Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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gangen, dem Mörder die Fesseln zu lösen, damit 
er ihnen einige Kokosnüsse vom Baume her- 
unterhole. Die Leute, denen ich die strengsten 
Vorsichtsmaßregeln zur Pflicht gemacht hatte, 
werden disziplinarisch bestraft werden. 
Mittwoch, den 6. März, war ein Regentag. 
Er wurde zu einer UÜberprüfung der am Montag 
vorgenommenen Vernehmungen und zur schrift- 
lichen Abfassung des Protokolles benutzt. Am 
Nachmittage wurde exerziert. 
Am Donnerstag, den 7. März, begab sich der 
Polizeimeister in die Gegend von Siar und 
Lahetan, um den entsprungenen Nataweng einzu- 
fangen. Ich schloß mich der Expedition an, da 
die Zeit zum Besuche der der Hauptinsel vor- 
gelagerten kleinen Eilande von Barahun und 
Sirot drängte. Auf Barahun berührten wir 
die Orte Barahnn und Tagou, auf Sirot die 
Plätze Nakonat, Maietoan und Tarpeng. 
Die Inseln erschienen beide als friedlich. 
Auffallend war an allen Orten der Mangel 
an jungen Leuten. Die Erklärung mag darin 
zu suchen sein, daß Anwerbeschiffe, die Nissan 
besuchen, zuerst auf diese an der Eingangspforte 
des Inselbeckens gelegenen Eilande stoßen. Aus 
den Klagen der Leute auf Sirot war zu ent- 
nehmen, daß sie durch das feindliche Verhalten 
der unter dem Einflusse Somsons und Mogans 
stehenden Dörfer schwer zu leiden hatten. Die 
Bewohner gehörten zu den häßlichsten und 
schmutzigsten, die wir auf der Expedition zu 
Gesicht bekommen hatten. Manche hatten ekel- 
erregende Beinwunden. Ein Kind war über und 
über mit Geschwüren bedeckt. Herr Dr. Thurn- 
wald machte von den Leuten photographische 
Aufnahmen. Nach der Station zurückgekehrt, 
erhielt ich von Polizeimeister Krüger die Nach- 
richt, daß er seine Nachforschungen nach Nataweng 
die Nacht über fortsetzen wolle. Gleichzeitig 
sandte Krüger die Frau des Nataweng als Geisel 
und einen von ihm angeworbenen Mann. 
Freitag, den 8. März, blieb ich mit den 
Mannschaften auf der Station. Den Soldaten 
gab ich auf, mit den neuangeworbenen Leuten 
die ersten Ausbildungsversuche anzustellen. Am 
Nachmittage kam der Polizeimeister, der in seinen 
Unternehmungen während der Nacht durch strö- 
menden Regen behindert worden war, zurück, 
ohne Nataweng gefangen zu haben. 
Für Sonnabend, den 9. März, war beab- 
sichtigt, daß Polizeimeister Krüger sich abermals 
nach dem jenseitigen Ufer begeben sollte, um 
dort seine Nachforschungen nach Nataweng fort- 
äusetzen. Herr Dr. Thurnwald und ich hatten 
den Plan, mit einem Teil der Soldaten die uns 
bisher noch nicht bekannte Südwestecke der Insel 
zu besuchen und Anwerbeversuche zu machen. 
  
Außerdem war nach der Meinung des Herrn 
Heathcote die mir mitgegebene Karte, was diese 
Gegend anbetraf, nicht zuverlässig. Ich wollte 
dies gleichzeitig feststellen. — Beide Boote hatten 
bereits ein Stück Weges zurückgelegt, als der 
Polizeimeister den Seestern sichtete und uns durch 
Aufhissen einer roten Flagge zur Umkehr ver- 
anlaßte. Als der Seestern vor Anker ging, war 
die Expedition bereits fertig zum Aufbruch. An 
Bord des Seestern befand sich der Bezirksamt- 
mann Full. Wir beschlossen deshalb den Tag 
anders auszunutzen. Polizeimeister Krüger blieb 
an Land und ging mit der Mehrzahl der Mann- 
schaften in den Busch, um Sagoblätter zu 
schneiden, die Herr Full zur Errichtung einer 
Markthalle in Herbertshöhe verwenden wollte. 
Herr Full trat an meiner Stelle mit Herrn 
Dr. Thurnwald die am Morgen beabsichtigte 
Fahrt nach der Südwestecke an. Sie stellten 
in der Tat fest, daß die vorhandene Karte 
eine Verbesserung insoweit bedarf, als von 
der Westseite des Inselbeckens, noch bevor man 
die Südwestecke erreicht, ein bisher nicht ver- 
zeichneter, breiter, seichter, aber für Segelboote 
fahrbarer Kanal in südlicher Richtung abzweigt. 
Ich selbst hatte mit Herrn Kapitän Moeller 
die dem Polizeimeister am Morgen zugedachte 
Aufgabe übernommen. Wir streiften, soweit dies 
die bereits vorgerückte Zeit erlaubte, die Gegend 
um Siar ab, stießen aber nur auf verlassene 
Dörfer. Der Eingeborene Murr, der uns be- 
gleitete, zeigte mir bei dieser Gelegenheit den 
Platz, wo Nataweng entwichen war, und konnte 
mir als Augenzeuge über die einzelnen Umstände 
genaue Angaben machen. Er hat gesehen, wie 
einer der Soldaten mit dem noch gefesselten 
Mörder hinter die Bäume trat und Nataweng 
bald darauf ohne Fesseln mit einigen Kokos- 
nüssen in den Händen wieder hervorkam. Nach- 
dem er die Früchte zur Erde gelegt, sei er davon- 
gelaufen. 
Am Sonntag, den 10. März, begab ich mich 
gegen 9 Uhr früh zusammen mit den Herren 
Full, Dr. Thurnwald und Moeller vom Seestern 
nach der Station, wohin ich am Abend zuvor 
durch Boten alle Häuptlinge, die erreichbar 
waren, zu einer Versammlung eingeladen hatte. 
Nach und nach trafen sie von allen Seiten in 
Kanus mit ihren Leuten ein. Unter den Er- 
schienenen stellte ich fünfzehn als Häuptlinge fest. 
Ich ließ sie im Kreise auf der Erde nieder- 
sitzen, setzte mich selbst auf einen Baumstamm 
und hielt eine längere Ansprache, die einer der 
Häuptlinge aus dem Pitschenenglisch übersetzte. 
Ich versuchte, ihnen verständlich zu machen, daß 
nach Beendigung der Expedition sie als Häupt- 
linge nun selbst zuzusehen hätten, daß Friede in
	        
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