der
Tat zwischen Herrschern und Beherrschten ein nicht
eben vertrauenerweckendes Verhältnis. Das wurde
sofort anders, als die deutsche Herrschaft einzog.
Nachdem nun auch die Kabelstation statt nach
dem wirtschaftlich viel wertvolleren und zukunfts-
reicheren Palan nach Yap, und zwar ebenfalls auf
jenen kümmerlichen Zipfel, gelegt worden ist, so
wird, wenn in nicht ferner Zeit das morsche
Amtsgebäude zu erneuern ist, die Frage der Ver-
legung zu erwägen sein. Am besten würde sich
für diesen Zweck eine in den Hafen vorspringende
langgestreckte Halbinsel der Landschaft Tomil mit
einer ausgedehnten Hochebene und fruchtbarem,
bisher unbebautem Hinterland eignen. Die von
. S. „Condor“ vorgenommenen Lotungen
ergaben auch, daß große Schiffe dicht unter jener
Halbinsel gute Ankerplätze finden. Gegenüber
liegt die Insel Tarang und das eben im Bau
begriffene neue Krankenhaus.
Der einst blühende Koprahandel von Yap hat
infolge der zerstörenden Schildlausplage ganz auf-
gehört. Die hier ansässigen drei Firmen (eine
amerikanische, spanische, japanische) und einige
Unterhändler haben in dem Sammeln und der
Ausfuhr von Perlmuttermuscheln einen dürftigen,
das frühere Koprageschäft nicht erreichenden Ersatz
gefunden. In dem gleichen Verhältnis ist natür-
lich auch die Kaufkraft und der Verbrauch der
Eingeborenen gesunken. Auch sie gehen trüben
Zeiten entgegen. Denn wenn es auch an anderen
Nährfrüchten, insbesondere an Taro, nicht mangelt,
so werden sie doch bei ihren Lebensgewohnheiten
die Kokosnuß dauernd kaum entbehren können.
Eine Verminderung der jetzt schon stillstehenden
Bevölkerungsziffer wäre naturgemäß die weitere
Folge. Ich habe daher im abgelaufenen Jahre
wiederholt einer größeren Zahl von Vap-Ein-
geborenen Gelegenheit gegeben, die viel frucht-
bareren Marianen kennen zu lernen, wo jung-
fräuliches Land und Nahrung in Fülle vorhanden
ist. Dasselbe ist auf den Palau der Fall. Dort
laufen eingeborene Ansiedler aber Gefahr, in ein
Abhängigkeitsverhältnis zu den jetzigen Herren
des Bodens, den Palan-Rupaks, zu geraten. Ich
fürchte nicht zu schwarz zu sehen, wenn ich alle
Kokosbestände Yaps für verloren halte.
Am 24. Oktober lichtete die „Ponape“ Anker,
lief am 27. Palan an und fuhr am 28. weiter
nach den seit fünf Jahren von keinem Schiff be-
suchten Südinseln. In Bap und in Palau hatten
wir zusammen fast hundert Eingeborene jener
Inseln (Sonsol, Pulo-Anna, Pulo-Merir, Tobi)
eingeschifft; vor Jahren als Arbeiter angeworben,
hatten sie bis jetzt keine Gelegenheit gefunden,
nach ihrer Heimat zurückzukehren. Die Reise war
vergeblich. Widrige Strömungen und Winde, ein
orkanartiger Sturm — Verhältnisse, denen die
unter normalen Umständen schon sehr mangel-
haften Segelleistungen des Motorschuners nicht
gewachsen waren, nötigten uns zur Rückkehr nach
Palau. Kapitän Martens hat über diese Reise
und seine fachmännischen Erfahrungen mit dem
Schiff einen besonderen Bericht erstattet.
Am 3. November fuhren wir durch die gut
ausgebakte Südosteinfahrt in den großen und ge-
schützten Hafen von Korror ein. Rühmte ich
oben die landschaftliche Schönheit von Yap, so
muß ich hier den eigenartigen Reiz der Palau=
Inseln besonders hervorheben.
Düstere zackige Gipfel, hohe bewaldete Kuppen
wunderlichster Form stürzen fast senkrecht und un-
vermittelt zum Meere ab. In den tiefen blau-
grünen Buchten wachsen kuglige, waldbedeckte
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