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Baumwolle wird also durch die Bahnfracht ver-
hälmismäßig zu schwer belastet. Wenn ferner
auch die ungepreßte Baumwolle die nach dem
Gewicht normierten Frachtsätze der Küstenschiffahrt
nach Shanghai tragen kann, so kommt für die
große Frachtfahrt nach Europa mit ihren auf
anmeinheiten basierten Frachtsätzen nur gepreßte
aumwolle in Frage. Ein ungepreßter Ballen
Rohbaumwolle von ungefähr einem Pikul Gewicht
nimmt über 1 chm ein, während z. B. die seit
einiger Zeit in Tientsin in Betrieb befindliche
Preßanlage, die freilich ein Anlagekapital von
über 100 000 . repräsentiert, bis zu 12 Pikul
m den Raum eines Kubikmeters hineinpreßt.
Schließlich kommt auch die Ware selbst bei der
bisherigen Art des Geschäfts in Tsinanfu teurer
zu stehen als in Tientsin, wo mit größeren
eitteln von langer Hand her gearbeitet wird.
Die dortigen fremden Exporteure schicken schon
im Sommer vor der Ernte ihre Agenten in die
Schantunger Produktionsgebiete und lassen die
noch im Kraut stehende Ernte aufkaufen und
meist auch nicht unbeträchtlich bevorschussen.
Dabei können natürlich sehr viel günstigere Ab-
schlüsse erzielt werden, als wenn die Ware erst
nach der Ernte, durch den Zwischenhandel ver-
teuert, in Tsinanfu angekauft wird. Allerdings
ist damit auch ein gewisses Risiko verbunden, vor
dem sich der eben erst in den Anfängen seiner
Entwicklung stehende fremde Handel in Tsinanfu
wohl mehr scheut, als das alte feste Geschäft in
Tientsin. Einen weiteren Vorteil haben sich die
Tientsiner Exporteure dadurch gesichert, daß sie
gute englische oder amerikanische Egreniermaschinen
beschaffen und die von ihnen angekaufte Ernte
gleich mit diesen entkernen lassen. Die bisher in
den Schantunger Produktionsgebieten fast all-
gemein gebräuchlichen japanischen Entkernungs-
maschinen sind nicht nur wenig haltbar und
leistungsfähig, sondern sie lassen auch einen relativ
hohen Prozentsatz Kerne in der Wolle. In noch
öherem Grade gilt das von den schlechten
chinesischen Nachahmungen dieser Maschinen, wie
ie z. B. vom Tsinanfuer Gewerbeamt hergestellt
und verbreitet werden. Allerdings kostet eine
solche japanische Maschine nur etwa 40
während ein gutes deutsches Fabrikat, das freilich
ganz unvergleichlich höhere Lebensdauer und quali-
tative und quantitative Arbeitsleistung aufzuweisen
hat, kaum unter 300 bis 400 . zu haben ist.
Alle diese Gründe wirken zusammen zu dem
Endresultat, daß die Baumwolle aus dem direkten
interland von Tsinanfu gegenwärtig noch billiger
und in besserer Qualität nach Tientsin als nach
Vingtau gelegt werden kann. Es handelt sich
aber um einen Artikel, der, wenn er in den
mteressierten Kreisen genügend Beachtung findet,
auch für Tsingtau und die Schantung-Eisenbahn
von großer Bedeutung werden kann.
(Bericht des Kaiserl. Konsulats in Tsinanfu.)
Baumwollanbau und -nte in Algerien.
In der Sitzung der algerischen landwirtschaft-
lichen Gesellschaft vom März d. Is. wurden über
die Ergebnisse der letzten Baumwollernte die fol-
genden Angaben gemacht:
Im Jahre 1910 waren mit Baumwolle be-
pflanzt: in der Umgegend von Orleansville 400,
im Bezirke Philippeville 30, in Bou-Roumi (Be-
zirk Algier) 2 und im Bezirke Böne 30 ha.
Das auf einer Fläche von 462 ha gewonnene
Rohprodukt belief sich auf 4694 dz, so daß nach
der Entkörnung auf etwa ein Drittel oder 1564 dz
verkaufsfähiger Baumwolle zu rechnen wäre.
Die Entkörnung ist wenigstens in Orleansville
noch nicht vorgenommen worden, weil die dortige
aus Pflanzern gebildete Genossenschaft „Société
coopérative cotonnière d'Orléansville“, die sich
wie die gleichartigen Vereinigungen in Philippeville
und Bôöne im Besitze von Entkörnungsanlagen
befindet, zur Zeit (Ende März) eine aus Groß-
britannien bezogene Maschine zum Pressen der
Kerne ausstellen läßt, mit der sie gleichzeitig mit
der Entkörnung die Gewinnung des Baumwoll-=
samenöls in die Hand nehmen will.
Im ganzen soll man in Anbetracht der un-
günstigen Witterungsverhältnisse — Trockenheir
und Nachtfröste im Frühjahr, unzeitiger Regen
im Juni — mit den Erträgen zufrieden zu sein.
Die Ernte war spät. Die erste Pflücke begann
im Oktober v. Is., die zweite hat sich bis in
dieses Jahr hineingezogen. Angebaut waren in
der Hauptsache die Sorten Yanovitch und Metafif.
Versuche mit der Sorte Nubari sollen befriedigend
ausgefallen sein.
Die Orleansviller Genossenschaft hat ihre
Baumwolle im Laufe des vorigen Jahres angeblich
zu 2,45 Fr. pro Kilogramm, mithin für 122,50 Fr.
pro 50 kg verkauft. Inzwischen sind die Preise
auf 90 Fr. pro 50 kg gesunken. Gleichwohl hält
man auch bei dieser Preislage den Anbau von
Baumwolle in Algerien noch für lohnend. Algier
Blätter berichten, daß die Nachfrage nach Baum-
wollensaat besonders rege sein soll und schließen
daraus auf eine bedeutende Ausdehnung der An-
baufläche in diesem Jahre. Ob dies zutrifft, muß
die Zukunft lehren. In Fachkreisen scheint man
einigermaßen zweifelhaft zu sein, denn in der ein-
gangs erwähnten Sitzung wurde die Meinung
vertreten, daß zur Belebung der Kultur staatliche