Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

W 881 20 
  
  
ichtamtlicher Teil 
  
Denkschrift über die Errichtung einer Landwirtschaftsbank 
für Deutsch-Südwestafrika) 
Die Beschaffung eines billigen Bodenkredits ist 
in Deutschland seit langem als eines der wichtigsten 
Ziele der Agrarpolitik erkannt und seitens der 
Bundesstaaten teils durch besondere Einrichtungen, 
teils durch unmittelbare Hingabe staatlicher Mittel 
gefördert worden. Beispiele hierfür sind die preu- 
ßischen Landschaften, die bayerische Landwirtschafts- 
bank und Landeskultur-Rentenanstalt, die sächsische 
Landeskultur-Rentenanstalt und die hessische 
Landes-Hypothekenbank. Die Gründe für die 
Notwendigkeit staatlicher Mitwirkung auf diesem 
Gebiete liegen darin, daß der Landwirt zur Ver- 
besserung seiner Wirtschaft eines billigen, meist 
unkündbaren und nur allmählich tilgbaren Kredits 
bedarf, während das zur Kreditgewährung bereite 
Privatkapital höhere Verzinsung und Beweglich- 
keit sucht. 
Im Schutzgebiete Deutsch-Südwestafrika wird 
dieses Bedürfnis dadurch verschärft, daß dem 
Geldbedarfe der meist noch im Anfang ihrer Ent- 
wicklung stehenden Farmwirtschaft eine außer- 
ordentliche Geldknappheit auf seiten der in Betracht 
kommenden Geldgeber gegenübersteht. 
Die Farmer verfügen selbst meist nur über 
beschränkte Mittel, die sie zur Einrichtung ihrer 
Wirtschaft verwendet haben. Infolgedessen sind 
sie nicht in der Lage, Meliorationsarbeiten, welche 
die richtige Ausnutzung der Farm ermöglichen, 
durchzuführen. Die Kaufleute und Gewerbetrei- 
benden haben etwaigen reichlichen Verdienst, den 
sie während des Aufstandes gemacht hatten, meist 
zur Vergrößerung ihrer Geschäfte sowie für eigene 
Farmunternehmungen verwendet. Teilweise haben 
sie Farmern und sonstigen Personen einen Waren- 
kredit eingeräumt, den sie nicht zurückziehen können, 
ohne die wirtschaftliche Existenz ihrer Schuldner 
zu gefährden. Ihre Mittel sind infolgedessen stark 
festgelegt. Der vorübergehende Aufschwung des 
Wirtschaftslebens infolge der Bahnbauten hat eine 
durchgreifende Erleichterung nicht gebracht. Es 
liegt deshalb eine Bedenken erregende Stockung 
des Kapitalzuflusses zur Farmwirtschaft vor. 
Das heimische Privatkapital zeigt sich nicht 
bereit, durch Gewährung langfristigen Grundkredits 
die nötige Hilfe zu bringen. 
Unter diesen Umständen tritt an die Regierung 
die Aufgabe heran, der Farmwirtschaft, dem Rück- 
  
)Vgl. die in der vorliegenden Nummer (S. 562f.) 
veröffentlichte Kaiserliche Verordnung, betr. die 
Landwirtschaftsbank für Deutsch-Südwestafrika. 
  
grat im Erwerbsleben des Schutzgebiets, durch 
staatliches Eingreifen nachzuhelfen. 
Gegen die Möglichkeit der Schaffung eines auf 
gesunden Geschäftsprinzipien beruhenden Real- 
kredits werden vielfach angeführt: die geringe 
Höhe des Bodenwerts und seine im Vergleiche 
dazu starke Belastung durch Restkaufgelder, Ver- 
bindlichkeiten aus Ansiedlungsbeihilfen und Privat- 
hypotheken, die Unsicherheit der kolonialen Land- 
wirtschaft, das Fehlen eines genügenden Marktes 
für Grundstücke. Diese Gründe sind indes nicht 
in solchem Umfang gerechtfertigt, daß sie Untätig- 
keit gegenüber dem dringenden allgemeinen Be- 
dürfnis nach Realkredit entschuldigen könnten. 
Die Verkaufspreise für Regierungsfarmen von 
etwa 50 Pfennig bis 2 ¼ für das Hektar können 
nur als untere Grenze des Wertes des rohen 
Landes ohne jede Meliorierung gelten. Zum 
Zwecke der Bewirtschaftung des Grund und Bo- 
dens bedarf es aber regelmäßig nicht unerheblicher 
Mittel. Der Farmkäufer muß Hausbauten aus- 
führen und Wasser erschließen, auch pflegt er ge- 
eignetes Land zu kultivieren und in Bestellung 
zu nehmen. Eine ordnungsmäßig eingerichtete 
Farm besitzt hiernach einen Wert, von dem der 
Kaufpreis für den Grund und Boden nur einen 
Bruchteil ausmacht. Es ist deshalb erklärlich, 
daß für gut eingerichtete Farmen im Hereroland 
ohne lebendes Inventar Preise von 4 bis 7 4 
für das Hektar gezahlt sind. Derartige Farmen 
sind geeignete Unterlagen für einen vernünftig 
bemessenen Grundkredit. 
Jede Land= und Viehwirtschaft hat infolge 
Abhängigkeit von klimatischen Einflüssen, Vieh- 
seuchen usw., mit einem gewissen Unsicherheits- 
faktor zu rechnen. In unkultivierten Ländern ist 
dieser Faktor größer als in kultivierten. Gleich- 
wohl hat die Landwirtschaft in einer Reihe über- 
seeischer Länder den nötigen Kredit gefunden und 
sich mit dessen Hilfe rasch entwickelt. Es fragt 
sich deshalb nur, ob die Bedingungen in Süd- 
westafrika etwa ungünstiger sind als in diesen 
Ländern. Das ist zu verneinen. Die Farmer, 
insbesondere die alten Farmer mit längerer 
Landeserfahrung, sind von der Zukunft der Farm- 
wirtschaft in Südwestafrika überzeugt. Diese be- 
findet sich in stetem Aufschwung. Ferner gestatten 
die guten Erfolge der Farmbetriebe im britischen 
Südafrika mit nicht besseren natürlichen Bedin- 
gungen günstige Prognosen. Mißjahre infolge 
von Trockenheit, Heuschreckenfraß oder ähnliche 
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