Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXII. Jahrgang, 1911. (22)

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Aus diesen drei Becken soll das Wasser teils 
offen, teils in Tunneln, teils in Aquädukten einige 
Kilometer weit bis an den Rand der Hochebene 
bei Khandala geleitet werden. Von dort führen 
dann sechs große Stahlrohre nach der 2½ engl. 
Meilen entfernten und 1740 engl. Fuß tiefer 
am Fuß der Ghats gelegenen Kraftstation Khopoli, 
wo vier Turbinenanlagen von je 10 000 
Pferdekräften aufgestellt werden. Drei davon 
sollen ständig in Betrieb stehen, während die vierte 
als Reserve dienen wird. Es würden also für 
den Anfang 30 000 Pferdekräfte zur Verfügung 
stehen. Falls auch das Staubecken von Shirawta 
gebaut werden sollte, würde die Gesamtanlage 
50 000 Pferdekräfte zu entwickeln imstande sein. 
Von Khopoli bis an das Weichbild von Bombay 
(43 engl. Meilen) wird die elektrische Kraft ober- 
irdisch über Maste nach einer Verteilungsstelle 
weiter geleitet werden, von wo aus Untergrund- 
kabel zu den einzelnen Fabriken und sonstigen 
Abnehmern führen werden. Mit dem Wasser, 
wenn es seine Kraft hergegeben hat, hofft man 
30 000 bis 40 000 Acres Land berieseln und 
dort Gemüse, Früchte u. dgl. für den nahen 
Markt von Bombay ziehen zu können. 
Das Kapital der Gesellschaft besteht aus 
10 000 Stammaktien und 100000 siebenprozentigen 
Vorzugsaktien von je 1000 Rupies, zusammen 
also 20 Millionen Rupies, von denen 12 Millionen 
bereits eingezahlt sind. Außerdem sind für 5½ 
Millionen Rupies Obligationen ausgegeben worden, 
so daß das gesamte in das Kraftwerk gesteckte 
Kapital bis jetzt 17½ Millionen Rupies oder 
etwa 22½ Millionen Mark beträgt. Diese ganze 
Summe ist vollständig in Indien, zum Teil von 
einheimischen Fürsten, aufgebracht worden. Fi- 
nanziert wird das Unternehmen von der Parsen- 
firma Tata in Bombay, die auch das Stahlwerk 
Kalimati bei Kalkutta errichtet. 
Wie oben erwähnt, ist als Hauptabnehmerin 
für die elektrische Kraft die Bombayer Baum- 
wollindustrie mit ihren 2,8 Millionen Spindeln 
und 40 000 Webstühlen gedacht. Nach einer 
Berechnung des Gouverneurs von Bombay, Sir 
George Clarke, kostet einem Baumwollfabrikanten 
in Lancashire die Tonne Kohlen etwa 7½ sh, 
während sein Mitbewerber in Bombay etwa 20 sh 
9 Pence für die Tonne zahlen muß. Die elek- 
trische Kraft dagegen soll in Bombay nur etwa 
0,55 Annas (rund 4½ Pfennig) für die Einheit 
kosten, während einem Lancashire-Spinner die 
Einheit 0,50 bis 0,75 Pence zu stehen kommt 
(1 Penny —= 1 Anna). Durch die Einführung 
des elektrischen Betriebes würde also der Baum- 
wollindustrie Bombays der Wettbewerb sowohl. 
mit England wie mit den indischen Spinnereien 
und Webereien außerhalb Bombays bedeutend 
  
erleichtert werden, vorausgesetzt, daß die In- 
dustriellen in Bombay in der Lage sind, die be- 
deutenden Anlagekosten für die erste Einrichtung 
zu tragen. 
Ein weiteres günstiges Omen für die Zukunft 
ist die kürzlich erlassene Novelle zum Arbeiter- 
schutzgesetz (kactory law), die am 1. Juli d. JIs. 
in Kraft treten soll. Die wichtigste Bestimmung 
darin ist die Festsetzung eines Normalarbeitstages 
von zwölf Stunden für erwachsene männliche 
Arbeiter in Textilfabriken. Diese Neuerung hatte 
mit großem Widerstand von den verschiedensten 
Seiten her zu kämpfen. Namentlich die Kalkuttaer 
Jute-Interessenten versuchten noch in letzter Stunde 
die Beschränkung der Arbeitszeit zu Fall zu bringen 
und eine ihnen bequemere Fassung des Gesetzes 
durchzudrücken. Die Regierung hat sich indessen 
nach anfänglichem Schwanken schließlich fest gezeigt 
und der Baumwollindustrie damit eine Wohltat 
erwiesen, die allerdings noch nicht überall an- 
erkannt wird. Die neue Bestimmung wird nicht 
nur das Arbeitermaterial erhalten und heben, 
sondern auch der bisherigen Überproduktion und 
ungesunden Konkurrenz zwischen den einzelnen 
Fabriken einen Riegel vorschieben. 
Allerdings werden sich die wohltätigen Folgen 
der Einführung der Elektrizität und der Ver- 
besserung des Arbeiterschutzes erst in Zukunft 
geltend machen können. Augenblicklich sind die 
Aussichten der Baumwollindustrie sosschlecht 
wie möglich. Die Preise für rohe Baumwolle 
haben während des Jahres eine Höhe erreicht, 
wie sie seit dem amerikanischen Bürgerkrieg nicht 
mehr vorgekommen ist. Auf der anderen Seite 
weisen die Fertigfabrikate auf den Hauptabsatz- 
märkten in Indien und China keine entsprechende 
Preissteigerung auf. Indien hat zwar zwei gute 
Jahre hinter sich, es ist Gold und Silber genug 
ins Land geflossen. Die Bevölkerung wäre daher 
an sich sehr wohl in der Lage, mehr Geld für 
Baumwollwaren anzulegen. Trotzdem bleibt der 
Markt flau, die Käufer halten nach Möglichkeit 
zurück in der Hoffnung, daß die Preise doch noch 
wieder heruntergehen werden. Ahrlich liegen die 
Verhältnisse in China, wo außerdem noch die 
aufblühende einheimische Baumwollindustrie, der 
japanische Wettbewerb und der Ausbruch der Pest 
störend wirken. Außerdem klagen die indischen 
Baumwollgarnexporteure über den neu eingeführten 
indischen Silberzoll, der auf dem Preis für das 
nach dem Silberlande China ausgeführte Garn 
lastet. 
Alle diese Umstände machen die Baumwoll- 
krisis, die ja gegenwärtig auf der ganzen Welt 
herrscht, für Indien besonders fühlbar. Im Jahre 
1905 betrug der Verdienst der indischen Baum- 
wollindustrie noch 35 Millionen Rupies, im Jahre
	        
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