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Aus diesen drei Becken soll das Wasser teils
offen, teils in Tunneln, teils in Aquädukten einige
Kilometer weit bis an den Rand der Hochebene
bei Khandala geleitet werden. Von dort führen
dann sechs große Stahlrohre nach der 2½ engl.
Meilen entfernten und 1740 engl. Fuß tiefer
am Fuß der Ghats gelegenen Kraftstation Khopoli,
wo vier Turbinenanlagen von je 10 000
Pferdekräften aufgestellt werden. Drei davon
sollen ständig in Betrieb stehen, während die vierte
als Reserve dienen wird. Es würden also für
den Anfang 30 000 Pferdekräfte zur Verfügung
stehen. Falls auch das Staubecken von Shirawta
gebaut werden sollte, würde die Gesamtanlage
50 000 Pferdekräfte zu entwickeln imstande sein.
Von Khopoli bis an das Weichbild von Bombay
(43 engl. Meilen) wird die elektrische Kraft ober-
irdisch über Maste nach einer Verteilungsstelle
weiter geleitet werden, von wo aus Untergrund-
kabel zu den einzelnen Fabriken und sonstigen
Abnehmern führen werden. Mit dem Wasser,
wenn es seine Kraft hergegeben hat, hofft man
30 000 bis 40 000 Acres Land berieseln und
dort Gemüse, Früchte u. dgl. für den nahen
Markt von Bombay ziehen zu können.
Das Kapital der Gesellschaft besteht aus
10 000 Stammaktien und 100000 siebenprozentigen
Vorzugsaktien von je 1000 Rupies, zusammen
also 20 Millionen Rupies, von denen 12 Millionen
bereits eingezahlt sind. Außerdem sind für 5½
Millionen Rupies Obligationen ausgegeben worden,
so daß das gesamte in das Kraftwerk gesteckte
Kapital bis jetzt 17½ Millionen Rupies oder
etwa 22½ Millionen Mark beträgt. Diese ganze
Summe ist vollständig in Indien, zum Teil von
einheimischen Fürsten, aufgebracht worden. Fi-
nanziert wird das Unternehmen von der Parsen-
firma Tata in Bombay, die auch das Stahlwerk
Kalimati bei Kalkutta errichtet.
Wie oben erwähnt, ist als Hauptabnehmerin
für die elektrische Kraft die Bombayer Baum-
wollindustrie mit ihren 2,8 Millionen Spindeln
und 40 000 Webstühlen gedacht. Nach einer
Berechnung des Gouverneurs von Bombay, Sir
George Clarke, kostet einem Baumwollfabrikanten
in Lancashire die Tonne Kohlen etwa 7½ sh,
während sein Mitbewerber in Bombay etwa 20 sh
9 Pence für die Tonne zahlen muß. Die elek-
trische Kraft dagegen soll in Bombay nur etwa
0,55 Annas (rund 4½ Pfennig) für die Einheit
kosten, während einem Lancashire-Spinner die
Einheit 0,50 bis 0,75 Pence zu stehen kommt
(1 Penny —= 1 Anna). Durch die Einführung
des elektrischen Betriebes würde also der Baum-
wollindustrie Bombays der Wettbewerb sowohl.
mit England wie mit den indischen Spinnereien
und Webereien außerhalb Bombays bedeutend
erleichtert werden, vorausgesetzt, daß die In-
dustriellen in Bombay in der Lage sind, die be-
deutenden Anlagekosten für die erste Einrichtung
zu tragen.
Ein weiteres günstiges Omen für die Zukunft
ist die kürzlich erlassene Novelle zum Arbeiter-
schutzgesetz (kactory law), die am 1. Juli d. JIs.
in Kraft treten soll. Die wichtigste Bestimmung
darin ist die Festsetzung eines Normalarbeitstages
von zwölf Stunden für erwachsene männliche
Arbeiter in Textilfabriken. Diese Neuerung hatte
mit großem Widerstand von den verschiedensten
Seiten her zu kämpfen. Namentlich die Kalkuttaer
Jute-Interessenten versuchten noch in letzter Stunde
die Beschränkung der Arbeitszeit zu Fall zu bringen
und eine ihnen bequemere Fassung des Gesetzes
durchzudrücken. Die Regierung hat sich indessen
nach anfänglichem Schwanken schließlich fest gezeigt
und der Baumwollindustrie damit eine Wohltat
erwiesen, die allerdings noch nicht überall an-
erkannt wird. Die neue Bestimmung wird nicht
nur das Arbeitermaterial erhalten und heben,
sondern auch der bisherigen Überproduktion und
ungesunden Konkurrenz zwischen den einzelnen
Fabriken einen Riegel vorschieben.
Allerdings werden sich die wohltätigen Folgen
der Einführung der Elektrizität und der Ver-
besserung des Arbeiterschutzes erst in Zukunft
geltend machen können. Augenblicklich sind die
Aussichten der Baumwollindustrie sosschlecht
wie möglich. Die Preise für rohe Baumwolle
haben während des Jahres eine Höhe erreicht,
wie sie seit dem amerikanischen Bürgerkrieg nicht
mehr vorgekommen ist. Auf der anderen Seite
weisen die Fertigfabrikate auf den Hauptabsatz-
märkten in Indien und China keine entsprechende
Preissteigerung auf. Indien hat zwar zwei gute
Jahre hinter sich, es ist Gold und Silber genug
ins Land geflossen. Die Bevölkerung wäre daher
an sich sehr wohl in der Lage, mehr Geld für
Baumwollwaren anzulegen. Trotzdem bleibt der
Markt flau, die Käufer halten nach Möglichkeit
zurück in der Hoffnung, daß die Preise doch noch
wieder heruntergehen werden. Ahrlich liegen die
Verhältnisse in China, wo außerdem noch die
aufblühende einheimische Baumwollindustrie, der
japanische Wettbewerb und der Ausbruch der Pest
störend wirken. Außerdem klagen die indischen
Baumwollgarnexporteure über den neu eingeführten
indischen Silberzoll, der auf dem Preis für das
nach dem Silberlande China ausgeführte Garn
lastet.
Alle diese Umstände machen die Baumwoll-
krisis, die ja gegenwärtig auf der ganzen Welt
herrscht, für Indien besonders fühlbar. Im Jahre
1905 betrug der Verdienst der indischen Baum-
wollindustrie noch 35 Millionen Rupies, im Jahre