Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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reichten, welche sie nicht zu erwarten schien, alle 
Befangenheit. Sie hatte noch vor kurzem ihren 
früheren Mann entlassen und einen vertriebenen 
Häuptling aus Ombandja geheiratet. Die vor- 
nehmen Frauen des Ambolandes haben nämlich 
das große Vorrecht, sich ihren Mann zu wählen. 
Abgelehnt kann eine solche Wahl nicht werden; 
der von ihr Betroffene kann sich höchstens durch 
Flucht in ein benachbartes Stammesgebiet dem 
ihm drohenden Schicksal entziehen. Solche Männer 
vornehmer Frauen sind natürlich ganz in der 
Gewalt ihrer Frau. Ndapona bedauerte es sehr, 
daß sie uns ihren Gatten, weil dieser gerade ab- 
wesend war, nicht vorstellen könne. Da wir 
mehrmals Miene zum Aufbrechen machten, bat 
sie immer wieder, wir möchten doch warten. Als 
Aufenthaltsort wurde uns eine geräumige, schattige 
Hütte angewiesen. Auch für unsere leiblichen 
Bedürfnisse wurde Sorge getragen. Mit Bier hatte 
man uns schon reichlich traktiert. Endlich erschien 
eine ihrer Dienerinnen und servierte vor uns 
auf dem Boden gebratenes Huhn mit Osifina. 
Letzteres, die Hauptnahrung der Bewohner des 
Ambolandes, ist ein aus Mehl gekochter, recht 
steifer Brei. Das Huhn, welches sehr gut zu- 
bereitet war, schmeckte vorzüglich; das Osifina 
wurde unsern Begleitern überlassen. Endlich des 
Wartens müde, brachen wir auf und wurden von 
Ndapona als gute Freunde entlassen. 
Ipumbo, der Häuptling von Ukuambi, 
mag vielleicht eben die Zwanzig überschritten 
haben. Bekleidet war er mit einem weißen 
Anzug, langen Reitstiefeln und einem Hut mit 
breitem Rande. Von frühester Jugend an war 
er in der Werft seines Onkels, des früheren 
Häuptlings Negumbo, und wurde dessen be- 
sonderer Liebling. Naujoma, Ipumbos älterer 
Bruder, war von Negumbo vertrieben worden, 
und so geschah es, daß bei Negumbos Tod 
Ipumbo und nicht Naujoma, wie es das Landes- 
gesetz erfordert, Häuptling von Ukuambi wurde. 
Ipumbo begrüßte uns ziemlich kühl. Bald 
verschwand er wieder und ließ uns sagen, wir 
möchten doch unsere Brillen abnehmen, die könne 
er nicht leiden. Nachdem er wieder erschienen 
war, klärte ich ihn — er wußte, daß ich früher 
als Missionar in Ukuanjama tätig gewesen war — 
über meine jetzige Stellung auf und wies ihn 
auch auf die jetzige Art der Arbeiteranwerbung 
sowie auf die für die nach dem Süden gehenden 
Leute getroffene Fürsorge hin. „Für die Grüße 
des Omuhona in Windhuk danke ich,“ sagte 
Ipumbo, „aber die anderen Worte gehen mich 
nichts an.“ „So,"“ erwiderte ich, „es ist dir also 
gleich, wie es deinen Leuten ergeht, die nach 
Hereroland wandern?“ „Ja,“ gab er zur Ant- 
wort, „die gehen ohne mich zu fragen und ohne 
  
daß ich sie gesandt habe, und darum kümmert es 
mich wenig, wie es ihnen ergeht!“ „Nun,“ gab 
ich wiederum zur Antwort, „ich dachte, du hättest 
als Häuptling doch mehr Interesse an dem Er- 
gehen deiner Untertanen und würdest dich freuen, 
wenn im Hereroland gut für diese gesorgt wird.“ 
Ipumbo machte abermals eine ablehnende Be- 
wegung und zeigte sich überhaupt sehr unfreundlich. 
Am nächsten Morgen erschien ein Bote 
Ipumbos, der uns sagen ließ, wir möchten jetzt 
kommen, damit wir uns gut begrüßten; gestern 
sei er nicht wohl gewesen, und darum habe sich 
unsere Unterhaltung auch so schlecht gestaltet. Wir 
dachten natürlich nicht daran, einer solchen Ein- 
ladung Folge zu leisten, und ich sagte dem 
Boten: „Gehe und melde dem Ipumbo, er habe 
uns gestern wie Buschleute empfangen und be- 
handelt, und wir würden sein Gehäft nicht wieder 
betreten. Wir seien Gesandte des großen Omu- 
hona in Windhuk, und eine solche Behandlung 
ließen wir uns nicht gefallen.“ 
Nach kaum einer Viertelstunde kam ein zweiter 
Bote mit einem Ochsen und mit einer nochmaligen 
Bitte Ipumbos, wir möchten doch jetzt kommen. 
Sein gestriges Verhalten sei nur durch Unwohlsein 
veranlaßt worden. Er erhielt denselben Bescheid 
wie vorhin, und sein Bore zog wieder ab. 
Der dritte Gesandte des Häuptlings ließ nicht 
lange auf sich warten und brachte bald die Nach- 
richt: Ipumbo kommt selber! Die Unwürdigkeit 
seines gestrigen Verhaltens wohl einsehend, gab 
er nach und kam nun persönlich zu uns. Nach- 
dem wir ihn geraume Zeit hatten warten lassen, 
suchte er sich wieder mit seinem gestrigen Un- 
wohlsein zu entschuldigen, doch ließ ich dies nicht 
gelten. Da war Ipumbo auf einmal wie um- 
gewandelt. Wir konnten jetzt auch ausführlich 
über die Arbeiterfrage verhandeln, und er erklärte 
sich bereit, nach Kräften für Beschaffung von 
Leuten zu sorgen. 
Unterdessen war für Ipumbo und seine Be- 
gleiter von der Frau des Missionars Tee und 
Brot gebracht worden. Während des Essens 
wandte sich Jipumbo auf einmal zu uns und 
fragte: „Habt ihr auch „Omeva gasolidati42“ 
(Soldatenwasser.) Er meinte natürlich Brannt- 
wein. Endlich nach zwei Stunden brach er auf, 
und wir schieden nun als gute Freunde. 
Ukuambi gehört zu den kleinsten Stämmen 
des Ovambolandes. Seine Einwohnerzahl dürfte, 
soweit sich dies nach den bisherigen Ermittelungen 
feststellen läßt, höchstens 15 000 betragen. 
Der Häuptling von Ongandjera, Tschaneka, 
mag vielleicht 60 Jahre zählen. In seiner 
äußerst bescheidenen Kleidung — er trug bei 
unserer Ankunft ein altes Hemd und einen viel- 
leicht ebenso alten Hut — macht er kaum den
	        
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