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Semper wiederholt, wenn die alten Erinnerungen
geweckt werden. Von ihm erhielt Winkler die
ersten Nachrichten von den Quertreibereien der
Kalids; er bot ihm seine Mannschaft zur Be-
gleitung an, die Winkler aber ablehnte, um das
Aufleben der alten Fehden unter den Eingeborenen
zu verhindern und um zu zeigen, daß er auch
allein den Ränkeschmieden gewachsen sei.
Im übrigen ist keinem der Häuptlinge, Rupaks
und keinem Palauer allzusehr zu trauen. Die
Gier nach Reichtum und Einfluß, nach jenen
sonderbaren uralten, äum Teil mit aufgebrannten
Arabesken verzierten Geldstücken aus Glas und
Ton beherrscht ihr Sinnen und Trachten. Die
kleineren runden Stücke von Linsen= bis Haselnuß-
größe sind zumeist in der Mitte, die größeren
dreikantigen sind an beiden Enden durchbohrt
und werden von den vornehmen Frauen zuweilen
offen als Schmuck am Halse getragen, meist aber
sorgfältig verborgen. Math zeigte mir auf meine
Bitte einige seiner großen Familienstücke. Bei
den Eingeborenen von Borneo soll genau das
gleiche Geld in Umlauf sein. Sein Wert schwankt
von einigen Körben Taro bis zu über tansend
Mark nach unserem Gelde; die großen Stücke
sind übrigens den Besitzern um keinen Preis feil.
Nur die Stationskasse besitzt aus Strafen, Ein-
ziehungen usw. für einige tausend Mark Palangeld.
Durch die Errichtung der Regierungsstation
auf Korror ist das Ansehen des Aibathul und
entsprechend die Eifersucht des Araklai sehr ge-
stiegen. Ich versprach daher dem letzteren, daß
der Stationsleiter, wenn er ihm, wie es auch
Math getan, ein schönes Haus bane, jedes Jahr
einige Zeit in Malegojok bleiben werde. Dort
hatte übrigens auch der Regierungsarzt Dr. Born
während seines mehrmonatigen Aufenthaltes sein
Behandlungshaus aufgeschlagen. Die deutsche
Kapuzinermission besitzt je eine Station in Korror
und Malegojok. Wenn auch die Bekehrungserfolge
nicht bedeutend sind, so wünschen doch die Palauer,
daß ihre Kinder etwas lernen, und Aibathul hat
neben der Mission auf eigene Kosten eine schöne
Schule erbaut.
Bei meiner Ankunft versammelten sich alsbald
alle Rupaks um den Oberhäuptling. Sämtliche
aktuellen Angelegenheiten wurden besprochen, die
Befolgung der Anordnungen des Stationsleiters
wurde den Rupaks ans Herz gelegt, und schließ-
lich gelangten Geschenke zur Verteilung: Fisch-
haken, Messer, Stoffe, Tabak, Perlen. Dafür
gaben die Rupaks Gegenstände aus Schildpatt.
Der Aibathul ist ein dicker, achtzigjähriger
Mann mit sympathischem Gesicht. Er sitzt, da
er nicht mehr gehen kann, den ganzen Tag in
seinem halbenropäischen, nicht eben reinlichen
Hause, umgeben von seinen Angehörigen. Zur
Besprechung wurde er in seinem hölzernen, mit
Perlmuttereinlagen verzierten, einem Schweinetrog
nicht unähnlichen Thronsessel von vier Unter-
gebenen nach dem Platz vor den großen Häusern
getragen. Neben ihm saß der Arekoko, ein etwa
fünfzigjähriger stattlicher Mann mit langem, er-
grauenden Vollbart und gleichfalls recht an-
sprechenden, schlauen Gesichtszügen. Im Halb-
kreise nahmen je nach ihrem Rang die Rupaks,
im Hintergrunde die übrigen erwachsenen Mann-
schaften, zusammen etwa hundert Leute, Platz.
Dem Aibathul gegenüber war für mich ein mit
Matten bedeckter Sitz hergerichtet. Nach der Be-
grüßung fragte ich den Aibathul, ob dies seine
ganze Mannschaft sei; ich wisse doch, daß 1783,
zu Zeiten des Kapitäns Wilson — sein An-
denken und das des in England gestorbenen
Aibathul-Sohnes ist noch nicht erloschen — Korror
fünfzehnhundert Krieger stellte, woher wohl dieser
auffallende Rückgang der Bevölkerung kommc, den
man ja auch deutlich überall an den verlassenen,
ausgestorbenen Ortschaften sehen könne? „Das
kommt,“ meinte Aibathul, „von den fremden
Schiffen; sie brachten Krankheiten aller Art ins
Land.“ In der Tat mögen die Walfänger und
andere Schiffe früher Krankheiten eingeschleppt
haben, aber jetzt hat das aufgehört; heute werden
alle ankommenden Schiffe erst untersucht, und
kranke Leute dürfen nicht ans Land. „Aber
warum bekommen eure Weiber so selten und so
wenig Kinder?“ Da meldete sich einer, dessen
Frau sieben oder acht Kinder habe. „Du bist,“
erwiderte ich, „ein tüchtiger Mann und deine
Frau ist ein braves Weib, doch ihr seid Aus-
nahmen. Ihr anderen habt wenig Kinder, und
ich will euch sagen, woher das kommt: Ihr führt
kein Familienleben; bis vor kurzem lebten die
Männer in den Klubhäusern, dort wurden eure
Mädchen. verdorben. Jetzt ist das verboten zu
eurem und eures Volkes Wohl. Das Palauvolk
soll wieder stark werden an Zahl. Ihr sollt auch
eure Kinder nicht fremden Leuten geben, sie sollen
bei ihren Eltern, bleiben. Ihr sollt ein gutes
Familienleben führen, dann werden auch eure
Frauen wieder fruchtbarer sein.“
„Ich habe mit Freude gehört, Aibathul, daß
du das schöne Schulhaus hast bauen lassen und
daß ihr alle wollt, daß eure Kinder Deutsch lernen
(so wie es der Otto hier, des Arekok Sohn,
spricht) und Lesen, Schreiben, Rechnen. Dann
haltet die Kinder nur an, daß sie regelmäßig in
eure Schule gehen und, wenn der Unterricht zu
Ende, daß sie nach Hause kommen und euch bei
der Arbeit helfen. Es ist nicht nötig, daß sie den
ganzen Tag saulenzen. Im übrigen stört euch
niemond in euren alten Sitten, soweit sie gut
sind.“