Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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Baumwolle wird also durch die Bahnfracht ver- 
hälmismäßig zu schwer belastet. Wenn ferner 
auch die ungepreßte Baumwolle die nach dem 
Gewicht normierten Frachtsätze der Küstenschiffahrt 
nach Shanghai tragen kann, so kommt für die 
große Frachtfahrt nach Europa mit ihren auf 
anmeinheiten basierten Frachtsätzen nur gepreßte 
aumwolle in Frage. Ein ungepreßter Ballen 
Rohbaumwolle von ungefähr einem Pikul Gewicht 
nimmt über 1 chm ein, während z. B. die seit 
einiger Zeit in Tientsin in Betrieb befindliche 
Preßanlage, die freilich ein Anlagekapital von 
über 100 000 . repräsentiert, bis zu 12 Pikul 
m den Raum eines Kubikmeters hineinpreßt. 
Schließlich kommt auch die Ware selbst bei der 
bisherigen Art des Geschäfts in Tsinanfu teurer 
zu stehen als in Tientsin, wo mit größeren 
eitteln von langer Hand her gearbeitet wird. 
Die dortigen fremden Exporteure schicken schon 
im Sommer vor der Ernte ihre Agenten in die 
Schantunger Produktionsgebiete und lassen die 
noch im Kraut stehende Ernte aufkaufen und 
meist auch nicht unbeträchtlich bevorschussen. 
Dabei können natürlich sehr viel günstigere Ab- 
schlüsse erzielt werden, als wenn die Ware erst 
nach der Ernte, durch den Zwischenhandel ver- 
teuert, in Tsinanfu angekauft wird. Allerdings 
ist damit auch ein gewisses Risiko verbunden, vor 
dem sich der eben erst in den Anfängen seiner 
Entwicklung stehende fremde Handel in Tsinanfu 
wohl mehr scheut, als das alte feste Geschäft in 
Tientsin. Einen weiteren Vorteil haben sich die 
Tientsiner Exporteure dadurch gesichert, daß sie 
gute englische oder amerikanische Egreniermaschinen 
beschaffen und die von ihnen angekaufte Ernte 
gleich mit diesen entkernen lassen. Die bisher in 
den Schantunger Produktionsgebieten fast all- 
gemein gebräuchlichen japanischen Entkernungs- 
maschinen sind nicht nur wenig haltbar und 
leistungsfähig, sondern sie lassen auch einen relativ 
hohen Prozentsatz Kerne in der Wolle. In noch 
öherem Grade gilt das von den schlechten 
chinesischen Nachahmungen dieser Maschinen, wie 
ie z. B. vom Tsinanfuer Gewerbeamt hergestellt 
und verbreitet werden. Allerdings kostet eine 
solche japanische Maschine nur etwa 40 
während ein gutes deutsches Fabrikat, das freilich 
ganz unvergleichlich höhere Lebensdauer und quali- 
tative und quantitative Arbeitsleistung aufzuweisen 
hat, kaum unter 300 bis 400 . zu haben ist. 
Alle diese Gründe wirken zusammen zu dem 
Endresultat, daß die Baumwolle aus dem direkten 
interland von Tsinanfu gegenwärtig noch billiger 
und in besserer Qualität nach Tientsin als nach 
Vingtau gelegt werden kann. Es handelt sich 
aber um einen Artikel, der, wenn er in den 
mteressierten Kreisen genügend Beachtung findet, 
  
auch für Tsingtau und die Schantung-Eisenbahn 
von großer Bedeutung werden kann. 
(Bericht des Kaiserl. Konsulats in Tsinanfu.) 
Baumwollanbau und -nte in Algerien. 
In der Sitzung der algerischen landwirtschaft- 
lichen Gesellschaft vom März d. Is. wurden über 
die Ergebnisse der letzten Baumwollernte die fol- 
genden Angaben gemacht: 
Im Jahre 1910 waren mit Baumwolle be- 
pflanzt: in der Umgegend von Orleansville 400, 
im Bezirke Philippeville 30, in Bou-Roumi (Be- 
zirk Algier) 2 und im Bezirke Böne 30 ha. 
Das auf einer Fläche von 462 ha gewonnene 
Rohprodukt belief sich auf 4694 dz, so daß nach 
der Entkörnung auf etwa ein Drittel oder 1564 dz 
verkaufsfähiger Baumwolle zu rechnen wäre. 
Die Entkörnung ist wenigstens in Orleansville 
noch nicht vorgenommen worden, weil die dortige 
aus Pflanzern gebildete Genossenschaft „Société 
coopérative cotonnière d'Orléansville“, die sich 
wie die gleichartigen Vereinigungen in Philippeville 
und Bôöne im Besitze von Entkörnungsanlagen 
befindet, zur Zeit (Ende März) eine aus Groß- 
britannien bezogene Maschine zum Pressen der 
Kerne ausstellen läßt, mit der sie gleichzeitig mit 
der Entkörnung die Gewinnung des Baumwoll-= 
samenöls in die Hand nehmen will. 
Im ganzen soll man in Anbetracht der un- 
günstigen Witterungsverhältnisse — Trockenheir 
und Nachtfröste im Frühjahr, unzeitiger Regen 
im Juni — mit den Erträgen zufrieden zu sein. 
Die Ernte war spät. Die erste Pflücke begann 
im Oktober v. Is., die zweite hat sich bis in 
dieses Jahr hineingezogen. Angebaut waren in 
der Hauptsache die Sorten Yanovitch und Metafif. 
Versuche mit der Sorte Nubari sollen befriedigend 
ausgefallen sein. 
Die Orleansviller Genossenschaft hat ihre 
Baumwolle im Laufe des vorigen Jahres angeblich 
zu 2,45 Fr. pro Kilogramm, mithin für 122,50 Fr. 
pro 50 kg verkauft. Inzwischen sind die Preise 
auf 90 Fr. pro 50 kg gesunken. Gleichwohl hält 
man auch bei dieser Preislage den Anbau von 
Baumwolle in Algerien noch für lohnend. Algier 
Blätter berichten, daß die Nachfrage nach Baum- 
wollensaat besonders rege sein soll und schließen 
daraus auf eine bedeutende Ausdehnung der An- 
baufläche in diesem Jahre. Ob dies zutrifft, muß 
die Zukunft lehren. In Fachkreisen scheint man 
einigermaßen zweifelhaft zu sein, denn in der ein- 
gangs erwähnten Sitzung wurde die Meinung 
vertreten, daß zur Belebung der Kultur staatliche
	        
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