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ohne jegliche Bewaffnung die Soldaten. Ich rief
einem Soldaten zu, er solle meinen Tisch ins
Freie stellen, wurde aber dabei unterbrochen,
weil plötzlich Häuptling Gabola, der mir auf
dem Fuße ins Freie gefolgt war, mitsamt seiner
Begleitung und unter großem Geschrei davon-
lief. Ich habe, um jede Feindseligkeit zu ver-
meiden, von gewaltsamem Aufhalten des Häupt-
lings Abstand genommen, zumal die Abteilung
dadurch zu längerem Aufenthalt im Dorfe ge-
zwungen worden wäre. Ich kann mir die plötz-
liche Flucht des Gabola nur so erklären, daß
er in seinem großen Mißtrauen jenen rein zu-
fälligen Vorgang und meine dem Soldaten in
Negerenglisch zugerufenen Worte falsch gedeutet
hat und deshalb ausgerissen ist. Die Bevölke=
rung hat mit ihrem Häuptling das Dorf ver-
lassen. Abends ließ mir Gabola sagen, er käme
nie und nimmer nach Nola; im übrigen wäre
er bereit, wenn ich mit ihm Krieg führen wolle.
Ich ließ ihm zurücksagen, ich dächte keineswegs
daran, seine Leute zu töten; diese sollten ruhig
in ihr Dorf zurückkehren; ich hätte auch gar nicht
daran gedacht, ihn mit nach Nola zu nehmen,
sondern ihm den Vorschlag gemacht, sich auch
gelegentlich einmal, wie die anderen Häuptlinge,
auf dem Posten zu zeigen. Darauf hat Gabola
eine Menge Hühner, eine Ente und einen mittel-
großen Elfenbeinzahn geschickt, ist aber mit seinen
Leuten bis jetzt noch nicht zurückgekehrt. Ich
habe in Nguku einen Ruhetag gemacht, um zu
verhüten, daß Häuptling Gabola einen sofortigen
Abmarsch der Abteilung als Schwäche auslegt.
Ich gedenke jedoch morgen über Durgo—Ba-=
gudu—Bandja meinen Marsch fortzusetzen.
Aus Gabolas Worten, er käme nie und
nimmer nach Nola, schloß ich, daß meine Auf-
forderung gleich zu Anfang, nach Nola zu kommen,
sein Mißtrauen wesentlich verstärkt hat. Bestätigt
wurde diese Vermutung durch die Angaben des
in Nguku ansässigen Europäers, Kaufmanns Jour-
dain, der mir mitteilte, daß die Franzosen
Gabola angedroht hätten, ihn, sowie sie seiner
habhaft wären, an die Kette zu legen.
In meiner Unterredung mit Kaufmann
Jourdain sagte dieser mir folgendes: Er
sei keineswegs über das gestrige Verhalten
Gabolas erstaunt gewesen; er habe seit seiner
vierjährigen Anwesenheit in Nguku noch nie
gesehen, daß Häuptling Gabola, wenn er sich
überhaupt einmal habe sehen lassen, nicht ent-
laufen sei. Im letzten Jahr der französischen
Verwaltung sei er überhaupt nicht mehr ge-
kommen. Die französischen Beamten hätten sich
auch gar keine Mühe mehr gegeben. Infolge-
dessen sei nicht nur das Selbstbewußtsein des
Häuptlings Gabola gewachsen, sondern auch die
Achtung vor den Europäern allmählich verringert
worden. Seitdem Gabola in Nguku Häuptling
sei, wäre es noch keinen Augenblick völlig ruhig
gewesen und könne es auch niemals unter seiner
Leitung werden; dazu gebe Gabola viel zu sehr
zu erkennen, daß er mit Europäern nichts zu tun
haben wolle. —
Ich habe ferner folgendes festgestellt:
Der Häuptling Gabola ist der weitaus be-
deutendste Häuptling des gesamten Nola-Bezirks.
Unter seinem direkten Einfluß stehen die Dörfer
Bondo, Bagudu, Djabo, Durgo, Dario,
Nakumbo, Bimbi, Tapuru. Ob sein Einfluß
noch weiter nach Norden reicht, steht noch dahin.
Er ist von einer fast abergläubischen Furcht be-
fangen, daß der Europäer ihn töten will. Solange
die französische Verwaltung im Lande war, ist er
vor Jahren ein einziges Mal zu bewegen gewesen,
nach Nola zu kommen. Seit dieser Zeit hat er
sich nicht mehr sehen lassen. Nie betritt er auch
den Boden der Faktorei Nguku. Er bleibt stets
etwa 50 m davor stehen und sagt durch Zuruf,
was er haben will. Dabei ist er dauernd von
etwa 150 mit geladenen Gewehren bewaffneten
Gefolgsleuten umgeben. Häuptling Gabola gibt
ganz offen zu erkennen, daß er nichts mit der
Verwaltung zu tun haben will. So, wie früher
unter den Franzosen, ist es auch jetzt nicht mög-
lich, einen Postboten oder eine Patrouille durch
sein Dorf zu schicken, ohne daß sie angegriffen
wird. Vor jedem Europäer, der mit Soldaten
sich nähert, reißt er aus.
Das Gouvernement in Buea hat die nötigen
Anordnungen getroffen, um den Häuptling und
die übrigen Schuldigen zu bestrafen und sie zur
Anerkennung der deutschen Herrschaft zu zwingen.