Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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angeschwemmtem Sand und Muschelresten auf 
einer Unterlage von Korallen und hartem durch 
Organismen zusammengebackenem Sand. 
fand sich kein Ankerplatz; auch die Bootslandung 
ist schwierig. Bei Ebbe können wohl die flach- 
gehenden Kanus, nicht aber Boote den Rand des 
Riffes passieren. Das seichte Wasser bis zum 
Land mußten wir durchwaten. 
Zahlreiche, in ihrer Form den oben ge- 
schilderten ähnliche Kanus kamen uns entgegen. 
Die Insassen boten schreiend und winkend ihre 
heimischen Tauschwaren: Kokosnüsse, Taue und 
Stricke aus Kokosfaser, Kulihüte aus dünnem 
Schildpatt, geschnitzte Figuren an. Das Allrighte 
und »very good«-Geschrei zeigte uns, daß wir 
die Heerstraße des Pitschin erreicht hatten. In 
der Frühe des gleichen Tages bemerkten wir 
einen großen Dampfer. 
Am Lande wimmelte es von Menschen. Unter 
der Annahme, daß die gesamte Bevölkerung ver- 
sammelt war, schätze ich ihre Zahl auf über 1000 
darunter eine Unmenge von Kindern aller Alters- 
stufen. Aber was waren das für Menschen, was 
für Kinder! So klapperdürre, buchstäblich aus 
Haut und Knochen bestehende arme Wesen; ein 
so schreiendes, hungerndes Elend hatte ich nie 
für möglich gehalten. Dazu blöde, häßliche Ge- 
sichter, Schmutz und Gestank. Die Hautfarbe ist 
schmutzig gelb. Viele Männer und Weiber waren 
zwerghaft klein und verkümmert, die Masse von 
mittlerer Größe. Das schwarze, straffe Haar, die 
breiten, knochigen Gesichter mit ihrem stumpfen 
Ausdruck erinnerten mich lebhaft an die Indianer 
Südamerikas. Dieser Eindruck verstärkte sich später 
noch, als ich an Bord des „Seestern“ eine 
größere Anzahl der Leute in ihrer Apathie tage- 
lang beobachten konnte. Mit den Indianern 
sind sie natürlich nicht verwandt, aber ganz be- 
stimmt nach ihrem Wesen und Aussehen auch 
nicht mit den Karolinern. Ein schwacher Ein- 
schlag karolinischen Blutes mag immerhin vor- 
handen sein. Die Tobisprache ist nicht mehr die 
gleiche wie auf Sonsol und Merir; meine 
Saipanleute konnten sich nicht mit ihnen ver- 
ständigen. Auffallend war auch das Vorhanden- 
sein einer Anzahl kräftiger, wohlgenährter, sogar 
setter Männer, offenbar der Vornehmen, Reichen, 
vielleicht einer herrschenden Kaste fremden 
Stammes. 
Ich ließ sie Tänze aufführen, an denen sich 
besonders die Fetten beteiligten. Männer und 
Weiber stellten sich gegenüber in je zwei Reihen 
auf und bewegten nach dem Rhythmus ihres Ge- 
sanges ihre Körper und Gliedmaßen bald stehend, 
bald hockend, ohne sich im übrigen vom Platz zu 
bewegen. 
Tanz und Gesang dienen offenbar Kultus- 
  
  
zwecken. Denn bevor er begann, versammelten 
sich einige Leute in einem großen Hause; die 
Menge vor dem Hause verhielt sich schweigsam. 
Plötzlich schritt ein Mann schnell durch die Menge, 
die ihm ängstlich Platz machte, auf das Haus zu; 
sein Blick war ins Leere gerichtet; er schnaubte 
hörbar durch die Nase. Eine Weile nachdem er 
in das Beratungshaus eingetreten war, kamen 
alle heraus, und der Tanz begann. 
Die Kleidung der Männer besteht wie auf 
Sonsol aus einer schmalen Binde; die Weiber 
tragen kurze Röcke aus dürren Blättern, Kinder 
gehen ganz nackt. Die Frauen schmücken sich 
mit neunreihigen, schwarzweißen, durch Querleisten 
von Schildpatt gehaltenen Gürteln aus kleinen 
rundgeschliffenen Scheibchen von Kokosnußholz 
und Muscheln, mit Armringen aus Schildpatt 
und Perlmutter, mit Halsketten aus den ab- 
geschliffenen Verschlußstücken einer Muschel, aus 
den violetten, porzellanartigen Gliedern des See- 
igels oder aus eigentümlich stilisierten Angelhaken 
von Schildpatt, wie sie auch auf Oleai getragen 
werden. . 
Die Eingeborenen verfertigen aus Kokosblatt 
ganz vorzügliche Stricke und Tauc, wie sie ein 
berufsmäßiger Seiler nicht besser herstellen kann. 
Ferner bieten sie merkwürdige, weißgestrichene 
Schnitzereien zum Tausch an: Männer mit Hüten 
und Pfeifen, ein vollständiges Dampfschiff mit 
Kompaß, Steuerrad, Signalpfeife und sonstigen 
Einzelheiten, rohe Arbeiten, die aber auf gute 
Beobachtung schließen lassen. 
4 Die schlechten Hütten stehen am Strand und 
sind wie ihre Umgebung sehr schmutzig. Die 
Insel ist von einem breiten Kranz zahlreicher 
Kokospalmen umgürtet. Sie stehen aber zu dicht 
und tragen sehr spärlich. Das Innere von Tobi 
zeigte uns ausgedehnte, sorgfältig angelegte Taro-- 
und Batatenfelder. Um den Taropflanzen dauernd 
die nötige Bodenfeuchtigkeit zu verschaffen, waren 
große Flächen bis zum Meeresniveau vertieft, die 
ausgehobene Erde war zu Hügeln aufgeworfen 
und mit Steinreihen befestigt. Sonst bemerkte 
ich noch eine Pandanusart mit eßbaren Früchten, 
schöne Calophyllumbäume, Hühner, aber keine 
Hunde und Schweine. 
Alle Anlagen lassen auf Fleiß, eine gewisse 
Intelligenz und auf Ubervölkerung schließen. 
Meine Frage, ob es denn für die vielen Menschen 
genug zu essen gebe, beantworteten sie mit Ja; 
jetzt gäbe es wieder Kokos und genug Nahrung. 
Mehr brachte ich aus den Menschen nicht heraus. 
Ich glaube nicht fehlzugehen mit der Vermutung, 
daß das Zentrum jenes Taifuns von 1904 
zwischen Merir und Tobi durchging und, wie 
1905 auf Saipan, die Kokospalmen ihrer Blüten 
und Fruchtansätze beraubte, so daß sie sich erst
	        
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