Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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jetzt wieder erholt haben. Daher die fürchterlichen 
Hungergestalten, die zahlreichen Kindergräber, 
denen wir mitten zwischen den Wohnungen be- 
gegneten: mit Korallen und weißem Sand be- 
strente Gräber, bedeckt von einem kleinen, niedrigen 
ache. 
Ich stellte den Leuten vor, 
sie hier doch lebten; sie sollten mit mir kommen 
nach Palau, Yap oder Saipan. Dort bekämen 
sie Land, dort sei Nahrung im üUberfluß für alle 
vorhanden. Besonders die armen Kinder wollte 
ich mitnehmen. 48 Männer folgten mir; ich sah, 
daß sie es zum Teil heimlich taten und daß sie 
gegen die Befehle ihrer Eltern oder Herren 
handelten. Kinder kamen nicht und auch nur 
zwei Frauen. Für jede mußte ich aber acht 
Stangen Tabak zahlen. 
Es ist höchste Zeit, daß möglichst viele der 
verkommenden Menschen von Tobi fortgeschafft 
werden. Es ist ein Rettungswerk. Eine Miß- 
ernte, ein Sturm, der die Kokosblüten beschädigt, 
die Einschleppung der Schildlaus (die ich übrigens 
hier nicht vorfand) würde die Mehrzahl zum 
Hungertode verurteilen. Einer eingeschleppten 
ansteckenden Krankheit würden diese geschwächten 
Körper sicher erliegen. 
Ich habe daher den Gonverneur alsbald ge- 
beten, auch den „Seestern“ von Tobi so viel 
Menschen als nur irgend möglich nach Palau 
oder Saipan schaffen zu lassen. Noch an dem- 
selben Tage fuhr der „Seestern“ zurück über 
Sonsol, wo wir noch zahlreiche Eingeborene ein- 
schifften, so daß schließlich 114 Männer und 
73 Frauen an Bord waren. 
Von diesen ließen wir 56 Männer und eben- 
soviel Frauen, die Mehrzahl der Leute von 
Merir und Pulo-Anna, in Palau zurück; sie 
sollen in Eimelik angesiedelt werden. Dem 
Wunsche der dortigen Händler, sie als Arbeiter 
anwerben zu dürfen, gab ich zunächst nicht statt. 
Auch die Palauer, die sie in ihre Familien auf- 
nehmen wollten, wies ich natürlich ab, denn dort 
wären sie Haussklaven geworden. Die Leute sollen 
sich erst ein neues Heim schaffen. 
In Palau hielt sich der „Seestern“ nur einen 
halben Tag auf. Der stellvertretende Gonverneur 
und ich besuchten den Aibathul; auch andere 
Häuptlinge, Araklai, Math und Bismarck, waren 
nach Korror zur Begrüßung gekommen. Am 
20. Dezember traf der „Seestern“ in Vap ein, 
um am 22. die Rückreise nach Herbertshöhe an- 
zutreten. 
Von den Tobileuten blieben 39 in Vap, 
ebenso Eingeborene von Sonsol. Sie werden 
zum Teil bei den Arbeiten des Bezirksamts be- 
schäftigt, andere traten als Arbeiter in die Dienste 
von Europäern. 24 Leute aus Merir und 
in welcher Not 
  
Pulo-Anna nahm ich am 15. Januar mit der 
„Germania“ nach Saipan, wo ich sie ansiedeln 
werde. 10 Tobileute folgten einem spanischen 
Ansiedler als Arbeiter nach Saipan. So hatte 
ich schließlich die eine Aufgabe, die die „Ponape“ 
nicht ganz zu leisten vermochte, mit der un- 
erwarteten Hilfe des „Seestern“ zu lösen ver- 
mocht. 
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Deutsch-Hüdwestafrika. 
Errichtung genossenschaftlicher Verbände. 
Der vom Reichsverbande der Deutschen 
landwirtschaftlichen Genossenschaften nach 
Deutsch-Südwestafrika entsandte Sachver- 
ständige Dr. Nolden, dem die Aufgabe gestellt 
worden ist, die wirtschaftlichen Verhältnisse im 
Hinblick auf die Errichtung genossenschaft- 
licher Verbände im Schutzgebiete zu studieren 
und dahingehende Bestrebungen zu fördern, be- 
richtet über seine bisherige Tätigkeit, wie folgt: 
Am 4. April fand eine Versammlung des 
Farmvereins zu Windhuk statt, in welcher u. a. 
auch die Frage des genossenschaftlichen Zusammen- 
schlusses, im besonderen die Gründung einer Ge- 
nossenschaftsschlächterei, zur Beratung stand. 
Schon vorher hatte der Unterfertigte in 
mancherlei Besprechungen Gelegenheit gehabt, 
sich einigermaßen über die in Frage kommenden 
Verhältnisse, zumal die Möglichkeit und Zweck- 
mäßigkeit der genossenschaftlichen Organisicrung 
namentlich des Farmerstandes, zu unterrichten. 
Als Wesentlichstes ergab sich in erster Linie 
die Organisierung des Personalkredites, und als- 
dann, je nach Bedarf, die Organisation des ge- 
nossenschaftlichen Einkaufes von Bedarfsartikeln 
der Wirtschaft und des Haushaltes und der Ver- 
kauf wirtschaftlicher Erzeugnisse. 
Der Unterfertigte fand in jener Versammlung 
eine sehr verständnis= und interessevolle Zuhörer- 
schaft, und es gelang, zwei Genossenschaften zu 
gründen. 
Während die zeitlich in dieser Versammlung 
zuerst gegründete Genossenschaft mehr eine lokale 
Bedeutung hat und den Kreis ihrer Mitglieder 
auf den Bezirk Windhuk und den Distrikt 
Rehoboth beschränkt, ist die Deutsch-Südwest- 
afrikanische Genossenschaftsbank als ein die 
ganze Kolonie umfassendes Institut gedacht. 
Die Grundlage und der Anfang aller ge- 
nossenschaftlichen Arbeit ist die Organisierung des 
Kredits, die Schaffung der Finanzaquelle sowohl 
direkt für die Einzelmitglieder wie indirekt für 
die mit anderen Aufgaben ins Leben gerufenen
	        
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