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angeschwemmtem Sand und Muschelresten auf
einer Unterlage von Korallen und hartem durch
Organismen zusammengebackenem Sand.
fand sich kein Ankerplatz; auch die Bootslandung
ist schwierig. Bei Ebbe können wohl die flach-
gehenden Kanus, nicht aber Boote den Rand des
Riffes passieren. Das seichte Wasser bis zum
Land mußten wir durchwaten.
Zahlreiche, in ihrer Form den oben ge-
schilderten ähnliche Kanus kamen uns entgegen.
Die Insassen boten schreiend und winkend ihre
heimischen Tauschwaren: Kokosnüsse, Taue und
Stricke aus Kokosfaser, Kulihüte aus dünnem
Schildpatt, geschnitzte Figuren an. Das Allrighte
und »very good«-Geschrei zeigte uns, daß wir
die Heerstraße des Pitschin erreicht hatten. In
der Frühe des gleichen Tages bemerkten wir
einen großen Dampfer.
Am Lande wimmelte es von Menschen. Unter
der Annahme, daß die gesamte Bevölkerung ver-
sammelt war, schätze ich ihre Zahl auf über 1000
darunter eine Unmenge von Kindern aller Alters-
stufen. Aber was waren das für Menschen, was
für Kinder! So klapperdürre, buchstäblich aus
Haut und Knochen bestehende arme Wesen; ein
so schreiendes, hungerndes Elend hatte ich nie
für möglich gehalten. Dazu blöde, häßliche Ge-
sichter, Schmutz und Gestank. Die Hautfarbe ist
schmutzig gelb. Viele Männer und Weiber waren
zwerghaft klein und verkümmert, die Masse von
mittlerer Größe. Das schwarze, straffe Haar, die
breiten, knochigen Gesichter mit ihrem stumpfen
Ausdruck erinnerten mich lebhaft an die Indianer
Südamerikas. Dieser Eindruck verstärkte sich später
noch, als ich an Bord des „Seestern“ eine
größere Anzahl der Leute in ihrer Apathie tage-
lang beobachten konnte. Mit den Indianern
sind sie natürlich nicht verwandt, aber ganz be-
stimmt nach ihrem Wesen und Aussehen auch
nicht mit den Karolinern. Ein schwacher Ein-
schlag karolinischen Blutes mag immerhin vor-
handen sein. Die Tobisprache ist nicht mehr die
gleiche wie auf Sonsol und Merir; meine
Saipanleute konnten sich nicht mit ihnen ver-
ständigen. Auffallend war auch das Vorhanden-
sein einer Anzahl kräftiger, wohlgenährter, sogar
setter Männer, offenbar der Vornehmen, Reichen,
vielleicht einer herrschenden Kaste fremden
Stammes.
Ich ließ sie Tänze aufführen, an denen sich
besonders die Fetten beteiligten. Männer und
Weiber stellten sich gegenüber in je zwei Reihen
auf und bewegten nach dem Rhythmus ihres Ge-
sanges ihre Körper und Gliedmaßen bald stehend,
bald hockend, ohne sich im übrigen vom Platz zu
bewegen.
Tanz und Gesang dienen offenbar Kultus-
zwecken. Denn bevor er begann, versammelten
sich einige Leute in einem großen Hause; die
Menge vor dem Hause verhielt sich schweigsam.
Plötzlich schritt ein Mann schnell durch die Menge,
die ihm ängstlich Platz machte, auf das Haus zu;
sein Blick war ins Leere gerichtet; er schnaubte
hörbar durch die Nase. Eine Weile nachdem er
in das Beratungshaus eingetreten war, kamen
alle heraus, und der Tanz begann.
Die Kleidung der Männer besteht wie auf
Sonsol aus einer schmalen Binde; die Weiber
tragen kurze Röcke aus dürren Blättern, Kinder
gehen ganz nackt. Die Frauen schmücken sich
mit neunreihigen, schwarzweißen, durch Querleisten
von Schildpatt gehaltenen Gürteln aus kleinen
rundgeschliffenen Scheibchen von Kokosnußholz
und Muscheln, mit Armringen aus Schildpatt
und Perlmutter, mit Halsketten aus den ab-
geschliffenen Verschlußstücken einer Muschel, aus
den violetten, porzellanartigen Gliedern des See-
igels oder aus eigentümlich stilisierten Angelhaken
von Schildpatt, wie sie auch auf Oleai getragen
werden. .
Die Eingeborenen verfertigen aus Kokosblatt
ganz vorzügliche Stricke und Tauc, wie sie ein
berufsmäßiger Seiler nicht besser herstellen kann.
Ferner bieten sie merkwürdige, weißgestrichene
Schnitzereien zum Tausch an: Männer mit Hüten
und Pfeifen, ein vollständiges Dampfschiff mit
Kompaß, Steuerrad, Signalpfeife und sonstigen
Einzelheiten, rohe Arbeiten, die aber auf gute
Beobachtung schließen lassen.
4 Die schlechten Hütten stehen am Strand und
sind wie ihre Umgebung sehr schmutzig. Die
Insel ist von einem breiten Kranz zahlreicher
Kokospalmen umgürtet. Sie stehen aber zu dicht
und tragen sehr spärlich. Das Innere von Tobi
zeigte uns ausgedehnte, sorgfältig angelegte Taro--
und Batatenfelder. Um den Taropflanzen dauernd
die nötige Bodenfeuchtigkeit zu verschaffen, waren
große Flächen bis zum Meeresniveau vertieft, die
ausgehobene Erde war zu Hügeln aufgeworfen
und mit Steinreihen befestigt. Sonst bemerkte
ich noch eine Pandanusart mit eßbaren Früchten,
schöne Calophyllumbäume, Hühner, aber keine
Hunde und Schweine.
Alle Anlagen lassen auf Fleiß, eine gewisse
Intelligenz und auf Ubervölkerung schließen.
Meine Frage, ob es denn für die vielen Menschen
genug zu essen gebe, beantworteten sie mit Ja;
jetzt gäbe es wieder Kokos und genug Nahrung.
Mehr brachte ich aus den Menschen nicht heraus.
Ich glaube nicht fehlzugehen mit der Vermutung,
daß das Zentrum jenes Taifuns von 1904
zwischen Merir und Tobi durchging und, wie
1905 auf Saipan, die Kokospalmen ihrer Blüten
und Fruchtansätze beraubte, so daß sie sich erst