Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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Hereinbringung der Ernte ihre Ware offe- 
rierten, so fänden sie den Bedarf bereits allseitig 
gedeckt und könnten nichts absetzen. Da das 
heiße Klima eine längere Lagerung des Kakaos 
nicht gestatte, so müßten sie schließlich, um die 
Ernte überhaupt zu Geld machen zu können, auf 
die von den Spekulanten gebotenen niedrigen 
Preise eingehen. 
Diesem Mißstand müßte entgegengetreten und 
der Kakaohandel wieder zu einem gesunden Ge- 
schäft gemacht werden; den Pflanzern selbst komme 
es zu, den Preis zu bestimmen. Hierzu bedürfe 
es natürlich einer festen Organisation, die über 
gehörige Mittel verfüge. Diese würden, da sich 
der Gedanke einer freiwilligen Beitragsleistung 
als undurchführbar erwiesen habe, durch einen 
von den Produzenten zu erhebenden besonderen 
Ausfuhrzoll von 1 Sucre (2 .%/0),“) der an den 
Pflanzerbund selbst unmittelbar abgeführt werden 
müßte, zu beschaffen sein. Da die Durchschnitts- 
ernte in Ecuador sich auf rund 700 000 Zentner 
belaufe, so wäre dann jährlich ein Fonds von 
700 000 Sueres verfügbar. Mit einer solchen 
Summe könne der Bund, im Vereine mit den 
auf ähnliche Mittel gestützten Organisationen in 
Portugal und Brasilien, seine Operationen be- 
ginnen, nämlich die Preise festsetzen, unter denen 
den Exporteuren kein Kakao geliefert werden dürfe. 
Selbstverständlich müsse man sich für den Anfang 
auf einen energischen Widerstand gefaßt machen, 
so daß man möglicherweise zunächst die Ernte 
nicht los werden würde; dann müßte der Bund 
den Produzenten die Ware abkaufen und in 
Europa, dessen Klima eine längere Einlagerung 
ohne Schaden zulasse, ins Depot geben; falls die 
vorhandenen Gelder für die Abfindung der Pro- 
duzenten nicht ausreichten, würden sich gewiß 
Banken zur Bevorschussung des wertvollen Artikels 
bereit finden. Schließlich müßten ja die Fabri- 
kanten, wenn ihr Vorrat zu Ende sei, doch ent- 
gegenkommen und auf die festgesetzten Preise 
eingehen.“ 
Der Kongreß verlangte zunächst den Nachweis, 
daß dem Projekt von der großen Mehrheit der 
Hazienderos zugestimmt werde. Als es endlich 
gelungen war, die genügende Anzahl von Unter— 
schriften vorzulegen, war die Session schon so weit 
vorgeschritten, daß die Vorlage nicht mehr im 
Plenum beraten werden konnte. Allerdings sprach 
sich der Kommissionsbericht befürwortend aus. 
Da ohne den Ausfuhrzoll, der den Kampf— 
fonds schaffen soll, in die praktische Betätigung 
der Valorisationsbestrebungen nicht eingetreten 
werden kann, so müssen sich die Leiter der Be— 
wegung bis zum nächsten Kongreß in Geduld 
*! Für den spanischen Zentner (16 kr). 
  
fassen. Man glaubt, daß im Frühjahr eine außer- 
ordentliche Tagung stattfinden wird, und Saenz 
hofft, daß es dann gelingen wird, den erwähnten 
Zoll durchzusetzen. 
Unterdessen beginnt man sich hier nach und 
nach der großen Schwierigkeiten, die sich der 
Durchführung des Unternehmens entgegensetzen, 
bewußt zu werden. Die interessierten Kreise sind 
sich darüber klar, daß das Projekt überhaupt nur 
dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn es glückt, 
die drei Hauptproduktionsländer zu einem gemein- 
samen Vorgehen zusammenzuschließen; Ecuador 
allein würde natürlich durch die Annahme der 
Saenzschen Vorschläge nichts erreichen. Allem 
Anschein nach wird deshalb in Ecuador eine 
Wiederaufnahme der Propaganda nur dann er- 
folgen, wenn bis zum nächsten Kongreß wenig- 
stens einigermaßen günstige Berichte aus Portugal 
und Brasilien eintreffen. · 
Selbst wenn aber diese beiden Länder ein 
ermutigendes Beispiel geben sollten, so würde hier 
noch manche Schwierigkeit zu überwinden sein. 
Bei näherer Prüfung des Projekts sind im Kreise 
der Pflanzer selbst Bedenken aufgetaucht; sie be— 
fürchten zunächst, die Leitung des zu gründenden 
Bundes werde sich nicht auf eine vorsichtige, auf 
die Verteidigung vernünftiger Preise gerichtete 
Politik beschränken, sondern gegebenenfalls durch 
spekulative Operationen die Preise zu treiben suchen, 
ein Vorgehen, das nicht im Sinne der Produzenten 
liegen würde. Außerdem hegt man die Besorgnis, 
daß der erwähnte Ausfuhrzoll, der doch den 
Pflanzern zugute kommen soll, später von der 
Regierung für andere Zwecke verwendet werden 
würde. 
Für den Fall des Scheiterns des Valorisations= 
projekts haben sich die Interessenten bereits nach 
anderen Mitteln, die den Kakaobau gewinnbrin- 
gender gestalten könnten, umgesehen und machen 
für eine Herabsetzung des auf dem Artikel lasten- 
den Ansfuhrzolles (1 Sucres — 8 . für den 
spanischen Zentner) Stimmung. Als Ersatz schlagen 
sie eine stärkere Besteuerung des Branntweins 
und Tabaks und die Erhöhung der Einfuhrzölle 
auf Spirituosen und Lurusgegenstände vor. 
(Bericht des KNaiserl. Konsulats in QJuito 
vom 28. Dezember 1911.) 
Der Lissaboner Kahaomarkt im Februar 1912.7) 
Seit dem letzten Berichte ist der Kakaopreis 
stetig zurückgegangen, trotzdem größere Abschlüsse 
gemacht worden sein sollen. Der Preis ist von 
3600 auf 3400 Reis gesunken. 
“) Vgl. „D. Kol. Bl.“ 1912. . 220.
	        
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